Briefwechsel

108.

Berlin, den 23. Juli 1810.

Der Ueberbringer dieses gegenwärtigen Briefes, Herr Major v. L…, ein Bruder des Ihnen auf Leben und Tod ergebenen Schriftstellers, bringt <165:> auf Befehl des Königs die traurige Nachricht von dem Ableben der Königin, zuvörderst an die Kaiserin nach Brünn, dann an den Kaiser. Vielleicht kann er Ihnen über das ewig beklagenswürdige Ereigniß manche Details geben, die Sie noch nicht haben. Lassen Sie sich insbesondere die merkwürdige, sogar mitunter an die Poesie streifende Gemüthsstimmung des guten Königs beschreiben; auch kann er über den Aufenthalt des Königs in Strelitz Auskunft geben, da er des Königs Begleiter war; ein in jeder Hinsicht rechtlicher und tüchtiger Mann in der Umgebung des Königs: also braucht er keine Empfehlung weiter.

Sie, mein Freund, habe ich indeß mahnen wollen um ein gefälliges Rückschreiben auf meine ungebührlich lange Epistel. Erlauben Sie, da ich Ihre Präcision in Correspondenzen kenne, Ihr gegenwärtiges Stillschweigen befremdend zu finden.

Alles, was Sie in Teplitz gesehen hat, haben Sie, mein Freund, so bezaubert entlassen, daß ich mich jetzt ohne Briefe von Ihnen einsam fühle in diesem seines schönsten Schmucks beraubten Lande, und wenn ich nicht bald entweder meine Freunde wieder sehe, oder die praktische Wirksamkeit erlange, nach der ich vor allem strebe, so stürze ich mich in das Schattenreich der Gelehrsamkeit, in die Zeichenwelt, die nur mit den schwarz und weißen Polen der Farbenkugel handthiert, – und gehe sicher zu Grunde. Denn wenn ich nicht angreifen darf mit eigenen Händen, und mit den Aeltesten, Treuesten und Besten dieser meiner heutigen Erde nicht Aug’ in Auge leben soll, so will ich nicht leben.

Und diese heitere schöne Seele ist mit so viel Widerwillen gestorben, ohne Abendmahl! Der Trost, die Erhebung, welche vor noch nicht funfzig Jahren dem ärmsten in der Todesstunde begegneten, die mangeln heut den Königen! – Wenn der König wüßte, welchen Tröster für solche Tage, die er jetzt erlebt, er in seinem Lande hat! wenn ich ein einzigesmal seinem Herzen Trost und Beruhigung sprechen dürfte!

Gedenken Sie bei diesem Fragment eines Briefes meiner auf’s Freundlichste. Gerade jetzt ist die Zeit, wo das Teplitzer Leben sich allmählig zerstreut, und nun Raum wäre für Sie, für mich und für meine religiöse Melancholie! – Ich lasse diese Wünsche fahren, nur schreiben Sie.

A. H. Müller. <166:>