| Karl Wilhelm Ferdinand
        v. Funck, Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien,
        in: Die Horen 9 (1797), 1. Stück, 1-58; 2. Stück, 1-33;
        3. Stück, 1-14; darin: 1. Stück, 48-55
 Die Fahrt durch das Ionische Meer wurde glücklich zurückgelegt,
        und ein Jubelgeschrey der Normannen verkündigte der Stadt ihr Schicksal, als Rogers
        Wimpel das Lager des Herzogs begrüßten. Nach einer kurzen Unterredung kehrte der
        jüngere Bruder auf sein Element zurück, und bewachte den Hafen der Stadt, indeß der
        Ältere immer näher und heftiger ihren Mauern zusetzte. Aber jetzt lief durch Eilbothen
        die Nachricht ein, daß man auf der Höhe von Otranto die griechischen Seegel erblickt
        habe, und eines ihrer leichtesten Fahrzeuge täuschte die Wachsamkeit Rogers, um mit dem
        Statthalter von Bari die nöthigen Zeichen zu verabreden. Der Normann Goscelin, der
        nach der lezten Empörung sich an den Hof des Kaisers Romanus Diogenes gerettet hatte, war
        der Anführer der feindlichen Schiffe. Durch einen Ausfall der Belagerten zu Wasser und zu
        Lande unterstützt, wollte er bey Nacht die Flotte der Normannen überfallen, die
        Gemeinschaft der Stadt mit dem Meere wieder eröfnen, und eine ansehnliche Verstärkung
        und Lebensmittel, woran es ihr am meisten gebrach, in ihren Mauern zurücklassen, aber
        widrige Winde hielten ihn auf, und der Statthalter gab seine Signale zu früh. Drey
        Nächte hinter einander bemerkte Roger eine Menge brennender Fackeln auf
        allen <49:> Thürmen von Bari, und errieth leicht, daß dieses ein verabredetes
        Zeichen seyn müsse. Er war auf seiner Huth, und da er in der vierten Nacht sichre
        Kundschaft eingezogen hatte, gieng er mit allen seinen Schiffen, die gleich den Thürmen
        der Stadt erleuchtet waren, in die See. Bald verrieht ihm der ferne Schimmer die
        Annäherung der griechischen Masten, er fuhr mit äuserster Stille auf sie zu, und sie
        ließen ihn, durch das Zeichen an seinen Schiffen getäuscht, ungehindert heran nahen.
        Sobald er die Galeere des Admirals, die an der größern Anzahl ihrer Lichter kenntlich
        war, erreicht hatte, grif er sie plötzlich an, ohne ihr Zeit zu irgend einer Bewegung zu
        lassen. Eben so unerwartet hiengen sich seine übrigen Schiffe an die nächsten der
        feindlichen, die in sorgloser Sicherheit einhersegelten. Die Eroberung des AdmiralSchiffes
        entschied den Sieg. Der Rest der Flotte rettete sich nach der epirotischen Küste, und die
        erste Seeschlacht der Normannen wurde mit dem glänzendsten Erfolge gekrönt.
 
  Goscelin,
        der in die Hände der Überwinder gefallen war, blieb bis an seinen Tod im Gefängniß.
        Die Freude des Herzogs war so groß, als die Bestürzung der belagerten Stadt, die nun
        keine Hülfe mehr erwarten durfte. Eine bisher unterdrückte Parthey, welche für die
        Übergabe gestimmt hatte, wurde bald die stärkste, und Robert, einer mehr als
        dreyjährigen Belagerung überdrüßig, gewährte den Bürgern sehr günstige Bedingungen.
        Die griechische Besatzung erhielt nebst ihrem Befehlshaber freien Abzug, und gegen einen
        mäßigen Tribut, und die Ver- <50:> pflichtung zu Lande und zur See
        Kriegsdienste zu leisten, blieb die Stadt im Besitz der Freiheiten, welche sie unter dem
        Scepter des Kaisers genossen hatte. 
  Robert
        theilte nun mit keiner auswärtigen Macht mehr die Herrschaft über Apulien, der
        Schlüssel zur Wiedereroberung der italiänischen Provinzen war den Griechen entrissen,
        und der einzige Ort, der den unzufriednen Baronen Unterstützung oder eine Freistatt gab,
        in den Händen des Herzogs. Aber den größten Vortheil, den er aus seiner Eroberung zog,
        gewährte ihm die Flotte, nach welcher er so lange gestrebt hatte. Sie wurde sogleich
        wieder in den besten Stand gesetzt, und noch vor dem Ende des Jahrs 1071 führte er sie
        nach Sicilien. Roger, welcher dahin vorausgegangen war, vereinigte sich mit ihm bey
        Catanea; ein ausgesprengtes Gerücht, daß er eine Unternehmung gegen Malta vorhabe,
        machte die Sicilianer sicher, und ohne den geringsten Widerstand zu finden, schloß er
        plötzlich Palermo zu Wasser und zu Lande ein. 
  Die
        Belagerung dauerte fünf Monathe, und alles nahm einen weit rascheren Gang als vor Bari.
        Die Saracenen, kühner als die Griechen, wagten es, ihren Feinden im freien Felde entgegen
        zu gehn, und ihre häufigen Ausfälle kosteten den Normannen viel Blut. Die Belagerten
        waren zu stolz, ihre Thore zu schließen, und täglich kamen einzelne Kämpfer und
        foderten die Tapfersten von ihren Gegnern heraus. Die junge normännische Ritterschaft
        hatte dabey Gelegenheit, ihren Muth im Angesicht beyder Heere zu zeigen, keiner aber
        zeichnete sich <51:> mehr aus, als einer der Neffen des Herzogs. Er hatte unter
        dem offnen Stadtthor einen jungen arabischen Emir im Zweikampf erlegt, und als er mit dem
        Schild des Getödteten zurückkehren wollte, waren die Bürger unredlich genug, ihm den
        Rückweg zu den Seinigen zu versperren. Ohne seine Beute fahren zu lassen, sprengte er mit
        verhängtem Zügel quer durch die Stadt, und entkam, ehe man ihn aufhalten konnte, aus dem
        entgegengesetzten Thore. Eine Flotte aus Tunis kam den Belagerten zu Hülfe, aber Robert
        belebte den Muth der Seinigen durch die Verheißung übermenschlicher Hülfe in einem
        heiligen Kriege gegen die Feinde des Glaubens. Er ließ Messe lesen, und nahm mit seinem
        ganzen Heere feyerlich das Abendmahl, ehe er die Flotte bestieg. Dann segelte er mit
        achtundfünfzig Schiffen dreist der überlegnen Seemacht entgegen, und schlug sie. Die
        Flotte von Palermo, welche sich mit den Afrikanern vereinigt hatte, floh in den Hafen
        zurück, die Normannen verfolgten sie, sprengten die vorgezogene Kette, und verbrannten
        mehrere Schiffe im Angesicht der Stadt. 
  Dennoch
        verlohren die Bürger den Muth nicht. Sie wagten einen allgemeinen Ausfall, zerstörten
        die Maschinen der Belagerer, und trieben ihr ganzes Fußvolk in die Flucht. Zu ihrem
        Unglück entfernten sie sich zu weit beym Nachsetzen, und Robert, der an der Spitze seiner
        Reiterey herbey geeilt war, schlug sie mit großem Verlust in die Stadt zurück. Er
        versuchte es, selbst mit den Fliehenden hinein zu dringen, und die Belagerten sahen sich
        ge- <52:> zwungen, ihre Thore zu schließen. Eine Menge von Sarazenen, die noch
        draussen waren, wurden niedergehauen, und die Besatzung dadurch beträchtlich geschwächt.
        Robert versammlete nun seine Truppen, und hielt auf dem Wahlplatz eine Rede, worin er Lob
        und Tadel mit gleicher Gerechtigkeit austheilte. Das kriegerische Feuer seiner Worte
        machte einen so heftigen Eindruck auf das Heer, daß Alle, Griechen, Longobarden und
        Normannen, mit lautem Geschrey den Sturm foderten. Ihr Wunsch wurde gewährt; am folgenden
        Tage that Roger am Ufer des Meeres den ersten Angriff. Sobald der Herzog wahrnahm, daß
        der größte Theil der Besatzung sich dorthin gezogen hatte, stürmte er das
        entgegengesetzte Thor, erstieg die Mauer, und machte sich zum Meister der Neustadt. Die
        Sarazenen hielten sich nur noch vier und zwanzig Stunden in der Altstadt;
        Gewissensfreiheit und die Erlaubnis nach ihren Gesetzen zu leben, wurden ihnen bey der
        Capitulation zugestanden, und Robert weihete nun die Moschäen zu christlichen Kirchen,
        setzte einen Erzbischof ein, und erbauete ein Castel, in welches er Besatzung legte. Ein
        billiger Vergleich bestimmte die Grenzen des Gebieths beyder Brüder, auf immer. Roger
        nahm ganz Sicilien, in dessen Innern die Sarazenen noch Meister verschiedner fester Orte
        waren, von dem Herzog zu Lehn, und dieser behielt sich blos den gemeinschaftlichen
        Mitbesitz von Messina und Palermo vor. Die eisernen Thore der letzteren Stadt, und einige
        aus dem Alterthum gerettete Marmorsäulen nahm er als Siegeszeichen mit nach den festen
        Lande, um seinen Pallast zu Melfi dadurch zu verschönern. <53:> 
  Überhaupt
        fieng er jezt an, in den Zwischenzeiten des Friedens den Glanz eines mächtigen Fürsten
        zu zeigen, so wenig er sich im Kriege weigerte, nicht nur die Gefahren, sondern auch die
        Beschwerden und Unbequemlichkeiten des Geringsten unter seinen Reutern zu theilen. Sein
        Hofstaat zu Melfi wurde bald sehr zahlreich, alle Grossen Apuliens eilten dahin, ihrem
        Lehnsherrn zu der Eroberung zweier mächtiger Hauptstädte Glück zu wünschen, und sein
        Ansehn schien zu einer Höhe gestiegen zu seyn, wo es keinen Wechsel des Glücks mehr
        befürchten durfte. Die grösten Fürsten buhlten um seine Freundschaft, und selbst der
        Stolz der byzantinischen Monarchen glaubte durch eine nähere Verbindung mit ihm sich
        nicht herabzusetzen. Eine Gesandschaft des Kaisers Michael warb um Roberts Tochter
        für den im Purpur gebohrnen Caesar, Constantin Dukas. Die Prinzessin wurde mit
        allen pomphaften, bey solchen Gelegenheiten üblichen Gebräuchen des Kaiserhofes
        abgeholt, und bekam bey ihrer Ankunft in Constantinopel den Namen Helena. 
  Aversa,
        die älteste Pflanzstadt der Normannen in Italien, hatte sich nie zu der Macht erheben
        können, welche der jüngere Staat in Apulien unter den Söhnen Tancreds erreichte. Die
        Unterwerfung von Capua, woraus die Longobardischen Fürsten endlich ganz verdrängt
        wurden, war die einzige Eroberung, welche Richards lange Regierung auszeichnete. Den
        Fortschritten Roberts setzte selbst das Meer keine Schranken, der Graf von Aversa war
        durch seine Lage an der Gränze des päbstlichen und <54:> kaiserlichen
        Gebiethes gehemmt. Er vereinigte sich jetzt mit dem Herzog in einem Kriege gegen Gisulph,
        den Fürsten von Salerno, der im stolzen Vertrauen auf die Freundschaft des römischen
        Hofes, mit gleicher Unbesonnenheit den Unwillen seiner Unterthanen und die Eroberungssucht
        seiner Nachbarn gereizt hatte. Aus Achtung gegen den Pabst nahmen die beiden Fürsten der
        Normannen die Vermittelung des Abts Desiderius von Monte Casino an, aber Gisulph, durch
        den Rath Abälards, der sich mit ihm in die Stadt geworfen hatte, aufgehezt, verwarf mit
        trotzigem Ungestüm jede Bedingung. 
  Gregor
        VII war nur furchtbar in weiter Entfernung. Europa beugte die Knie vor ihm, aber ohne
        Macht in Rom selbst, und von den unruhigen Baronen seiner Hauptstadt gedrängt, sah er
        sich ausser Stande, seinen Freund zu retten. Salerno ergab sich dem Herzog, und Gisulph,
        des Erbtheils seiner Väter beraubt, beschloß als ein Kostgänger des Pabstes sein Leben.
        Robert war während der Belagerung durch einen aus der Stadt geschleuderten Stein auf der
        Brust verwundet worden. Aber sobald er sich nur aufrecht erhalten konnte, erschien er
        wieder an der Spitze seiner Krieger, und unterwarf sich, ohne die Belagerung von Salerno
        zu unterbrechen, den durch seine Schiffahrt nach allen Küsten des Mittelmeers und durch
        seinen ausgebreiteten Handel berühmten Freistaat von Amalfi. 
  Ungeachtet
        der freundschaftlichen Verbindung, welche Robert unter dem Pontificat Nicolaus des Zweiten
        mit dem römischen Stuhl errichtet, und des erneuerten Lehns- <55:> Eides,
        welchen er Alexandern dem Zweiten geleistet hatte, war doch durch manche Ursachen das gute
        Vernehmen gestöhrt worden. Man bezeugte sich äuserlich noch die gröste Achtung, man
        ließ es an keinen Freundschaftsversicherungen fehlen, aber das Zutrauen war verschwunden,
        und jeder Theil schien zu fühlen, daß der andere sich für beleidigt halten könnte. Der
        Sturz eines Fürsten, den Gregor begünstigte, mußte diesen nothwendig kränken, und
        Robert, dessen Staatskunst die wirklichen Beleidigungen mit seinen öffentlichen
        Ehrfurchtsversicherungen gegen den römischen Stuhl in ein künstliches Gleichgewicht zu
        setzen wußte, suchte jetzt durch wiederholte Bothschaften sich dem heiligen Vater wieder
        zu nähern; zufrieden, wenn auch die Klugheit Gregors seine Absichten durchschaute, doch
        das Urtheil des Volkes dadurch für sich zu gewinnen. 
 
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