Briefwechsel

128.

Wien, den 4. Juli.

Sie werden gewiß eine Menge Mittel haben, den beiliegenden Brief anzubringen, da der Kaiser von Rußland und seine Adjutanten vermuthlich in Ihrer Nähe sind.

Ihre Briefe, die wir bis zum 28. besitzen, sind fortdauernd das Genaueste, Gründlichste, zugleich Anschaulichste und Lebendigste, was uns vom Kriegsschauplatz zukömmt, und die Anerkennung Ihrer unsterblichen Verdienste wird von Tag zu Tag deutlicher und fester.

Daß die politische Krisis so schnell eintreten sollte, hätte ich nicht geglaubt. Would to God it were all over! Wie wird das enden? Unter allen Stürmen der Sitzungen vom 21. und 22., wie groß auch der Conflikt der Meinungen war, erhob sich doch nicht Eine Stimme für Ludwig XVIII.! Keine Bourbons! Darüber sind sie einig. Nun, und wir haben nur die einzige Saite auf unserer Leier. Von allen Maßregeln ist es allerdings prima facie die bequemste; jede andere erfordert unendlich mehr Kraft, mehr Arbeit, mehr Kämpfe gegen Feind und Freund. Endlich gar – unser gegebenes Versprechen zu halten – Frankreich freie Wahl zu lassen, wer wird das wollen? wird er es dürfen und können? Und treten wir zurück, welche Steigerung des Unmuths und der Verzweiflung im Lande! Jetzt stehen wir erst am Eingang der schwierigen <192:> Laufbahn. An Gewalt fehlt es uns nicht. Aber zum Laufen hilft nicht schnell seyn &c.

Schreiben Sie mir einmal gelegentlich, wie Sie die Sache betrachten.

Sie erwähnen in einem Ihrer Briefe, Görres habe die Congreß-Declaration vom 12. Mai so vorzüglich gefunden. Wo steht das? In unsern Rheinischen Merkuren nirgends.

Leben Sie wohl, und bleiben Sie stark und thätig.

Gentz.