BKA-Brandenburger Kleist-Ausgabe Start Übersicht Suchen Kontakt Andere interessante Websites Institut für Textkritik e. V.

[ APPENDIX: MATERIALIEN ]

[ ]

 

Karl Wilhelm Ferdinand v. Funck, Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien, in: Die Horen 9 (1797), 1. Stück, 1-58; 2. Stück, 1-33; 3. Stück, 1-14; darin: 2. Stück, 20-26

Ihre ersten Fortschritte waren eine Kette von Eroberungen; Aulon öfnete dem Sieger die Thore, die ganze Seeküste erkannte seine Gesetze, nur Durazzo allein schien seinem raschen Gange ein Hinderniß entgegensetzen zu wollen. Alexius, der diesen Ort mit Recht als den Schlüssel seiner westlichen Provinzen betrachtete, hatte das Einzige, was ihm in der Verwirrung seiner Angelegenheiten möglich war, gethan, indem er einen erfahrnen Feldherrn, Georg Palaeolog, als Befehlshaber dahin abschickte. Die ihm anvertraute Stadt einem verdächtigen Kommandanten zu entreißen, ohne Geld und ohne Truppen den Angriffen der Feinde zu widerstehn, war der schwere Auftrag, den Georg glücklich ausführte. Die Mauern wurden in der Geschwindigkeit ausgebessert, die Bürger übernahmen selbst die Vertheidigung, und in einer hartnäkigen Gegenwehr bewiesen sie, daß der Muth der alten Epiroten auf ihre späten Nachkommen fortgeerbt war. <21:>
Robert eilte, sie einzuschließen. Der Marsch in einem durchschnittnen Lande würde das Gepäck und die schweren Maschinen zu lange aufgehalten haben, die See war ruhig, und bey dem heitersten Wetter seegelte die Flotte an der Küste hin. Schon hatte sie die Hälfte der Fahrt zurückgelegt, als plötzlich ein in dieser Jahrszeit ungewöhnlicher Sturm sich erhob. In einem Augenblick waren die Schiffe zerstreut. Eine Menge der belasteten Fahrzeuge versank im ofnen Meere, die glücklichern scheiterten am Gestade. Mit Mühe entgieng die Galeere des Herzogs dem Schiffbruch. Der Wuth des tobenden Wetters ausgesetzt, stand er auf einem Vorgebirge, und sah mit bitterm Schmerz den Verwüstungen des Orkanes zu. Die Trümmern der ungeheuern Zurüstung schwammen auf dem Meere, die schäumenden Wellen spielten mit Leichnamen und Menschen und Pferden, und mit der Arbeit mehrerer Jahre. Alle seine Maschinen waren vernichtet, seine Vorräthe versunken oder unbrauchbar geworden, und ein großer Theil der Mannschaft hatte den Tod in dem furchtbaren Elemente gefunden.
Sieben Tage brachte er zu, die Überbleibsel aus dem Schiffbruch und die Geretteten zu sammlen. Den Muth der Niedergeschlagnen wieder zu beleben, war seine erste Sorge; seinen Verlust zu ersetzen, mußte Bohemund nach Italien übergehn. Neue Fahrzeuge wurden in den apulischen Häfen erbauet, und die beschädigten ausgebessert. Die verschlagnen Galeeren kehrten in den Hafen von Aulon zurück, und wurden durch später angekommne aus Dal- <22:> matien und Sicilien verstärkt; frische Truppen stießen zu dem Heere, das jetzt sich tiefer ins Land zog, um den schädlichen Ausdünstungen der Leichen am Ufer zu entgehn.
Es rückte nun ohne Verzug vor Durazzo, und Robert ließ die Bürger auffodern sich ihrem rechtmäßigen Monarchen zu unterwerfen. Unter Pauken und TrompetenSchall und von singenden Chören umgeben, zeigte sich der Mönch an den Mauern, aber der Spott der Einwohner trieb ihn zurück. Besser glückte der Betrug bey dem geängsteten Landvolk, das unbekümmert, ob Michael der wahre Kaiser sey, oder nicht, begierig sich seinem Schutz unterwarf. Georg Palaeolog sandte Eilbothen an den Kaiser, den Entsatz zu beschleunigen, und ihn zu überzeugen, daß die Absicht der Feinde nicht blos auf einen räuberischen Streifzug, sondern auf die wirkliche Eroberung des Landes gerichtet sey. Alexius war von Allem entblößt; ohne Geld und ohne Truppen mußte er in seiner Entschlossenheit, und in einer klugen Anwendung der ungebrauchten Kräfte des Staats die Mittel zur Rettung suchen. Ehe er noch die Krone auf seinem Haupt befestigt hatte, wagte er es, die Schätze der Kirchen zur Besoldung des Heeres anzuwenden, das sein thätiger Geist beinahe aus dem Nichts hervorrief. Mit den Venetianern unterhandelte er um Schiffe, mit den Türken um Hülfsvölker. Die ersteren ließen sich lange erwarten, aber Eifersucht auf die neue Seemacht der Normannen, und reiche Geschenke des Kaisers, überzeugten die Republik von der Nothwendigkeit <23:> ihrem entfernten Schutzherrn beyzustehn, und in kurzer Zeit erschien ihre Flotte an der epirotischen Küste.
Bohemund seegelte ihr kühn entgegen, und der Erfolg des ersten Tages hob den sinkenden Muth seiner Normannen, die in den glücklichen Wohnsitzen Apuliens ihr altes Handwerk der Freibeuterey lange vergessen hatten. Aber die Beherrscher des adriatischen Meeres ließen sich durch einen kleinen Verlust nicht niederschlagen. Sie lagen die Nacht in Schlachtordnung vor Anker, und erneuerten am folgenden Tage den Angrif. Ihre vorspringenden Flügel droheten die Flotte Bohemunds zu umzingeln, die höhere Bauart ihrer Schiffe, war dem Wurf des Geschützes günstig, und von ihren hervorragenden Castelen prallten die Spieße der Gegner ohne Wirkung ab. Schwere, von der Höhe herabgeworfene Klötze, zertrümmerten Bohemunds Schiffe, seine Galeere borst mitten entzwey, und er stürzte von einem dichten Pfeilhagel überschüttet ins Meer. Schwimmend rettete er sich auf ein andres Schiff, den Kampf zu erneuern, aber seine erschroknen Bundsgenossen ruderten dem Ufer zu, viele ihrer Galeeren wurden eine Beute der Sieger, und Robert, der zu gleicher Zeit einen Ausfall der Besatzung zu bekämpfen hatte, mußte einen Theil seiner Landmacht an das Gestade vorrücken lassen, um mit dem Geschütz die andringenden Venetianer zurückzutreiben. Eine dicke Rauchwolke, die plötzlich in seinem Rücken aufstieg, verkündigte ihm neues Unglück. Paläolog hatte seine Abwesenheit benutzt, um das Lager anzugreifen, das zurückgebliebne Fußvolk nahm die Flucht, <24:> und nur mit der größten Anstrengung konnte ein Theil des Gepäcks und der noch unvollendeten Maschinen gerettet werden.
Schlag auf Schlag folgte jetzt ein Unfall dem andern. Mit der Herrschaft des Meers kehrten auch die eroberten Inseln unter den Gehorsam des Kaisers zurück, die Venetianischen Schiffe bewachten die Küsten, und weder Verstärkung an Mannschaft noch Lebensmitteln konnten aus Italien herüber gebracht werden. Mit beiden wurde die belagerte Stadt reichlich versehen, und Paläolog wagte es jetzt mit glücklichem Erfolg, den Belagerern auch die Zufuhre auf dem festen Lande abzuschneiden. Hunger wüthete in Roberts Lager, eine tödliche Seuche war die unmittelbare Folge davon, und in der kurzen Zeit von drey Monathen wurden fünfhundert Ritter und über zehntausend Gemeine von dem fürchterlichen Übel hingeraft.
Bey allen diesen Widerwärtigkeiten blieb Robert allein unerschüttert, das allgemeine Elend kränkte ihn, ohne ihn zu beugen. Er gieng in den Gezelten umher, tröstete die Leidenden, suchte den Muth der Gesunden wieder aufzurichten, und theilte seinen sparsamen Vorrath mit den Kranken. Die Arbeiten der Belagerung wurden mit unermüdetem Eifer fortgesetzt. Den Winter über verschanzte sich der Rest des vor kurzem so furchtbaren Heeres in der Entfernung eines Pfeilschußes von der Stadt, und neue Maschinen giengen unter den Händen der fleißigen Werkleute hervor. Ein ungeheurer Thurm, groß genug, um fünfhundert Krieger zu fassen, stand endlich auf Walzen <25:> im Gleichgewicht. Langsam wurde er gegen die Mauer hingeschoben, und eine ausgesuchte Schaar erwartete das Zeichen, aus der Fallthür hervorzubrechen. Aber in jeder Art der Kunstfertigkeit, waren die Griechen den Normannen überlegen; Paläolog hatte den Bau des Thurms von ferne betrachtet, ein schweres, mit Eisen beschlagnes Balkenstück lag auf seiner größten Steinschleuder bereit. In dem Augenblick, wo die Fallthür niedersank, schmetterte der abgeschoßne Balken sie in Trümmern, und ehe noch der Schaden verbessert werden konnte, loderte das hölzerne Gebäude, mit künstlichem Feuer überschüttet, in die Höhe.
Ein letzter Versuch, sich die Herrschaft des Meeres oder wenigstens freye Gemeinschaft mit Italien wieder zu erkämpfen, fiel eben so unglücklich aus. Die Venetianer vernichteten Roberts Flotte; keine Mannschaft, keine Lebensmittel, nicht einmahl Nachricht konnte aus der Heimath herüberkommen, Hunger und Krankheit wütheten unter den Belagerern fort, und das Gerücht von der Annäherung des Kaisers, an der Spitze eines unzählbaren Heeres, schlug den Muth der durch so manchen Unfall geschwächten Normannen völlig nieder.
Schon die Namen der Völker, welche unter Alexius Fahnen sich versammelt hatten, verbreiteten Schrecken und Verzweiflung. Es waren nicht blos weichliche Griechen, sondern die tapfersten Völker des Nordens, die in der Mitte dieses durch den Ruf unendlich vergrößerten Heeres fochten. Die Leibwachen der Varangier und Scandinavier, <26:> der fabelhaften Nationen der baltischen Küste, deren Andenken sich in den Sagen und Volksliedern der Normannen erhalten hatte, machten den Kern der kaiserlichen Kriegsmacht aus. Dänen und Britten, von dem Schwerdte der nordischen Eroberer aus ihren entfernten Wohnsizen vertrieben, erschienen hier, an den Brüdern ihrer Überwinder die Schmach des Vaterlands zu rächen; gleiches Unrecht und neuere Beleidigungen hatten mit ihnen die Ausgewanderten aus Roberts Staaten verbunden. Die rauhen Bewohner Bulgariens waren durch ihre fanatische Tapferkeit, und eine hartnäkige Geduld in den härtesten Beschwerden berühmt, und die, durch ihre Pfeile den gedrängten Haufen so furchtbare türkische Reuterey, schwärmte auf allen Seiten um die Armee des Kaisers. Mehr durch persönlichen Muth, und die Pracht ihres Aufzuges, als durch kriegerische Talente zeichnete sich die Jugend des Hofes aus, und die Veteranen, die in Asien gegen die Türken gefochten hatten, vergrößerten die fürchterliche Macht, welche in steter Schlachtordnung durch die Ebnen Macedoniens heraufzog.


[ MATERIALIEN ]

[ ]

Copyright © 2000 by Institut für Textkritik e. V., Heidelberg
Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
[ Webdesign: RR 2000 ]