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Eduard v. Bülow (Hrsg.), Heinrich von Kleist’s Leben und Briefe. Mit einem Anhange (Berlin: Besser 1848), V-XIV, 1-81, 274f.; darin: V-VIII

Vorwort: Quellen und Charakteristik

Vorwort.

Es waren von Heinrich von Kleists Leben bisher nur die Bruchstücke bekannt geworden, welche uns Ludwig Tieck in der Einleitung zu Kleists Schriften gegeben hat. Kleists Charakter ist jedoch all zu merkwürdig, als daß dieselben hätten für sein Studium genügen können.
Meine Liebe und Theilnahme für Kleist, als Mensch und Dichter, hatten mir auch schon lange das Bedürfniß an das Herz gelegt, nach den genaueren Umständen seines unglücklichen Lebens zu forschen. Ich war, nach und nach, so glücklich, von mehreren Seiten her dasjenige mitgetheilt zu erhalten, was ich hiermit dem <VI:> Publikum vorlege, nachdem es die Monatsblätter der Augsburger Allgemeinen Zeitung schon gegen Ende des Jahres 1846 im Auszuge abgedruckt hatten. Daß meine Nachrichten nicht noch vollständiger geworden sind, verschuldet leider! die Unerbittlichkeit, mit welcher sich die natürlichste und wichtigste Quelle, jeder Mittheilung an Fremde enthält.
Die Hauptquellen meiner Nachrichten waren zunächst der General-Lieutnant Rühle von Lilienstern und dessen Gemahlin, – Beide im vergangenen Jahre vom Tode ereilt, – welche mit dem Herrn von Pfuel, commandirendem Generale in Westphalen, zu Kleists vertrautesten Freunden gehört hatten. Dann die beiden verehrungswürdigen Frauen, deren die Briefe vorzugsweise gedenken und endlich, in Betreff der näheren Umstände vom Tode Kleists, Henriettens Familie.
Die Quellen Anderer Mittheilungen habe ich an Ort und Stelle selbst genannt; der Brief 1 wurde schon vor Jahren, aus einer sächsischen Stadt, Ludwig Tieck zugesandt.
Als ich diesem, meinem verehrten Freunde, meine <VII:> Arbeit vorlas, hatte ich die Freude, ihn erklären zu hören, daß er daraus zum erstenmal eine klare und vollständige Anschauung von Kleists Leben und Seelenzuständen erhalte.
Ich darf mir also vielleicht schmeicheln, den Zweck meiner Arbeit nicht ganz und gar verfehlt zu haben und will nur noch wegen der vorliegenden Briefe bemerken, daß ich keineswegs den ganzen mir zu Handen gekommenen Stoff, sondern blos das mir als wichtig Erscheinende mittheile, weil das jetzt Mode gewordene Verfahren, von ausgezeichneten Männern jeden unbedeutenden Zettel drucken zu lassen, meinem eigenen Wesen allzu fremd ist.
Wer steht gegenwärtig noch an, Kleist einen der edelsten und patriotischesten deutschen Dichter zu nennen!
Und dennoch sollte der Bedauernswerthe selbst, trotz dem nicht die geringste öffentliche Anerkennung erleben, daß die größten Geister der Nation, Göthe, Schiller, Tieck sein Talent hochschätzten und Wieland ihm gegenüber sogar erklärte, er werde, als dramatischer Dichter vollständig entwickelt, Göthe und Schiller hinter sich <VIII:> lassend, in ganz Deutschland nicht seines Gleichen haben.
Das Schicksal hat Kleist diese vollständige Entwicklung nicht gegönnt und er mußte frühzeitig enden.
Kleists Talent kämpfte gegen die Krankhaftigkeit seiner Natur und die poetische Unzeit, in welche sein Wirken fiel, und war vom Schicksale nicht dazu bestimmt, Beiden zum Trotz aushaltend, seinen Charakter zu stählen.


Brief 1] An Christian Ernst Martini, Potsdam, 18./19. 3. 1799

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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