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Wilhelm Amann, Der „edle Unglückliche“. Fouqué über Kleist, in: BKB 12 (1999), 33-99; darin: 43

Fouqué an Karl August Varnhagen v. Ense, Nennhausen, 11. 10. 1810

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Brandenburgisches Erndtelied
für das Jahr 1810

Die Halm und die gelben Aehren ¿¿ winken
So reich und mild
Die hellen Sensen blinken,
Die Garbe schwillt.
Da wollen wir beginnen
Den Erndtesang;
Ach, aber mitten innen
Schallt Glockenklang.
Die Trauerglocke läutet
Vom Thurme her;
Wir wissen was es deutet:
Sie ist nicht mehr!
Zwei Augen ruhn im Grabe
So fromm und blau,
Und auf die Gottesgabe
Fällt Thränenthau.
Heinrich Kleist hat mir darüber und über den beiliegenden Aufsatz ein höchst inniges und liebevolles Brieflein geschrieben, auch mich zum Mitarbeiter an seinen

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Abendblättern eingeladen, die er jetzt in Berlin mit glänzendem Erfolge herauszugeben anfängt. Ich denke, das Ganze wird sehr gut. Popularität und dadurch Verbreitung des Rechten, Vertreibung des Schlechten, – vorzüglich ^oder doch zunächst^ der Iffländereien unsres Theaters ist der Hauptzweck. Ich werde mich aber wohl nicht sonderlich in die nothwendigen Bedingungen zu Erreichung desselben schicken können. Du weißt, das ist unter vielen schwachen Seiten eine meiner schwächsten. Doch will ich thun, was ich kann, weil ich das Ganze sehr Institut sehr achte und liebe. – Weißt Du den schon die herrliche Geschichte mit Iffland und Kleist? – Dieser schickt jenem sein Käthchen von Heilbronn zur Aufführung ein. Iffland antwortet lange gar nicht. Endlich schreibt ihm Kleist: er möge ihm das Mscpt zum Behuf einer freundschaftlichen Mittheilung zurücksenden, nachher stehe es ihm wieder zu Diensten. Dadurch denkt er ihn zu einer Erklärung zu kriegen. Der grobe Edelmüthige aber wikkelt das Mscpt in Löschpapier, und so findet es Kleist des Abends ohne Billet auf seinem Tische. Tas Tages darauf erfährt Kleist, daß Iffland einem Dritten gesagt hat: das Käthchen gefalle ihm nicht, und was ihm nicht gefalle, führe er nicht auf. Nun wird Kleist grimmig, und schickt ihm folgenden Zettel: Durch Ew. Herrn Hofr. Römer erfahre ich, daß Ew. Wohlgeboren mein in Wien am Vermählungstage der Kaiserin von Frankreich mit Beifall gegebenes Schauspiel, das Käthchen von Heilbronn, nicht gefällt. Es thut mir Leid, daß es ein Mädchen ist. Wenn es ein Junge wäre, würde es Ihnen besser gefallen. Heinrich von Kleist." – Nun kannst Du denken, daß Iffland sich zu den Abendblättern böser Dinge versieht, und mit Recht. Vorgespukt hat’s schon in den ersten Blättern.

H: BJK (3 Seiten, 143 Zeilen; hier: Z. 85-128).
darüber] Das „Erndtelied“war am 18. 8. 1810 in der Königlich privilegirten Berlinischen Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Nr. 99, erschienen.
beiliegenden Aufsatz] Fouqués „Gespräch über den 19. Julius des Jahres 1810“, erschienen in: Berlin oder der Preußische Hausfreund. Eine patriotische Zeitschrift für gebildete Leser jedes Standes, 28. 8. 1810, Nr. 69, 308-310.
Brieflein] Brief vom 2. 9. 1810, den vermutlich Ludwig Robert nach Nennhausen überbracht hatte. Er sollte in Kleists Auftrag bei dieser Gelegenheit Fouqué mündlich über die Ziele der Berliner Abendblätter unterrichten.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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