Briefwechsel

78.

Acc., 22. Oktober.

Ich bin in nicht geringer Wuth, daß ich Ihnen wieder nur eines der verlangten Bücher senden kann. Gott allein ist es bekannt, welchen Schweiß mir das eine gekostet! Der Rest wird erfolgen, und Gott wird mir beistehen, bald! Denn Ihre obligatorische Verpflichtung hat mich nicht wenig gerührt. Nur noch eine Bemerkung: Haben Sie auch bedacht, was es sagen will, die Totalität! Ein großes Wort. Ich würde fest auf das obligatorische Versprechen bauen, wenn es Angesichts der Bibliothek gegeben worden wäre. Da aber die Sache anders erscheinen muß, wenn Sie den schönen Vorrath übersehen, so wünschte ich auch darüber beruhigt zu seyn.

Mein Vorschlag wäre nun der: Sie ließen, falls die Bücher in Kisten eingepackt sind, selbige ohne weitere Revision nur ruhig in Ihren Behältern und überließen dann meiner Diskretion die Aussichtung derjenigen Werke, die Ihnen vielleicht zurückzustellen sind; ein Geschäft, welches noch außerdem tief unter Ihrer Würde ist. – Wenn Sie sich hiernächst den Moment lebhaft vorstellen möchten, wie die besagten Kisten <115:> in ihrer vollständigen Jungfräulichkeit und Unbestimmtheit hier anlangen, Buch für Buch herausgenommen, betrachtet, befühlt, dafern es englischer Abkunft ist, oder um solches zu berichtigen, auch berochen wird, und darüber hin mit einem feuchtlichen Auge nach dem entfernten Geber hingeschaut wird – mein Freund, Sie würden nicht widerstehen können. Es ist vielleicht unerhört, aber eines ächten Gelehrten um so würdiger, mit einer liberalen Gleichgültigkeit und Gutmüthigkeit den ganzen Apparat, ohne den der gemeine Gelehrte nicht fertig werden kann, wegzuwerfen wie ausgebrannte Kohlen einer ehemaligen Flamme, die der gewöhnliche Angst- und Kummergelehrte weislich für eine zweite und dritte spärliche Erwärmung aufbewahrt. Was brauchen Sie, von der Weltbewegung fortgerissen und zugleich an sichere Sterne gebunden für immer, dem ältesten und dem jugendlichsten in der Wissenschaft, der Bibel und mir, mit gleicher Tiefe des Herzens ergeben, was brauchen Sie die Schubkarren und Lämpchen armseliger Lohnarbeiter? Wirklich, es ist unanständig für Sie, sich mit Bücherschränken zu umgeben! – In einer literarischen Einsamkeit müssen Sie dastehen, und wie Orakel die schöne Fülle und Lebendigkeit Ihres Herzens aussprechen, welche wirklich – und nun spreche ich ernsthaft – tiefer liegt, als jeder minder Vortreffliche, mit Plato und den Vortrefflichsten der Menschheit bewaffnet, je dringen kann. – Eine Bibliothek verschenken und einem Gelehrten der geringeren Klasse ein Almosen geben, daß er die seinige wieder erhalten könne (Martinetz Laguna) – so gefallen Sie mir. Aus einem Stücke gehauen, gediegen, und da, wo keine Literatur hinreicht, geliebt, bewundert und groß!

Adam.