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B

Arno Barnert in Zusammenarbeit mit Roland Reuß und Peter Staengle, Polizei – Theater – Zensur. Quellen zu Heinrich von Kleists „Berliner Abendblättern“, in: BKB 11 (1997), 29-353; darin: 313-315

Kabinettsorder an Karl August v. Hardenberg und Friedrich Adolf v. Kalckreuth, Potsdam, 24. 12. 1810

<39r>
Abschrift
Ich habe aus Ihrem Bericht vom 21ten d. Mts. den Erfolg ersehen, welchen die Untersuchung wegen des am 26ten v. Mts. im Schauspielhause zu Berlin vorgefallenen Unfugs gehabt hat. In der Erwartung daß die bei derselben schuldig befundenen Personen namentlich
1. der Rittmeister v. Werder, vom ehemaligen Regiment Rouquette,
2. ´´ Lieutenant v Wiersbitzky,
3. ´´ ehemalige Lieutenant Graf v. Herzberg,
4. ´´ gewesene Rittmeister v Werder, und
5. ´´ junge Graf von Blankensee,
das Unschickliche und Strafwürdige ihres Verhaltens einsehen werden, will Ich es dabei bewenden lassen, daß sie zur Strafe und zur Genugthuung des Publikums, auf unbestimmte Zeit und bis auf Meine nähere Entscheidung, aus Berlin verwiesen werden, welches unverzüglich zu bewerkstelligen ist. Der Major von Möllendorff scheint allerdings der eigentliche Anstifter gewesen zu seÿn; da er jedoch davon nicht hat überführt werden können, so werden Sie, der Feldmarschall Graf von Kalckreuth, ihn vor sich fordern lassen und ihn ernstlich warnen, künftig den gegen ihn bestehenden Verdacht, nicht durch irgendeine Handlung zu bestätigen, indem er sonst ausdrükliche Ahndung zu gewärtigen haben werde. Ebenso ist dem Kapitain von Klitzing vom GeneralStaabe, dem Lieutenant von Natzmer und dem Lieutenant von Neuhaus vom GardeJägerBataillon, ihre Theilnahme an diesem Unfug, ernstlich mit Warnung für die Folge, von Ihnen zu verweisen, sowie ein gleiches in Absicht auf den Calculator Reissert von der ihm vorgesezten Behörde geschehen soll. Die Bestrafung des Polizei Inspektors Holtorf wegen seines übereilten Betragens und der Beleidigungen des jungen von Thümen, genehmige Ich und befehle end-
lich

<39v>
die ausdrükliche Erneuerung der schon bestehenden Vorschrift, daß dergleichen Stöhrung durch lautes Pochen <314:> und Pfeiffen, oder auf andere Weise, im Theater durchaus nicht statt haben soll, indem Ich es dem Gouvernement und dem Polizei Präsidenten wiederholt zur Pflicht mache, dergleichen Auftritte zu hindern und auf der Stelle ernstlich zu rügen. Potsdam den 24ten Dezember 1810.
Friedrich Wilhelm.

An den Feldmarschall Grafen von Kalckreuth,
und den Staats-Canzler Freiherrn von Hardenberg.


Appendix: Kabinettsorder an August Leopold v. Möllendorff, Potsdam, 5. 12. 1803

<67r>
Abschrift.
Mein lieber General-Feldmarschall von Möllendorff! Ich habe in Erfahrung gebracht, daß vor einigen Tagen im Schauspielhause zu Berlin ein durch Lärmen und Pfeifen erzeugter großer Exzeß statt gefunden hat, welcher dem gesitteten Theile des anwesend gewesenen Publikums um so mehr zum Aerger hat gereichen müssen, als derselbe dadurch in dem ruhigem Genusse des von ihm beabsichteten Vergnügens gestört worden ist. Mir ist dieser Vorfall um desto unangenehmer, als nach der darüber eingegangenen Nachricht, vorzüglich Offiziere nicht daran allein Theil genommen haben, sondern sogar Mitanstifter desselben gewesen seÿn sollen; Ich gestehe, daß Ich, bei meinem Bestreben, die Bildung der jungen Offiziere zu vervollkommnen – worin Ihr mit so vielem Eifer Mich unterstüzt habt – ein so unsittliches Benehmen nicht mehr erwartete, vielmehr Ursach hatte, zu hoffen, daß, wenn auch kleine, von einzelnen Individuen aus Übereilung verübte Exzesse nicht zu vermeiden wären, ein solches Planmäßig entworfenes, sittenloses Betragen, wodurch der Offizier seinen Stand herabwürdigt, nicht mehr statt finden könne. Beides aber hat die Erfahrung Mich eines Anderen belehrt! Ich trage Euch demnach auf, dem Offizier-Corps der Berliner Garnison hierüber Mein Mißfallen zu erkennen zu geben, und ihm die Pflichten seines Standes an's Herz zu legen, unter
welchen

<67v>
welchen Aufrechthaltung der Ordnung, um deswillen die vorzüglichste ist, weil sein Stand ganz eigentlich dazu berufen ist, Störungen der öffentlichen Ruhe zu hindern, und weil nur eigenes sittliches Benehmen ihm die Achtung verschaffen kann, worauf der Gehorsam beruht, mit welchem Civilpersonen, bei tumultuarischen Auftritten, seinen Zurechtweisungen sich fügen sollen. Der Geist, welcher ein Corps Offiziere beleben sollte, fordert einen jeden sittlichen, ordnungsliebenden Offizier auf, dergleichen unanständige Handlungen seinen Kammeraden, durch welchen der Unschuldige mit dem Schuldigen in der öffentlichen Meinung leiden muß, zu rügen und sie auf bessere Wege zu bringen, und Ich erwarte, <315:> daß Eure ernstliche Ermahnungen dieses bewirken, und die noch mit einigem Ehrgefühl belebten Offiziere, welche an diesem Exzesse Theil genommen haben, sich des unanständigen Betragens schämen und sich nicht mehr dergleichen Ruhestörungen zu Scholden kommen lassen mögen. Hierdurch allein kann Ich abgehalten werden, zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung, ernstliche Maaßregeln zu ergreifen, und bei nochmaliger Wiederholung ähnlicher Exzesse, nach aller Strenge der Gesetze den Schuldigen zu bestrafen, welches un-

<68r>
fehlbar geschehen wird, wenn die Bekanntmachung dieser Meiner ernstlichen Willensmeinung nicht fruchten sollte.  Potsdam den 5ten December 1803.
Friedrich Wilhelm.

H: GStA-PK, Sign.: HA I, Rep. 74, J, XI, Nr. 1, Bl. 39 [Appendix. GStA-PK, Sign.: HA I, Rep. 74, J, XI, Nr. 1, Bl. 67-68]

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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