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Friedrich de la Motte Fouqué, Lebensgeschichte, aufgezeichnet durch ihn selbst (Halle: Schwetschke 1840), 292f.

Kleists Brief an Fouqué vom 15. 8. 1811


Um diese Zeit geschah es, daß Fouqué, bei einer Zusammenkunft mit Berliner literarischen Freunden zwischen Berlin und Potsdam, durch Ludwig Robert einen Brief Heinrichs von Kleist empfing, im Wesentlichen dieses Inhaltes:
„Wir beide sind nun wohl als Dichter mündig geworden, und der Schule ledig. Es wäre drum an der Zeit, daß wir einander auch in dieser Hinsicht die Hände böten zum heitern Bund’ und Verkehr.“ Mit hoher Freude ging Fouqué darauf <293:> ein, noch eigenthümlich ergriffen durch die Andeutung, es werde sich bei einem verheißenen Besuche Kleist’s in Nennhausen eine ganz wunderbar, bis jetzt noch völlig verschwiegne „prästabilirte Harmonie“ zwischen Beiden offenbaren.
Was damit gemeint war? – Lange blieb Fouqué in völliger Ungewißheit darüber. Erst viel später vernahm er, daß Heinrich Kleist in seiner tiefen Schwermuth, zunächst jetzt über den drohenden Untergang Deutschlands, überhaupt jedoch seinem Wesen eigen, schon vorlängst mit Selbstmordgedanken umgegangen war. Einem Geiste, wie dem seinigen, konnte die Halbschied des Daseins nicht genügen, wie wir sie hienieden wahrnehmen, und die Glaubenssonne, welche uns dessen andre Hälfte aus dem Weltmeer spiegelt, war ihm nicht aufgegangen. So hatte ihn denn eine unbegränzte Sehnsucht ergriffen, hinter den Vorhang zu schauen ins Allerheiligste, zugleich aber auch der trübe Wahn, es genüge am Sterben um dahinein zu treten. Er hatte schon zweimal den Antrag befreundeten Menschen ausgesprochen, ihn auf dem ernsten Entdeckungsgange zu begleiten, und sich durch ihr Zurückweisen nicht nur verletzt gefühlt, sondern sogar entfremdet. Mogte ihm nun eine Ahnung aufgestiegen sein von den Schwindelgängen, welche Fouqué, wie schon angedeutet, früherhin an solchen Abstürzen bestanden hatte? Bestimmtes darüber konnte ihm denkbarlicherweise nicht kund geworden sein. Auch enthielten Fouqué’s Dichterwerke wohl keine sichtbare Spur davon. Oder war es, was die Gelehrten Idiosynkrasie zu benennen pflegen? Jenes wundersame Gefühl, welches uns gleichsam magische Blicke bisweilen in die Seele des Andern zu thun vergönnt? – Wir kennen solche geheinmnißreiche Anziehungen. – Doch laßt mich hier mit Wieland sprechen:
„Verstummend bleib’ ich stehn an dieses Abgrunds Rand.“
An derselben Stätte empfing Fouqué jenen Gruß von Heinrich Kleist, wo wenige Monde nachher der irre geleitete Dichter die Geliebte und sich in die Ewigkeit hinüber riß am seeigen Uferstrand unter düstrem Fichtenschatten. Friede sei mit ihm! –

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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