Briefwechsel

147.

Wien, 26. September 1816.

Daß Sie sehr böse auf mich sind, liebster Freund, das weiß ich und begreife ich. Meine letzten Briefe haben Ihnen nicht gefallen können, und ich nehme es Ihnen, billig und resignirt, wie ich heute über alles menschliche denke, gar nicht im Geringsten übel, daß Sie mir seitdem nicht wieder geschrieben haben.

Ich meines Theils fühle aber ein Bedürfniß, Ihnen ganz kurz zu erzählen, daß ich wirklich im Gasteiner Bade war, und mir Glück wünsche zu dem Entschlusse, der mich dahin führte, theils weil ich mich seit langer Zeit nicht so wohl befunden habe, als nach dem Gebrauch dieses unvergleichlichen Wassers, theils weil das ganze Land Salzburg durch seine wundervolle Schönheit einen unverlöschlichen Eindruck auf mich gemacht hat. Meine Neigung zu hohen Bergen war Ihnen längst bekannt. Diese hat sich aber seit einigen Jahren so erweitert, daß daraus eine Freude an der Natur überhaupt, eine Sehnsucht nach dem Genuß ihrer Schönheiten entstanden ist, die alle andern Gefühle in mir unterdrückt. Auch bin ich sehr ernsthaft entschlossen, Mineralogie und Botanik, und alles was damit zusammenhängt, zu studiren; denn Philosophie, Politik und selbst Geschichte haben durchaus keinen Reiz mehr für mich. Der jetzt, leider, zu Ende gehende Sommer hat diese Revolution in mir vollendet. Schon am 1. Mai zog ich in mein Weinhaus, und beschäftigte mich hier, ohne Unterlaß, mit Blumenkenntniß und Blumenkultur; so vergingen die ersten drei Sommermonate. Den August und halben September brachte ich in dem Paradiese von Salzburg zu, und bei meiner Zurückkunft fand ich noch so schönes Wetter und meinen Garten mit den herrlichsten Blumen so reich geschmückt, daß ich mich schwerlich vor Ende Oktobers davon trennen werde.

Das Einzige, was ich in der letzten Zeit von meinen alten Studien mit Eifer getrieben habe, und gewissermaßen treiben mußte, weil ich mich einmal zu tief in die politischen Verhandlungen eingelassen hatte, war das Geldwesen. Welch unangenehme Wendung es mit unserem neuen Geldsystem genommen hat, darf ich Ihnen nicht erst sagen. Wohl muß ein fremder Zuschauer mit Erstaunen fragen: Et quomodo vestram rempublicam tantam amisistis tam cito? Noch gebe ich zwar nicht alle Hoffnung <225:> auf; aber nach allem was geschehen ist, wird es schwer halten, die Sache wieder aufzurichten.

Unterdessen ist hier – von aller Welt unbemerkt – eine Schrift erschienen, die mich gewaltig frappirt hat. Sie wissen, oder wissen nicht, daß ich in den Jahren 10 und 11 der Meinung war, wir könnten die ganze, damals sehr große Masse unseres Papiergeldes aufrecht erhalten, wenn sich nur ein Mittel entdecken ließe, den Schwankungen des Curses gewisse Grenzen anzuweisen. Der Verfasser jener Schrift hat nun etwas ausgedacht, wodurch diese Schwankungen gewissermaßen neutralisirt werden. Mir scheint die Idee äußerst sinnreich; ich getraue mir aber nicht, das gegen irgend jemanden laut werden zu lassen. Ich wünschte sehr zu wissen, was Sie davon denken, und bitte Sie, mir Ihre Meinung über diese Schrift mitzutheilen. An der unnützen Weitschweifigkeit derselben werden Sie sich nicht stoßen, es kommt nur darauf an, wie Ihnen der Grundgedanke erscheint. – Vorderhand wird freilich bei uns von Conservation des Papiergeldes kein Mensch etwas hören wollen. Die meisten unserer Geschäftsmänner, fast alle, die ihre Stimmen über den Gegenstand erheben, verdammen vielmehr das neue System hauptsächlich deßhalb, daß es nicht das Papiergeld mit Einem Schlage vertilgen wollte. Mir ahnt aber, aus allerlei guten Gründen, daß das Papiergeld zuletzt doch wohl mächtiger seyn möchte, als alle seine Feinde, und ich halte es daher nicht für überflüssig, sich von neuem recht ernsthaft mit der Theorie desselben und allem, was es verbessern kann, zu beschäftigen.

Hiemit hängt noch eine andere Frage und Bitte zusammen. In einer höchst elenden und ekelhaften Schmiererei, welche Woltmann unter dem Titel: „Politische Blicke und Berichte,“ so eben herausgegeben hat, steht ein Aufsatz über Idealgeld, worin einige von Ihnen abgestohlene Ideen auf das schändlichste verhunzt und zu reinem Unsinn gediehen sind. Hier wird aber (obgleich nur höchst dunkel und verworren) von einem Vorschlage gesprochen, dessen Urheber Reitemayer seyn soll, und der mir – so viel ich nämlich aus Woltmanns Gewäsch klug werden kann – mit der Idee von Füger viel Aehnlichkeit zu haben scheint. Wenn ich nicht irre, ist oder war jener Reitemayer Professor zu Frankfurt. Könnten Sie nicht dieser Sache näher auf den Grund kommen? mir allenfalls die Schrift von Reitemayer – W. citirt nicht einmal den Titel derselben – verschaffen? <226:>

Diese Commissionen werden Sie mir gewiß besorgen. Und sobald Sie wieder einigermaßen gut mit mir sind, so sagen Sie es mir, und rechnen Sie übrigens immer darauf, daß in mir nie eine Veränderung vorgehen kann, die meine Liebe zu Ihnen entkräftete. Mein Urtheil über Ihre Werke und Schriften hat mir dieser nichts zu schaffen. Zwei Stunden Gespräch mit Ihnen waren mir von jeher lieber, als eine ganze Bibliothek.

Leben Sie wohl.

Gentz.