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[ APPENDIX: MATERIALIEN ]

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Karl Wilhelm Ferdinand v. Funck, Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien, in: Die Horen 9 (1797), 1. Stück, 1-58; 2. Stück, 1-33; 3. Stück, 1-14
I.
Robert Guiscard
Herzog von Apulien und Calabrien.

In den stürmischen Perioden der Anarchie und der Gährung, welche nach der Wiederherstellung des Abendländischen Throns auf den Verfall der ersten herrschenden Kaiserfamilien folgten, konnte es einem kühnen Abentheurer nicht an Gelegenheit fehlen, sich durch glänzende Thaten in der Geschichte zu verewigen. Aus den Trümmern der Carolingischen Monarchie waren zwar nach und nach mehrere neue Reiche hervorgegangen, aber noch hatte keins derselben eine feste Verfassung, und so lange noch keine bestimmte bürgerliche Ordnung die Plätze im Staate vertheilte, blieb es jedem Einzelnen überlassen, sich den seinigen nach dem Maaß seiner Fähigkeiten oder seiner Begierden zu suchen. Unruhige Köpfe und grosse Genien begegneten einander auf derselben Laufbahn, und bey einem unternehmenden Geiste fand selbst der Privatmann <2:> nicht selten Mittel, sich zu dem Range mächtiger Fürsten empor zu heben. Aber der Schritt blieb immer ein Riesenschritt, und selbst die Möglichkeit, den Preis zu erringen, erschwerte den Sieg, weil jedes Beyspiel eines glücklichen Erfolgs die Menge der Kämpfer vermehrte. Es gehörten schon mehr als gemeine Kräfte dazu, um unter den Zeitgenossen hervor zu ragen, und Tapferkeit mußte sich mit einem gleich hohen Grade von Klugheit in dem Manne paaren, der seine Mitstreiter beherrschen wollte.
Gern verweilt man bey den Denkmalen persönlicher Grösse, welche die Jahrbücher jener Zeiten uns aufbewahrt haben, gern verfolgt man die eigne Bahn, welche der kühne Muth sich brach, sieht ihn im Kampf mit gehäuften Schwierigkeiten seine Anstrengungen verdoppeln, vom Schicksal niedergeworfen mit verjüngter Kraft sich wieder erheben und keinem andern Gesetz, als der Nothwendigkeit, weichen. Noch anziehender aber wird diese Betrachtung, wenn das Werk des grossen Mannes nicht blos eine vorübergehende Erscheinung war, wenn er nicht nur für die kurze Periode seines Lebens, sondern auch für die Nachwelt gebauet hat. Selten findet man beides; oft überlebte das stolzaufgethürmte Gebäude kaum das folgende Menschenalter, und was das Schwerdt verbunden hatte, wurde auch eben so schnell durch das Schwerdt wieder getrennt. Nur der Staat der Normannen im untern Italien hängt trotz den Revolutionen von sieben Jahrhunderten noch mit dem heutigen Zustande Europens zusammen, und die Provinzen der Longobarden, Saracenen <3:> und Griechen, welche Robert Guiscard unter seinem Szepter vereinigte, machen noch jetzt das Königreich Neapel aus.
Roberts Vorfahren hatten unter der Anführung Rollo’s ihr beeistes Vaterland in dem äusersten Norden verlassen, und die französische Provinz erobern helfen, welche bis in die spätesten Zeiten den Namen der Normannen geführt hat. Hier, in dem District von Contances, lebte Tancred von Hauteville, ein Edler aus der Klasse der Bannerherren, auf seinen Gütern, von welchen er auf den Ruf seines Lehnsherrn zehn Reisige zu stellen verpflichtet war. Dies geringe Erbtheil konnte den Ehrgeiz seiner zwölf Söhne, die er mit zwey Gemahlinnen erzeugt hatte, nicht befriedigen; von ihrem Schwerdt erwarteten sie Ruhm und Glück. Nur zwey von ihnen blieben halb gezwungen zurück, die väterlichen Güter anzubauen, die zehn übrigen zogen, so wie sie das Jünglingsalter erreicht hatten, auf Abentheuer aus.
Das untere Italien war damals der Schauplatz, wo sich die Tapferkeit der normännischen Jugend übte. Seit Jahrhunderten stritten die mächtigsten Nationen der Erde um den Besitz dieses Landes, aber keiner von ihnen war es gelungen, ausschliessend ihre Herrschaft daselbst zu gründen. Die Fürstenthümer von Salerno, Capua und Benevent hatten das Andenken der longobardischen Namens aufbewahrt, und an der Seeküste lebte unter dem griechischen Szepter der schwache Überrest des Exarchats fort, welcher den Städten Neapel und Amalfi das Vor- <4:> recht eigner Gesetze und einer republikanischen Verfassung ließ. Die deutschen Kaiser konnten nur an der Spitze eines Heers in diesen entlegnen Gegenden ihre Rechte geltend machen, in ihrer Abwesenheit behaupteten die Fürsten der Longobarden ihre Unabhängigkeit, und der byzantinische Statthalter oder Katapan zu Bari maßte sich die Herrschaft über ganz Apulien und Calabrien an. Durch die vereinten Kräfte beider christlichen Kaiser waren zwar die Saracenen von dem festen Lande vertrieben worden, aber sie blieben Meister von Sicilien und vermehrten noch durch wiederholte verheerende Streifzüge das Elend eines durch die Uneinigkeit seiner verschiednen Beherrscher fürchterlich gedrückten Volkes.
Im Jahre 1016 hatten die ersten Normannen diese Gegenden betreten. Andacht oder Zufall führte sie auf dem Rückwege von Jerusalem nach Salerno, sie leisteten dieser Stadt, welche von den Saracenen belagert wurde, wichtige Dienste, mehrere Abentheurer aus ihrem Vaterlande gesellten sich zu ihnen, und die unaufhörlichen Kriege der Longobarden, Griechen und Mahomedaner, an denen sie Antheil nahmen, gaben ihnen Beschäftigung und Unterhalt. Die Stadt Aversa war ihre erste Niederlassung in Italien, und nach sieben und zwanzig Jahren errichteten sie einen eignen Staat in dem innländischen Apulien, welches sie dem Szepter der constantinopolitanischen Kaiser entrissen. Zwölf Anführer, die den Grafentitel annahmen, theilten die eroberten Städte unter sich, und Wilhelm mit dem eisernen Arm, der älteste der Söhne <5:> Tancreds von Hauteville, genoß der Ehre, durch die einmüthige Stimme der Nation zum Oberhaupt der Krieger und zum Vorsteher ihrer Versammlungen zu Melfi erwählt zu werden.
Er lebte nicht mehr, und sein Bruder Drogo war ihm in der höchsten Würde gefolgt, als Robert, der sechste Sohn Tancreds, in einem Alter von zwey und zwanzig Jahren das väterliche Haus verließ. Fünf Reisige machten die ganze Begleitung des Jünglings aus, und wahrscheinlich würde auch diese Aussteuer die Kräfte seines Vaters überstiegen haben, wenn nicht der Ruf von dem Glück des Hauses Hauteville eine Menge unbegüterter Ritter um die Söhne des alten Tancreds versammlet hätte. Robert gieng im Jahre 1047 über die Alpen, und machte die Reise im Pilgerkleide, um den Nachstellungen der Römer und Tuscier zu entgehen, die das Glück der nordischen Fremdlinge mit eifersüchtigen Augen betrachteten; aber er konnte doch nicht ganz verborgen bleiben, und unterweges gesellten sich noch dreißig Fußgänger zu ihm. Mit diesem Gefolge trat er vor seinen Bruder.
Bey den ununterbrochenen Fehden der Normannen mußte er bald Gelegenheit finden, seine Waffenprobe abzulegen, und seine Landsleute lernten in ihm einen würdigen Bruder ihrer tapfern Anführer schätzen. Die äusern Vorzüge einer schönen Gestalt verfehlen bey einem kriegerischen Volk ihre Wirkung nicht, er ragte durch einen vortheilhaften Wuchs hervor, sein Körper war in den richtigsten Verhältnissen gebauet, und nachdem er die volle <6:> Kraft des männlichen Alters erreicht hatte, übertraf er an Stärke des Arms und an Geschicklichkeit in allen Leibesübungen, so wie an Dauer bey den größten Beschwerden, die abgehärtesten unter Drogo’s Gefährten. Sein feuriges Auge und seine starke Stimme, die oft durch das Getümmel des Kampfs hervortönte, geboten Ehrfurcht; die jungen Krieger hiengen mit Enthusiasmus an einem Anführer, der, in jeder Gefahr der erste, ihnen unaufhörlich Gelegenheit gab, Ruhm und Beute zu erwerben, und durch die gefällige Bildung seiner Züge und ein einnehmendes Betragen gewann er die Herzen der alten Ritter, die an dem langen, blonden Haar des Jünglings einen ächten Normann erkannten.
So sehr sich Robert durch das Ansehen, worinn er bey seinen Gefährten stand, geschmeichelt fühlen mußte, so konnte doch eine Stelle unter Drogo’s Rittern seinen Ehrgeiz nicht befriedigen. Er lag seinem Bruder an, ihm eine eigene Niederlassung zu geben; aber die in Apulien eroberten Ländereien waren längst unter die ersten Krieger vertheilt, und als das Schloß Lavello nahe bey Melfi dem Landesherrn anheimfiel, hatte sein älterer Bruder Humphred ein näheres Recht dazu. Robert’s Wünsche wurden endlich nach einem Streifzuge in das disseitige Calabrien erfüllt. Diese von den Normannen noch wenig betretenen und von den byzantinischen Heeren nie ganz unterjochten Gegenden bewohnte ein rauhes Gebirgsvolk, das in seinen Wäldern eine Art von Freiheit durch die Entbehrung der Vorzüge gesitteter Nationen erkaufte. Nur an der <7:> Seeküste und in einigen festen Städten des innern Landes blüheten Handel und griechische Betriebsamkeit, hier tauschten die Calabresen ihr Geräth und eine Menge unentbehrlicher Werkzeuge gegen die Früchte ihres Landes und den Gewinn ihrer Heerden ein; und wurden in dem Maaße, wie die Bedürfnisse halb cultivirter Menschen zunahmen, immer abhängiger von den Städten, deren Mauern und Kriegsmaschinen ihnen Ehrfurcht einflößten. Im Handel gedrückt, durch die Kunstgriffe der Griechen ihrer Waffen beraubt, und ohne Schutz gegen die Plünderungen der Saracenen, vereinigten sie sich mit ihren Nachbarn, nicht aus Zuneigung, sondern um ihre eignen Hütten gegen die Verheerungen eines neuen Feindes zu schützen.
Drogo drang demungeachtet bis in die Thäler am Fluß Crate, von dem damals die ganze Provinz den Namen hatte, vor, und eroberte hier einen festen Ort, den er seinem Bruder übergab, mit der Erlaubniß, sich in diesen unbekannten Ländern ein Erbtheil zu erkämpfen. Mehr konnte oder wollte er nicht für ihn thun, und ohne Geld, ohne Macht, in einer feindlichen Gegen sich selbst überlassen, hatte Robert kein anderes Mittel, seine Anhänger zu erhalten, als Beute und Plünderung. Krieg wurde ihm daher nothwendig, um zu leben, und wenn diese Quelle nicht ergiebig genug war, verschmähete er auch die Kunstgriffe eines Räubers nicht. Die Heerden der benachbarten Landsleute, und ihre Erndten wurden ein leichter Raub der offenbaren Gewalt, und weder Mauern noch Thürme blieben der List des schlauen Freybeuters unzugänglich. <8:>
Um die Reichthümer eines stark befestigten Klosters zu plündern, gab er einen seiner liebsten Gefährten für todt aus, und begehrte für den Leichnam ein Grab in heiliger Erde. Seine letzten Kleinodien wurden hervorgesucht, um den Mönchen Geschenke zu machen, und Seelenmessen für den Verstorbenen zu bezahlen, und die betrognen Klosterherren öffneten dem Leichenzug ihre Thore. Aber kaum hatte das Innere des Klosters ihn aufgenommen, so sprang der verstellte Tode von der ofnen Bahre herab, die Leidtragenden zogen ihre versteckten Schwerdter hervor, und nur durch ein ansehnliches Lösegeld entgiengen die Mönche der Plünderung.
Robert wurde dadurch reich genug, daß Schloß Sanct Marco, ohnweit Bisignano, befestigen zu können, welches er von nun an zu seinem Wohnplatz machte. Aber die Schätze, welche er erwarb, dauerten bey ihm nicht lange. Er vertheilte sie mit freigebiger Hand unter seinen Anhängern; und hielt den kleinen Haufen ihm ergebner entschloßner Gefährten für seinen größten Reichthum.
Alle Normannen, die sich zu ihm gesellt hatten, und auch eine Anzahl Calabreser, aus denen er sich ein tapfres Fußvolk zu bilden anfieng, hiengen mit unbegränzter Liebe und einem Zutrauen an ihm, das sie an nichts, was Er unternahm, verzweifeln ließ. Aber eben so sehr wurde er von den Griechen und den Eingebohrnen der umliegenden Gegend gefürchtet und gehaßt. Da sie im ofnen Felde seinen kühnen Räubern nicht widerstehen konnten, begnügten sie sich, die engen Pässe der Gebirge sorgfältig zu be- <9:> wachen, und schlossen ihre Heerden und ihre Vorräthe in unzugänglichen Thälern oder festen Städten ein.
Oft gerieth Robert dadurch in den äusersten Mangel, und nur durch List und kühne Wagnisse zog er sich aus seinen Verlegenheiten. Eines Tages trat sein Haushofmeister mit der Frage zu ihm: „Was Er und seine Gefährten am morgenden Tage essen wollten? In der Burg sey weder Geld noch Vorrath, und wenn man auch Geld hätte, wäre doch dafür nichts zu bekommen, weil alle Einwohner weit umher vor dem Anblick eines Normannen entflöhen.“ Robert geboth ihm zu schweigen, und den Morgen zu erwarten. Er hatte sechszig Calabresen in seinem Dienst, an diese wendete er sich, um zu erfahren, ob nicht irgendwo in der Nähe Lebensmittel versteckt wären. Sie bezeichneten ihm ein enges Thal im Gebirge, dessen einziger Eingang aber sorgfältig bewacht würde. Doch, setzten sie hinzu, sey es nicht unmöglich, noch auf einem andern, ihnen bekannten Wege dahin zu gelangen, aber nicht anders als zu Fuße, und ohne Lasten zu tragen. Robert, der diese Leute durch Freigebigkeit und ein leutseliges Betragen sich ganz eigen gemacht hatte, lobte ihre Klugheit; „Geht, Kinder, sagte er lächelnd, ich sehe wohl, ihr wollt mich nicht verhungern lassen. Macht euch nur voraus auf den Weg, ich werde mit den Rittern nachfolgen.“
Er sagte aber keinem von diesen ein Wort, entließ sie zur gewöhnlichen Stunde, und legte sich in Gegenwart seiner Bedienten zu Bette. Sobald alles im Schlosse still <10:> war, stand er unbemerkt wieder auf, zog ein schlechtes Kleid an, umwickelte seine Füsse mit einem Tuch, und gesellte sich in der Dunkelheit zu den Calabresen, die singend und munter über die Berge hinkletterten. Bald aber folgte tiefe Stille auf das laute Geschwätz, weil sie jetzt sich den feindlichen Wohnungen näherten. Robert hatte die ganze Zeit über nicht gewagt ein Wort zu reden, um nicht durch seine Stimme oder die fremde Mundart verrathen zu werden, und jetzt stiegen beunruhigende Vorstellungen in seiner Seele auf, die ihn seinen Leichtsinn, nun es zur Rückkehr zu spät war, bereuen ließen. Die Calabresen gehörten zu dem Volke, das er unaufhörlich bekriegte; wollten sie treulos handeln, welchen Lohn durften sie nicht von den Griechen für einen solchen Gefangnen erwarten! Ein unrühmlicher Tod oder Sklaverey konnte die Folge seiner raschen Verwegenheit seyn, und Rettung war unmöglich. Kein Mensch in der Burg wußte um seine Abwesenheit, keiner seiner Ritter würde ihn hier gesucht, keiner diese versteckten Gründe gefunden haben. Nicht ohne Herzklopfen stieg er den schroffen gewundnen Pfad, wo Einer dem Andern die Hände reichen mußte, hinab, und wurde nur durch das Zeichen des Vordersten, daß sie an dem bestimmten Ort angekommen wären, aus seinem Nachdenken gerissen. Man fand in dem Thale nicht nur Lebensmitteln im Überfluß, sondern auch andre kostbare Beute. Alles, was fort zubringen ist, wird in tiefster Stille aufgeladen, aber jetzt erst beginnt die größte Verlegenheit. Die Calabresen, nach Rauben begierig, wollen nichts lie- <11:> gen lassen, und Robert zittert, daß die sorglosen Hüther endlich erwachen möchten. Gewohnt, Befehle zu geben, ergrimmt er über den unnöthigen Verzug, kaum kann er länger die peinigende Ungeduld verbergen, und dennoch befiehlt ihm die Klugheit jetzt mehr als jemahls, sich nicht zu verrathen. Durch heftige Gebährden, durch Winken mit dem Speer sucht er seine Gefährten zur Rückkehr zu bewegen. Umsonst; sie fangen erst noch an, die verborgensten Winkel zu durchsuchen. Endlich sieht er zu seiner großen Freude die Anstalten zum Aufbruch, der von innen versperrte Ausgang wird leicht eröfnet, und sie kommen glücklich ins Freie. Aber nun können die schwer beladnen Räuber nicht rasch genug vorwärts schreiten, hinter ihnen entsteht Geräusch; und ehe sie noch die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, vernehmen sie deutlich das Schnauben der Pferde, und den Zuruf der Nachsetzenden, die endlich ihren Verlust wahrgenommen haben. Robert, der der Tapferkeit der Calabresen nicht trauet, beschließt sein Leben theuer zu verkaufen, aber in diesem Augenblick hört er, daß sie sich untereinander aufmuntern, muthigen Widerstand zu thun, und sich die Beute nicht wieder nehmen zu lassen. Jetzt glaubt er alles wagen zu dürfen. „Hier ist Robert“, ruft er, indem er seine Beute abwirft und den Speer mit beyden Händen ergreift, „er hat eure Beschwerden getheilt, und wird es jederzeit thun. Ohne ihn sollt ihr euch nie einer Gefahr aussetzen. Seyd getrost, wir werden die Feinde schlagen.“ Mit diesen Worten rennt er einem der Beraubten, der ihm schon ganz nahe ist, <12:> entgegen, durchbohrt ihn und bemächtigt sich seines Pferdes. Die Feinde kommen aus der Fassung, Roberts Leute aber, durch sein Beispiel angefeuert, thun einen muthigen Angriff. In wenig Minuten ist der Kampf entschieden. Die Nachsetzenden fliehen und lassen verschiedene Todte und mehrere Gefangne zurück. Mit den erbeuteten Pferden macht er einen Theil seiner Calabreser beritten, und eilt nun mit ihnen dem Schlosse zu. Die Ritter waren schon in der größten Verwirrung über die Abwesenheit ihres Anführers, den man im ganzen Schlosse vergebens gesucht hatte; desto lebhafter war ihre Freude, da Robert voraussprengte, und sie den verlohren Geglaubten mit Beute bereichert, wieder in ihrer Mitte sahen.
Das Lösegeld der Gefangnen erhob den Muth der Besatzung, Überfluß folgte nun auf den Mangel. Roberts Verwegenheit, welche ihm den Tadel einiger älteren Ritter zuzog, hatte den glücklichen Erfolg, daß sie ihm die Herzen des gemeinen Volkes gewann. Verachtung und Druck hatte die Calabrier zu Wilden gemacht, sie faßten Zutrauen zu einem Fremdling, der Gefahren und Beschwerden mit ihren Brüdern theilte, und sie als freie Leute, nicht als Sklaven behandelte. Schaarenweise kamen sie nach Sanct Marco und verlangten unter seiner Fahne zu dienen.
Die kleinliche Staatskunst der Griechen hatte sich selbst der festesten Stütze beraubt, indem sie ein rauhes und kühnes Volk, zu dem die Weichlichkeit der Küstenbewohner noch nicht hindurchgedrungen war, wehrlos machte. <13:> Unter Roberts Anführung zeigten die Calabreser, daß sie nicht blos zu hinterlistigen Überfällen in unwegsamen Gebirgen, sondern auch zum gleichen Kampf in der Ebne Muth hatten. Mit den Waffen gab er ihnen auch das Gefühl ihres Werthes wieder. Sie halfen ihm seine Besitzungen in Calabrien ansehnlich erweitern, und an dem blutigen Tage bey Civitade trugen sie nicht wenig zu der Rettung des normannischen Staates bey.
Drogo war als das Opfer einer Verschwörung gefallen, welche allen Anführern der Normannen in Apulien den Tod drohete. Durch die schnellen und klugen Maasregeln Humphreds wurde die Rebellion der longobardischen Unterthanen im Keime erstickt, und er selbst an seines Bruders Stelle zum Oberhaupt der kriegerischen Aristokratie erwählt. Die gemeinschaftliche Gefahr vergrößerte seine Gewalt, und sicherte sie ihm auch ferner, da Leo IX im Einverständnis mit dem deutschen und griechischen Monarchen der ganzen Nation den Untergang bereitete.
Dieser kriegerische Papst wollte sich durchaus den Ruhm erwerben, die nordischen Eroberer aus dem Garten Italiens vertrieben zu haben. Von einer Wallfahrt zu den Heiligthümern des Bergs Gargano eilte er nach Deutschland zu Kaiser Heinrich dem Dritten, und das folgende Jahr sah man ihn den Vorsitz in einer Synode zu Siponto mit der Befehlshaberstelle über ein Heer in Schwaben vertauschen. Durch den Neid eines Nebenbuhlers wurde die Macht, mit welcher ihm der Kaiser gegen die Normannen ausrüsten wollte, auf sieben bis achthundert Deutsche ein- <14:> geschränkt, aber der griechische Katapan zu Bari versah ihn reichlich mit Gelde, und er verließ sich auf den Beistand der Apulier und der longobardischen Fürsten in Campanien, die ihm zahlreiche Hülfsvölker versprochen hatten.
In der That wuchs auch sein Heer mit jedem Schritt, den er von dem Fuß der Alpen durch zwey Drittheile der Länge Italiens that. Der Ruf eines Papstes, der an der Spitze einer Armee gegen die Feinde des Glaubens auszog, denn mit diesem Namen brandmarkte der Fluch des römischen Stuhls die Normannen, lockte ein unzählbares Volk aus allen Ständen zu den Fahnen Sanct Peters. Priester verließen den Altar, und umgürteten sich, nach dem Beispiel ihres Oberhaupts, mit dem Schwerdt, und Straßenräuber und Mörder entsagten ihrem gefährlichen Handwerk, um in diesem heiligen Kriege sich Schätze im Himmel und auf der Erde zu erwerben.
Richard Graf von Aversa und Humphred, die beiden Oberhäupter der Normannen, versammleten die ganze Macht der Nation, aber sie konnten nicht mehr als dreytausend Reuter zusammenbringen, und nachdem ihre longobardischen Unterthanen sie bey der Annäherung Leos verlassen hatten, machten Roberts Calabresen den größten Theil ihres Fußvolkes aus. Die überlegne Anzahl der Feinde, und die erhabne Würde des Anführers prägten ihnen Ehrfurcht ein. Sie schickten eine Gesandtschaft an den Papst, und erbothen sich, in seine Dienste zu treten, und ihre Besitzungen von ihm zur Lehn zu nehmen. Aber sie wurden mit Verachtung abgewiesen: „Sie sollten die <15:> Waffen strecken, und wehrlos in ihr Vaterland zurückkehren, oder alle des Todes gewärtig seyn,“ lautete die Antwort.
Jetzt erwachte der kriegerische Geist der Normannen wieder, den mehr der Aberglaube als die Furcht gedämpft hatte, und sie beschlossen mit einem Papst, der ein Heiliger und ein Wunderthäter war, den Kampf zu wagen. Ein flacher Hügel nahe bey dem Städtchen Civitade in Capitanata trennte die feindlichen Heere. Bey Sonnenuntergang bestiegen ihn die Söhne Tancreds und Richard, und sobald sie auf dem linken Flügel des päpstlichen Lagers die regellose Stellung der Italiäner, die gar keine Spur von kriegerischer Verfassung zeigte, auf dem rechten hingegen die furchtbare Ordnung der Deutschen erblickt hatten, war auch der Plan zu dem morgenden Angriff entworfen. Sie wählten die schräge Schlachtordnung. Richard übernahm es, mit dem rechten Flügel, der zuerst angreifen sollte, die Italiäner in die Flucht zu jagen, Humphred stellte sich mit dem Mitteltreffen den Deutschen gegenüber, und Robert hielt sich noch etwas weiter zurück, um erst im entscheidenden Moment die Feinde durch eine halbe Wendung zu überflügeln.
Mit dem Anbruch des Tages breiteten sich die Normannen auf dem Hügel aus, und Richard rannte mit eingelegtem Speer gegen die Italiäner; bestürzt, vergassen sie ihre Schußwaffen zu gebrauchen, die Vordersten wichen zurück und drängten die hinteren Haufen, und in wenig Minuten kehrte die ganze zahllose Menge den Rücken. <16:> Die Anführer der Deutschen deckten ihre entblößte linke Seite, so gut sie konnten, und empfiengen den Angriff Humphreds mit unerschüttertem Muth. Pfeile und Wurfspieße wurden verschossen, und als man von beiden Seiten zum Schwerdt griff, entstand ein fürchterliches Gemetzel. Diese Art des Kampfs war die Stärke der Deutschen, die, weniger geschickte Reuter als die Normannen, sich mehr auf das Schwerdt als auf die Lanze verließen. Selbst wenn sie vom Pferde geworfen wurden, wichen sie nicht; sie hielten ihre Ordnung auch zu Fuß, und waren da erst am furchtbarsten. Nachdem der Sieg eine Zeitlang geschwankt hatte, fiengen die Normannen an zu weichen, und in diesem Augenblick brach Robert mit seiner Schaar in die Reihen der Deutschen. Ein neuer, wüthender Kampf begann jetzt. Drey Pferde stürzten unter Robert nieder, dreymal erschien er wieder an der Spitze der Seinigen. Auch nachdem schon der größte Theil der Deutschen, mit einer noch größern Anzahl ihrer Feinde auf dem Schlachtfeld niedergestreckt war, setzte der Überrest das Treffen noch mit gleicher Hartnäckigkeit fort, bis zuletzt Richard, der vom Nachsetzen zurückkam, ihnen in den Rücken fiel. Nicht eher konnten sich die Normannen des Sieges rühmen, als bis der letzte der Deutschen auf der Wahlstatt lag.
Die Ehre dieses Tages wurde nach dem einmüthigen Zeugnis der Sieger und Besiegten Roberten zugeschrieben, der Erfolg war unerwartet. Leo fiel bey der Übergabe von Civitade in die Hände der Normannen, aber Klugheit und Aberglaube stürzte die Sieger zu den Füssen ihres <17:> Gefangnen. Sie flehten mit Thränen um die Vergebung ihrer Sünden, und er nahm jetzt mit Freuden die Bedingungen an, die er vor der Schlacht verworfen hatte. Als Lehnsherr seiner Überwinder kehrte er im folgenden Jahre nach Rom zurück, und nicht nur ihre gegenwärtigen Besitzungen, sondern auch ihre zukünftigen Eroberungen empfiengen dadurch den Stempel der Rechtmäßigkeit, denn auch für die letzteren leisteten sie ihm in Voraus den HuldigungsEid.
Humphred sah mit eifersüchtigen Augen das große Ansehen, welches Robert seit der Schlacht von Civitade bey seinen Landsleuten erworben hatte. Er hinderte ihn, unter dem Vorwand, daß seine Gegenwart bey den noch nicht ganz gestillten Unruhen in Apulien nothwendig sey, nach Calabrien zurückzukehren, und indem er ihm die Gelegenheit nahm, seine Anhänger durch Beute zu bereichern, suchte er diese nach und nach von ihm abwendig zu machen. Bey der Austheilung der Belohnungen, wo Humphreds jüngere Brüder Besitzungen in Capitanata und Basilicata bekamen, wurde Robert übergangen. Er hielt sich dafür durch Plünderungen in Humphreds eignen Gütern schadlos. Die Erbitterung der beyden Brüder stieg aufs äuserste, und eines Tages, da sie mit einander zu Tische saßen, entrüstete sich Humphred in einem Wortwechsel so sehr, daß er sein Schwerdt zog, und Roberten durchbohrt haben würde, wenn nicht Goscelin, ein edler Normann, der ihm in den Arm fiel, den Stoß abgewendet hätte.
Robert wurde ins Gefängniß gebracht, aber durch die <18:> Vermittlung der vornehmsten Ritter bekam er bald seine Freyheit wieder, und eine feierliche Umarmung söhnte die Brüder wenigstens öffentlich aus. Humphred erlaubte ihm nach Calabrien zu gehen, und seine Eroberungen in diesen Gegenden fortzusetzen. Er konnte nicht hindern, daß eine beträchtliche Anzahl junger Krieger ihn dahin begleitete, und tröstete sich mit der Hofnung, daß Mangel an Geld und den nöthigsten Bedürfnissen bald den größten Theil dieser Abentheurer nach Apulien zurückführen würde.
In der That fand auch Robert jetzt weit größere Schwierigkeit, diesen Bedürfnissen abzuhelfen, als vor seiner Abreise aus Calabrien. Die Bewohner des Landes hatten sich aus der Nähe von Sanct Marco zurückgezogen, und eine Reihe befestigter Städte hemmte seine weiteren Fortschritte. Er sah die Nothwendigkeit ein, sich zum Meister einer dieser Städte zu machen, und vorzüglich war sein Augenmerk auf Bisignano gerichtet, dessen Besitz ihm den Weg in das Herz des Landes würde geöfnet haben; aber er war von allen Mitteln entblößt, eine Belagerung zu unternehmen, die schon damals einen nicht geringen Aufwand von Kosten erfoderte.
Was ihm auf dem Wege der offnen Gewalt unmöglich war, sollte List ihm gewähren. Peter von Turra oder Cyrra hatte durch seine Reichthümer und seine Klugheit für sich ein beinahe unbeschränktes Ansehn in Bisignano erworben, ihm war die Wache des Schlosses anvertraut, und sein Rath lenkte die wichtigsten Angelegenheiten der Stadt. Robert hatte längst den Anschlag gemacht, ihn <19:> aufzuheben, aber weil Peter nie anders als mit guter Begleitung ausgieng, und so oft er zu einer Zusammenkunft eingeladen war, sorgfältig erst einen kurzen Waffenstillstand bedung, hatte sich keine Gelegenheit dazu finden wollen, denn so sehr die Normannen von Sanct Marco auch Räuber waren, so treu hielten sie doch die eingegangnen Verträge.
Robert gab darum seinen Plan noch nicht auf, und nahm die Gelegenheit wahr, Petern wie von ohngefähr an dem gewöhnlichen Orte zu begegnen, ohne vorher ihm Sicherheit versprochen zu haben. Beide hatten eine ansehnliche Begleitung bey sich, und da die Anzahl der Bisignaner die stärkste war, glaubte Peter ohne Gefahr sich den Normannen nähern zu dürfen. Robert unterhielt ihn von einer Angelegenheit, welche beiden wichtig war, und im Verfolg der Unterredung schlug er ihm vor, ihr Gefolge von beiden Seiten einige hundert Schritte zurückgehen zu lassen, damit nicht unzeitige Zänkereyen entstünden. Peter willigte ein, sie lagerten sich unter dem Schatten eines Baums und wurden bald über die wichtigsten Punkte ihres Geschäftes einig.
Schon waren sie wieder aufgestanden und im Begriff sich zu trennen, als Robert seinen Gegner, der um ein ansehnliches länger als er, und etwas unbehülflich war, erst noch einmal recht betrachtet, dann ihn plötzlich mitten um den Leib pakt, mit starkem Arm auf seine Schultern wirft, und aus allen Kräften mit ihm davon läuft. Der erschrokne Bisignaner erhebt ein fürchterliches Geschrey, <20:> seine Mitbürger eilen herbey, ihn zu befreyen, da aber die Normannen ihnen entgegen kommen, wagen sie es nicht, mit Leuten einen Kampf anzufangen, von deren Stärke sie eine so auffallende Probe sehen. Peter, der sich von dem ersten Schrecken erholt hat, ringt und sträubt sich auf dem Rücken seines Entführers. Zweimal stürzt Robert mit ihm nieder, aber auch auf der Erde wälzt er ihn nach den Normannen zu, bald stößt er ihn vor sich her, bald trägt er ihn wieder. Keiner seiner Leute kömmt ihm zu Hilfe, sie begnügen sich auf seinen ausdrücklichen Befehl, blos die Bisignaner in Furcht zu erhalten, und diese eilen in ihre Mauern zurück, sobald sie ihren Anführer zu weit entfernt sehen, um ihn noch retten zu können. Robert verfehlte zwar seine Absicht auf das Schloß von Bisignano, weil die Stadt sich weigerte, ihren Mitbürger um diesen Preis loszukaufen. Aber zwanzigtausend Goldstücke, welche er von Petern als Lösegeld nahm, setzten ihn in den Stand, seine Krieger zu belohnen, und die lustige Art, wie er dieses Geld erworben hatte, vermehrte seinen Anhang eben so sehr, als der Ruf, daß er in den Augenblicken der Noth zuerst seine eigne Person aussetzte, um die Bedürfnisse seiner Gefährten zu befriedigen. Die Normannen priesen seine List, so hoch als seine Tapferkeit, und der Beiname Guiscard, oder der Schlaukopf, den sie ihm deshalb beilegten, war ein Ehrenname, dessen sich Robert mit Vergnügen rühmte. Nicht blos junge Leute, die keinen Unterhalt hatten, als den das Schwerdt ihnen gab, sondern auch Männer, die eigne <21:> Güter besaßen, hielten es für vortheilhaft, unter einem so klugen Anführer zu dienen. Gerhard von Albergo, ein angesehner Ritter, besuchte ihn kurz nach der Gefangenehmung Peters von Turra, gab ihm seine Verwandte Alverarada zur Gemahlin, und machte sich eine Ehre daraus, unter den Fahnen des jüngern Kriegers zu dienen.
Robert breitete jetzt seine Eroberungen immer weiter aus; er nahm den Titel eines Grafen an, wurde durch List Meister von Melvito und zwang die Städte Bisignano, Consenza und Marturano, ihm zinsbar zu werden und Kriegsdienste zu leisten, wogegen er sie im Besitz der Freiheit und ihrer festen Schlößer ließ. Seine Absicht war, sich in Calabrien unabhängig zu machen, als die unvermuthete Nachricht von der tödlichen Krankheit seines Bruders ihm plötzlich neue Aussichten eröfnete.
Er eilte nach Apulien; der sterbende Humphred hatte seinen unmündigen Sohn Bagelard oder Abaelard zu seinem Nachfolger ernannt, und glaubte, der Ehre eines Bruders und eines ausgesöhnten Feindes seine wehrlosen Kinder anvertrauen zu dürfen. Er übertrug Roberten die Vormundschaft, und starb in seinen Armen. Die Grafen, welche den verschiednen Districten des normännischen Freistaats vorgesetzt waren, hatten so viel Ehrfurcht für ihren verstorbenen Anführer, oder glaubten bey dieser Einrichtung so gut ihre Rechnung zu finden, daß Humphreds Testament ohne Widerspruch angenommen <22:> wurde; bald aber gaben die entstandnen Mishelligkeiten und die Unruhen der unterworfnen Apulier dem Vormund Abälards Gelegenheit, die versammleten Krieger zu überführen, daß ein unmündiger Knabe nicht fähig sey, das Oberhaupt einer kriegerischen Aristokratie vorzustellen. Die Normannen waren gewohnt, einen Bruder dem andern folgen zu sehen, Humphred hatte kein Recht gehabt, das ihm für seine Person übertragne Amt eigenmächtig seinem Sohn zu hinterlassen, und Robert Guiscard, dem der grosse Haufe der niedern Ritterschaft mit unbegränzter Ergebung anhieng, konnte in dem Besitz einer Gewalt, die er schon als Vormund ausübte, nicht mehr gestöhrt werden.
In einem Alter von zwey und dreyßig Jahren übernahm er die Regierung des Apulischen Freistaats, und die Geschmeidigkeit seines Characters machte es ihm leicht, sich den neuen Verhältnissen anzupassen. Mit dem veränderten Schauplatz erweitern sich seine Plane. Der Ritter verschwindet in dem Staatsmann, der Abentheurer blickt nur selten aus dem Eroberer hervor. Eine unruhige, des Gehorsams ungewohnte Aristokratie zu bezähmen, und sich durch diese zum unumschränkten Beherrscher eines noch nicht halb eroberten Landes zu machen, ist sein erstes Ziel, und am Ende seiner Laufbahn sehen wir ihn die Hand nach einer Kaiserkrone ausstrecken. Die Art, wie er zu der höchsten Würde in dem Freistaat der Normannen gelangte, war vielleicht keine Usurpation der Gewalt, aber vergebens würde man ihn von dem Vorwurf einer Treulosigkeit <23:> gegen die ihm anvertrauten Pfänder rechtfertigen wollen. Robert erscheint überhaupt in der Geschichte seines Lebens weniger edel, als groß; nach der Wahl seiner Mittel darf er nicht gerichtet werden, keins, das ihm zur Erreichung seiner Absichten nützlich ist, scheint dem Ehrgeizigen unerlaubt, aber an dem festen Schritte, womit er trotz der sich unaufhörlich häufenden Schwierigkeiten grade auf sein Ziel losgeht, an seinem Muth in Gefahren, seiner unerschütterlichen Standhaftigkeit im Unglück, und an den Hilfsquellen, die er stets in sich selbst findet, erkennt man das überlegne Genie. In der Anwendung der erworbnen Güter, in dem Gebrauch seiner Gewalt, in dem Betragen gegen Überwundene erscheint er zu seinem Vortheil, und es gereicht ihm zur Ehre, daß ein bisher durch den härtesten Druck herabgewürdigtes Volk unter seinem Szepter des Daseyns froh wurde, daß bey allen Unruhen nur die normännischen und griechischen Unterdrücker, nie die Eingebohrnen Apuliens und Calabriens gegen ihn aufstanden.
Verschiedne glückliche Umstände begünstigten seine ersten Fortschritte. Noch hatte kein Staat in Italien den Grad der innern Festigkeit erreicht, der es ihm möglich machte, sich mit Nachdruck den Unternehmungen eines Nachbars zu widersetzen. Die Verfassung des alten longobardischen Reichs, welche Karl der Grosse unangetastet ließ, war nach und nach von selbst zerfallen, und Anarchie herrschte in ganz Italien, so wie die Zügel der Herrschaft in den Händen der Nachfolger des deutschen Otto er- <24:> schlafften. In der Lombardey, wo die kaiserliche Gewalt sich noch am nachdrücklichsten äuserte, rissen doch schon wechselsweise die Bischöffe oder kühne Demagogen die Regierung einzelner Städte an sich, und noch war der Geist der Municipalitäten nicht erwacht, der hier in der Folge so stolz das Haupt erhob. Die Monarchen aus dem fränkischen Stamm, vor deren Gegenwart sich die trotzigsten Aristokraten beugten, begnügten sich in der Entfernung mit den Zeichen eines scheinbaren Gehorsams; in Rom selbst konnten sie die volle Gewalt Karls und der Ottonen nur an der Spitze eines deutschen Heeres ausüben, durch unaufhörliche Schenkungen waren die unmittelbaren Güter der Krone zersplittert, und der Beistand, den ein Kaiser von den Italiänern erhielt, machte ihn mehr zum Haupt einer Faction, als zum Souverain. Die Macht der Päbste lag noch in der Kindheit, weit entfernt, die Herrschaft über Rom und das Land, welches sie durch die Freigebigkeit der Carolinger und der sächsischen Kaiser besassen, auszuüben, mußten sie ihre Staatsklugheit aufbiethen, durch ein schlau erhaltnes Gleichgewicht unter den Baronen der Hauptstadt und der umliegenden Gegenden ihre Person und ihre Freiheit zu sichern. Erst während der stürmischen Minderjährigkeit Heinrichs des Vierten legte der schöpferische Geist eines Kardinals den Grund zu der künftigen Hoheit des Vaticans. Mit kühnem Muth verachtete Hildebrand die Gefahren, welche der Person eines Pabstes drohen konnten, die päbstliche Würde zu erheben war sein grosser Zweck. Nicht in den Aristokraten <25:> Roms, oder in den tuscischen Grafen und Markgrafen, sah er seine Feinde, sondern in den Beschützern der Kirche, den römisch-deutschen Kaisern. Indem er mit überlegter Klugheit die Ansprüche des Souverains und des Volks bey den Wahlen Nicolaus und Alexanders des Zweiten gegen einander bewafnete, entwand er beiden ihr Recht.
Dem Aufblühen des normännischen Staats konnte er gleichgültig zusehen, noch hatte keine der verschiednen Mächte im untern Italien ein entschiednes Übergewicht erlangt, und die Normannen erkannten sich für Vasallen des römischen Stuhls. Von der Weichlichkeit der Griechen, die sie haßten, angesteckt, schlummerten die longobardischen Fürsten in den glücklichen Wohnsitzen Campaniens bey der drohenden Gefahr, so lange die Waffen ihrer kriegerischen Nachbarn gegen die Unterthanen des byzantinischen Scepters gerichtet waren, und die Monarchen des Orients wurden durch die Anfälle der Türken in Asien, noch mehr aber durch innre Zerrüttungen ihres Reiches, abgehalten, ihre entfernten italiänischen Provinzen mit Nachdruck gegen die Angriffe kühner Eroberer zu schützen.
Die Unzufriedenheit der normännischen Grafen über Roberts Erhöhung war daher das größte Hinderniß, mit welchem derselbe zu kämpfen hatte. Er sah die Nothwendigkeit ein, seine Krieger unaufhörlich zu beschäftigen und führte sie, sobald er die dringendsten Angelegenheiten der Regierung zu Melfi geordnet hatte, nach Calabrien. Der Zug gieng durch die ihm unterworfenen Gegenden von <26:> Marturano und Consenza, wo er sich jezt in der glänzenden Gestalt eines mächtigen Heerführers zeigte, bis in die von den Normannen noch nie erreichte äusserste Spitze Italiens. Er durchstreifte den schmalen Landstrich zwischen zwey Meeren von Girace bis Reggio, und nach einem fruchtlosen Versuch, die Bürger des leztern Orts freiwillig zur Übergabe zu bewegen, führte er sein Heer mit Beute bereichert nach Apulien zurück.
Ein junger Held, dessen Ruhm in der Folge selbst Roberts Thaten verdunkeln sollte, begleitete ihn auf diesem Zuge. Roger, der jüngste von Tancreds zwölf Söhnen, war vor kurzem nach Apulien gekommen, und schon als ein blosser Ritter in dem Gefolge seines Bruders erwarb er sich sowohl durch den Muth und die Klugheit, womit er jeden ihm gegebnen Auftrag ausführte, als durch die Sanftmuth und Liebenswürdigkeit seines Characters die Zuneigung aller Krieger. Robert schickte ihn im folgenden Jahre 1058, an der Spize von sechzig Rittern wieder nach Calabrien, welches damals das Land war, wo alle Neuangekommene unter den Normannen ihr Glück zu machen suchten. Roger drang auf der Bahn, die er vorher unter seines Bruders Anführung betreten hatte, kühn bis an den Meerbusen der heiligen Euphemia vor, und unterwarf sich die Gegenden von Monte Leone blos durch den Schrecken der normännischen Waffen. Ein verschanztes Lager auf dem Gipfel des Gebirges erhielt das flache Land in seinem Gehorsam, und er ließ dort seine Gefährten zurück, um mündlich mit seinem Bruder <27:> die ferneren Maasregeln abzureden, und ihm das von den umliegenden Orten erhobne Geld zu überbringen.
Er fand ihn noch mit den Zurüstungen beschäftigt, welche die Eifersucht der Grossen seines Volks ihm unendlich erschwehrt hatte. Durch die Kenntniß von ihrem üblen Willen vorsichtig gemacht, suchte Robert immer mehr, sich fest mit den Eingebohrnen zu verbinden, um bey ihnen im Fall der Noth Unterstützung gegen seine Landsleute zu finden. Ein Gewissensscrupel über die zur rechten Zeit entdeckte Blutsverwandtschaft mit seiner Gemahlinn, die ihm einen Sohn, Bohemund, gebohren hatte, diente ihm zum Vorwand, sich von ihr zu scheiden. Durch grosse Geschenke ließ sich Alverada bewegen, gutwillig der Nothwendigkeit zu weichen, und ihren Gemahl der Longobardischen Prinzessinn Gaita oder Sichelgayta, einer Tochter Guaimars, Fürsten von Salerno, abzutreten. Sein neuer Schwager, Gisulph, wurde durch die Schleifung einiger Schlösser, welche Wilhelm von Hauteville in dem Gebieth von Salerno befestigt hatte, gewonnen, und um den Verdruß der Normannen über dieses Opfer zu zerstreuen, nahm Robert den Griechen die Stadt Troja in Capitanata weg. Die Einwohner, des byzantinischen Jochs überdrüssig, unterwarfen sich ihm mit Freuden, aber er zog sich die Feindschaft des römischen Stuhls zu, welcher ein Recht auf diese Stadt zu haben vorgab. Auf seine Weigerung, sie dem Pabst abzutreten, that ihn Nicolaus II in den Bann.
Die Frömmigkeit der Normannen konnte sie nie bewe- <28:> gen, eine Eroberung herauszugeben, und Robert ertrug die Strafen der Kirche mit grossem Gleichmuth. Er trat unbekümmert den Zug nach Calabrien an, und schloß Reggio ein, aber der Mangel an Schiffen und Kriegsmaschinen vereitelte seine Entwürfe. Schon oft hatte er sich vergebens bemüht, die Normannen zu überzeugen, daß, so lange sie nicht ein regelmäßiges Fußvolk bilden würden, immer nur eine streifende Horde, nie eine Nation von Eroberern werden könnten; der unglückliche Erfolg der Belagerung einer so wichtigen Stadt bewies die Wahrheit seiner Behauptungen, aber sein eignes Beispiel und jede Art  der Aufmunterung scheiterten an dem Ritterstolz eines Volks, das den Kriegsdienst der Knechte verschmähte. Auch die griechischen Ingenieurs, die er mit großen Kosten in seine Dienste zog, fanden ungelehrige Schüler an den Normannen. Er wagte es daher noch nicht, eine große Stadt anzugreifen, und wendete sich nach der Küste des ionischen Meeres, wo er eine Menge unbeträchtlicher Orte einnahm, um nach und nach sein Heer, das hier eine weit ansehnlichere Beute fand, als in dem ofnen Lande, an den Belagerungskrieg zu gewöhnen.
Eine wichtigere Sorge rief ihn auf einige Zeit nach Apulien zurück. Die unzufriedenen Großen suchten noch immer Unruhen zu erregen, und er fürchtete, daß der Bann der Kirche ihrer Empörung bey dem Volke zum Vorwand dienen möchte. Durch die Vermittlung des Abts Desiderius von Monte Casino wurde an einem Vergleich gearbeitet, zu welchem Nicolaus II um so geneigter war, <29:> da er selbst gegen die unruhigen Barone seiner Hauptstadt Hülfe bedurfte. Er hatte die apulischen Grafen zu sehr mit ihren eignen Angelegenheiten beschäftigt gefunden, und der Beherrscher eines kriegerischen Staats konnte ihm eine sicherere Stütze werden, als die uneinigen Häupter einer stürmischen Aristokratie. Die Synode zu Melfi gab ihm einen Vorwand, in Person nach Apulien zu kommen, und nichts war natürlicher, als daß Robert dahin eilte, dem heiligen Vater seine Ehrfurcht zu bezeugen.
Richard Graf von Aversa und der vornehmste Adel der Normannen waren ihm dort schon zuvorgekommen, aber er hatte längst durch eine geheime Bothschaft alle Artikel mit dem Pabst in Richtigkeit gebracht. Unter prächtigen Festen wurde das neue Bündniß geschlossen, Robert, in dem Besitz der höchsten Würde unter den normännischen Grafen in Apulien und Calabrien, und der von ihm unabhängige Richard in dem Theil des Gebieths von Capua, welchen er dem Longobarden Landolph entrissen hatte, bestätigt. Auf die Rechte dieses Fürsten und Abälards, auf die lehnsherrlichen Ansprüche der deutschen und griechischen Kaiser, wurde keine Rücksicht genommen. Der Pabst umgürtete seinen Vasallen, nach normännischer Sitte, mit dem Schwerdt, steckte ihm den Ring an, und setzte das Baret auf sein Haupt; auch der italiänische Gebrauch, ihm das Panier in die Hand zu geben, wurde nicht vergessen, und Robert feierlich zum Gonfalonier der Kirche ernannt.
Die Grafen der Normannen mußten ihren Unwillen <30:> unterdrücken, da Robert jetzt in den Augen der Nation mit einem unbezweifelten Recht ihr Oberhaupt war. Aber er selbst hinderte den Eindruck, den diese feierliche Handlung zu seinem Vortheil gemacht hatte, durch kleinliche Eifersucht. Mistrauisch gegen einen jüngern Bruder, dessen Edelmuth er nicht kannte, uneingedenk der wichtigen Dienste, welche dieser junge Held ihm geleistet hatte, suchte er ihn mit Gewalt in die Niedrigkeit zurükzudrücken. Die Vermittlung gemeinschaftlicher Freunde wurde mit Unfreundlichkeit abgewiesen, und er erröthete nicht, sich derselben Ungerechtigkeit schuldig zu machen, über die er zu Humphreds Zeiten so bitter geklagt hatte. Roger gerieth dadurch in einen so drückenden Mangel, daß er sich genöthigt sah, mit seinem Waffenträger Pferde zu stehlen, um nur den nothdürftigen Unterhalt zu gewinnen. Zweimahl verließ er den Hof, und fand eine gastfreie Aufnahme bey seinem Bruder Wilhelm, der im diesseitigen Principato ansehnliche Güter besaß. Er that von hier aus häufige Einfälle in Roberts Besitzungen, und nahm mit Gewalt, was unbillige Kargheit seinen Bitten versagte. Endlich mit Mühe und fast gezwungen überließ ihm dieser das Schloß Melito als Eigenthum, und versprach, nach der Eroberung Calabriens ihm das Land, welches jenseits der Gebirge sich von Sqillace bis Reggio erstreckt, abzutreten.
Die Folge dieses Vergleichs war die Einnahme von Reggio, welches beide Brüder gemeinschaftlich belagerten. Eine reichere Beute, als die Normannen noch jemals ge- <31:> macht hatten, ward ihnen durch die Eroberung der Hauptstadt Calabriens zu Theil. Sie erstaunten über die Macht und die Schätze eines Handelsplatzes, der an Grösse und Volksmenge alle ihre Städte in Apulien weit übertraf, und die Eroberung, an welcher sie seit dem ersten fehlgeschlagnen Versuch gänzlich verzweifelt hatten, schien ihnen ein Wunder, das nur der überlegne Genius ihres Feldherrn möglich machen konnte. Wilde Freude und unbegränztes Zutrauen zu ihrem Anführer erfüllten die Herzen aller Krieger, und im Taumel des Siegs forderte er sie auf, ihm die herzogliche Würde, welche er schon zu Melfi von dem Pabst erhalten hatte, zu bestätigen. Sie willigten jubelnd ein, und Robert, der jezt aus seinen Eroberungs-Planen kein Geheimniß mehr machte, führte von nun an den Titel: Von Gottes und Sanct Peters Gnaden Herzog von Apulien und Calabrien und in Zukunft von Sicilien.
Durch die Annehmung eines Titels, welcher allen Schein der Gleichheit zwischen ihm und den zwölf normännischen Grafen aufhob, hatte er die Grossen der Nation, die schon längst mit seiner Herrschaft unzufrieden waren, auf das äuserste gegen sich erbittert. Aber der Liebe des gemeinen Volks, und der Ergebenheit seines Heeres versichert, trozte er allen Angriffen seiner Feinde. Umsonst beriefen sie sich auf die Verfassung des Freistaats, welche Robert verlezt hatte; die Normannen waren eine Nation von Kriegern, auf dem Wahlplaz war ihre Verfassung gegründet worden, auf dem Wahlplatz, meinten sie, könne <32:> sie auch geändert werden. Freilich war das Heer, welches ihn zum Herzog ausgerufen hatte, nur ein kleiner Theil der Nation, aber eben durch diese gesezwidrige Handlung fand es sich innig in Roberts Schicksal verflochten. Robert kam durch einen schnellen Angrif den Zurüstungen seiner mächtigsten Gegner zuvor, und in kurzer Zeit blieb den Anführern nur die Wahl zwischen Unterwerfung oder freiwilliger Verbannung.
Bei allen diesen Unruhen hatte Robert keinen Augenblik seine fernen Entwürfe aus dem Gesicht verlohren. Sein Leben war ununterbrochene Anstrengung; im Kampf mit seiner Nation, deren größter Theil wiederstrebend seine Herrschaft trug, unternahm er es, sie wider ihren Willen zu seinen Zwecken zu bilden. Mitten unter den Stürmen der Rebellion schuf er sich eine Flotte. Die Einwohner von Reggio hatten einen einträglichen Handel an der italiänischen Küste und nach den Inseln des mittelländischen Meeres getrieben; die Schiffe, die er in ihrem Hafen fand, wurden der Anfang der normännischen Seemacht und mit unermüdetem Fleiß bemühete er sich, sie in den besten Stand zu setzen.
Während der Abwesenheit des Herzogs wagte Roger sich zum erstenmahl auf die See. An der Spitze von hundert und sechzig Reutern schifte der kühne Freibeuter auf flachen Booten über die gefährliche Meerenge, schlug die Messineser, die ihn angegriffen hatten, in die Flucht, trieb bis an das Vorgebirge Milazzo Brandschazungen ein, und kehrte, mit Beute bereichert nach Reggio zurück. <33:>
Humen Beg, ein Saracenischer Emir, der von seinem Oberherrn Ben Hamed beleidigt worden, und nach dem festen Lande übergegangen war, begleitete ihn auf diesem Zuge. Von ihm erfuhr Roger genauere Nachrichten von dem innern Zustand Siciliens. Diese fruchtbare Insel, welche seit zwey Jahrhunderten dem Szepter der mahomedanischen Eroberer gehorchte, würde dem Glauben und den Waffen dieser unwiderstehlichen Schwärmer den Weg nach der Hauptstadt des Abendlandes gebahnt haben, wenn nicht das Reich der Caliphen unter seiner eignen Last gesunken wäre. Spanien, Africa und Ägypten hatten sich von dem Thron von Bagdad losgerissen, und die Sicilianischen Emire wurden von ihren africanischen Oberherren unabhängig. Doch blieb die Verbindung mit ihren entfernten Glaubensgenossen noch stark genug, um den Gewerben, dem Handel und den Wissenschaften, die unter den fatimistischen Caliphen in Africa wieder aufgelebt waren, den Eingang in Sicilien zu eröfnen. Die Schule zu Mazara bildete Redner, Ärzte und Mathematiker, und durch einen blühenden Handel hob sich Palermo zu dem Rang einer der mächtigsten Städte am mittelländischen Meere. Aber mit der verbesserten Kultur waren auch alle Laster der Üppigkeit und der Schwelgerey zu den Sicilianern übergegangen, und die Nerven der Regierung in den Händen weibischer Regenten erschlafft. Unfähig des Genusses einer gesetzmäßigen Freiheit zerfielen alle von den Arabern gestifteten Reiche durch Anarchie und Bürgerkrieg, sobald die eisernen Bande des religiösen Despo- <34:> tismus aufgelöst waren, welche den Gehorsam der entfernten Befehlshaber an den Thron des Beherrschers der Gläubigen ketteten. Überall ahmten kleine Usurpatoren das Beyspiel der grösseren nach, auch in Sicilien gab es beynahe so viel unabhängige Emire, als Städte. Feindselig gegen einander und gegen ihr Oberhaupt, den Fürsten Palermos gesinnt, zerrütteten sie durch unaufhörliche innere Kriege die einst so glückliche Insel und versprachen den Waffen Roberts eine leichte Eroberung.
Er stieß im Frühling des folgenden Jahrs 1065 mit einem ansehnlichen Heer zu seinem Bruder, welcher alle Transportschiffe und Fischerkähne der Calabrischen Küste in dem Hafen von Reggio versammlet, und die nöthigen Vorräthe zu dem Feldzuge angeschafft hatte. Aber die Flotte der Messineser hielt die normännischen Fahrzeuge an der Küste eingeschlossen, und hinderte die Überfahrt. Roger sezte mit einem fliegenden Korps von dreihundert auserlesnen Rittern an einem andern Ort über die Meerenge, und überrumpelte Messina, dessen Vertheidiger alle auf den Schiffen waren. Sobald die Saracenische Flotte die Fahne der Normannen von den Mauern der Hauptstadt wehen sah, seegelte sie erschrocken nach Palermo, und Robert empfieng die Schlüssel von Messina noch an dem Calabrischen Ufer.
Beide Brüder drangen nun weiter in der Insel vor, und erhielten eine Botschaft von den Christen des Thals Denona, welche bisher unter der Herrschaft der Mahomedaner gelebt hatten, und sich jezt mit Freuden ihren <35:> Glaubensgenossen unterwarfen. Nur in der Kunst der Belagerungen schienen die Normannen ungeachtet der Bemühungen ihres Anführers noch sehr geringe Fortschritte gemacht zu haben. Ein kleiner Ort, Centorve ohnweit Catanea, widerstand ihrer Tapferkeit, aber in der Ebne des Thals Noto erfochten sie einen wichtigen Sieg über das Heer Ben Hameds, der mit zahlreichen Hülfsvölkern aus Africa ihnen endlich entgegen gekommen war.
Robert, mit dem Besitz von Messina, das ihm zu jeder Zeit den Übergang nach Sicilien sicherte, zufrieden, kehrte wieder nach dem festen Lande zurück, und dehnte seine Eroberungen in den Provinzen der Griechen am Adriatischen Meere aus. Er drang in dem Lande von Otranto bis nach Oria vor, und bemeisterte sich der durch ihren Hafen berühmten Stadt Brindisi. Der Schutz, den die byzantinischen Statthalter bey mehr als einer Gelegenheit seinen Feinden gewährt hatten, gab ihm einen Vorwand sie anzugreifen, und die Ausführung seines festen Plans, sie ganz aus Italien zu vertreiben, wurde nur durch einen Bürgerkrieg aufgeschoben, den er sich durch wiederholte Ungerechtigkeit gegen seinen Bruder zuzog.
Roger hatte durch verschiedne glückliche Streifzüge in Sicilien immer mehr Land und selbst einige feste Plätze gewonnen, aber aus keiner seiner Unternehmungen leuchtete die Absicht hervor, sich der Vasallen-Pflicht gegen seinen Bruder zu entziehen. Um so mehr glaubte er sich berechtigt, den Besitz des Landstrichs, welchen ihm der Herzog feierlich versprochen hatte, zu fodern. Noch immer war <36:> das Schloß Melito sein ganzes Eigenthum, und Robert wich der Erfüllung ihres Vertrags schon seit mehrern Jahren durch leere Entschuldigungen aus. Roger wiederholte jezt seine Foderungen dringender als jemals, weil er sich mit einem Fräulein aus edlem normännischen Geblüt vermählt hatte, und sich schämen mußte, ihrem ansehnlichen Brautschatz nichts als ein armseeliges Bergschloß gegenüberstellen zu können. Aber Robert war gegen jede Vorstellung taub, und der Versammlung des Adels, welcher der gekränkte Roger seine Rechte vorstellte, fehlte der Muth, gegen den gefürchteten Herzog einen Ausspruch zu thun.
Voll Zorns gieng nun Roger nach Melito, und setzte eine Frist von 40 Tagen, nach deren Ablauf er die Waffen gegen seinen Bruder ergriff. Der Herzog säumte nicht, mit einer weit überlegnen Macht gegen ihn auszuziehen, aber er hatte es mit einem Helden zu thun, der seinen Angriff nicht hinter den Mauern einer Festung erwartete, sondern kühn genug war, ihm im ofnen Felde zu begegnen. Selbst ein viertägiges Fieber, welches Rogern befallen hatte, konnte seinen Muth nicht schwächen. Er bemächtigte sich der Pässe des Gebirges, und hinderte seinen Bruder, durch eine vortheilhafte Stellung auf den Höhen, ihm die Zufuhr abzuschneiden. Robert mußte sich nun zu einer beschwerlichen und langweiligen Belagerung entschliessen, deren Geschichte auffallende Beispiele des damals schon unter den Normannen herrschenden Rittergeistes giebt. Die Krieger beider Theile hatten eine Reihe glück- <37:> licher und ruhmvoller Feldzüge miteinander gethan; durch die stärksten aller Bande, der Waffenbrüderschaft und der  Erinnerung an gemeinschaftlich überwundne Gefahren verbunden, stehen sie jetzt feindselig gegen einander. Hier ist es nicht Hofnung der Beute oder die Aussicht auf Eroberungen, welche sie ins Feld führt, es ist das Gefühl der Ehre, welches sie fest an die Vortheile ihrer Anführer kettet; das Verderben des Gegners bleibt nicht mehr der einzige Zweck der Kämpfer und der Krieg veredelt sich zu einem Wettstreit um den Preis der Tapferkeit.
Täglich sieht man die Heere in Schlachtordnung ausrücken, aber ohne handgemein zu werden, begnügen sie sich, gegenseitig ihre Geschicklichkeit in den Übungen des Krieges zu zeigen. Einzelne Ritter sprengen vor, und fodern aus der gegenüberstehenden Schaar einen Bekannten, einen alten Waffengenossen zum Zweikampf heraus. Nur als Zuschauer nehmen die Übrigen an dem Gefecht Antheil, aber dieser ist um so lebhafter, je mehr die Uibung der einzigen Kunst, die sie treiben und ehren, ihre Aufmerksamkeit reizt. Hingerissen von dem anziehenden Schauspiel verstummt der Parteygeist, die Feldherrn selbst theilen gerechten Beifall aus, und nicht selten belohnt das Jubelgeschrey beider Heere die Geschicklichkeit oder den Muth des Uiberwinders.
Der Ruhm allein, im Angesicht so vieler Helden zu siegen, beseelt die Kämpfer, selten greifen sie zu dem Schwerdt, die Lanze entscheidet, und den Überwundenen erwartet ehrenvolle Gefangenschaft. Ohne Verabredung <38:> entstehen die Gesetze der Kampfbahn, und nur ein einzigs Mahl werden sie durch einen unglücklichen Zufall verlezt. Arnold, der Bruder von Rogers Gemahlinn, ein junger, liebenswürdiger Ritter, sinkt, von einem tödlichen Lanzenstoß getroffen, zu Boden. Bey dem Anblick des blutenden Leichnams, den der Sieger mit sich ins Lager nehmen will, reißt der Schmerz die Belagerten hin. Es entsteht ein Streit um den Todten, woran erst nur einzelne Krieger, bald aber die ganzen Heere Theil nehmen. Nach einem hitzigen Gefecht, in welchem viel Blut vergossen wird, bleiben endlich die Belagerten im Besitz der Leiche, aber beschämt, als hätten sie das Heiligthum der Schranken gebrochen, kehren sie mit ihr in die Stadt zurück, und in Roberts Lager fliessen so gut Thränen um Arnolds Tod, als in dem Schlosse Melito.
Der Herzog selbst bedauerte ihn, und bey der Wendung, welche der Krieg nahm, reuete es ihn, zu weit gegangen zu seyn, um jetzt noch mit Ehren zurücktreten zu können. Er hatte nicht die Absicht gehabt, seinen Bruder zu Grunde zu richten, sondern nur, ihn zu unbedingter Unterwerfung zu nöthigen. Eine förmliche Belagerung lag nicht in seinem Plan, er begnügte sich nach damaliger Sitte, die Stadt durch zwey Castelle einzuschliessen, in welchen seine Truppen, gegen Ausfälle gesichert, den Belagerten die Zufuhr abschneiden sollten.
Roger vereitelte aber auch diese Maasregel, indem er mit seiner ganzen Macht bald das Eine, bald das Andre dieser Castelle beunruhigte, und in einer stürmischen <39:> Nacht verließ er mit hundert Reutern die Stadt und erschien vor Girace, dessen Einwohner auf seine Seite traten. Robert brach sogleich mit der Hälfte seines Heeres auf, um seinem Bruder den Rückweg abzuschneiden und die verlohrne Stadt sich wieder zu unterwerfen. Er verfehlte beide Zwecke, Roger war durch Gebirgswege auf einer andern Seite zurückgekehrt und Girace verschloß dem Herzog die Thore.
Ausser sich, über das Mislingen seiner Plane fühlte Robert die Unmöglichkeit, eine neue Belagerung anzufangen, ehe er die erste geendigt hatte. Eben so wenig konnte er sich überwinden, seinen Gegnern, die er mit so vielem Aufwand einzuschliessen suchte, einen so glänzenden Triumph zu lassen. Ihm zum Spott fast unter seinen Augen hatten die Belagerten sich einer fremden Stadt bemeistert; seine Ehre stand auf dem Spiel, und kein Preis schien ihm zu hoch, kein Wagstück zu kühn, um sie zu lösen. Er gieng nur einer noch grössern Demüthigung entgegen.
Ein reicher Grieche in Girace, Basil mit Namen, unterhielt ein geheimes Verständniß mit ihm, und versprach, ihm die Stadt zu verrathen. Robert vergaß seiner Würde, und schlich sich bey Nacht, in eine Mönchskappe gehüllt, in die Wohnung des Griechen, der sogleich mit ihm ausgieng, ihm die schwachen Stellen der Vestungswerke zeigte, und genaue Nachrichten von dem Zustande der Besatzung gab. Erst am frühen Morgen kehrten sie wieder in das Haus zurück, wo Robert bis zum Anbruch <40:> der folgenden Nacht sich verborgen zu halten gedachte. Ein Sklav, durch die Ehrfurcht, womit seine Herrschaft dem fremden Mönche begegnete, aufmerksam gemacht, betrachtete ihn genauer, und erkannte den Herzog. Er entdeckte das Geheimniß einer Frau, mit welcher er im vertrauten Umgang lebte, und in kurzem war es in der ganzen Stadt bekannt. Der Pöbel rottet sich zusammen, und fodert mit wildem Toben die Auslieferung des öffentlichen Feindes. Umsonst versucht der Grieche seine Mitbürger durch Zureden zu besänftigen, ehe noch sein Gast Zeit gewinnt, in eine Kirche zu entfliehen, sind Basil und seine Gattinn Opfer der Volkswuth geworden. Auch Robert wird ergriffen, und zu einem schmählichen Tode fortgerisssen. In diesen fürchterlichen Augenblicken rettet ihn seine Gegenwart des Geistes. Er erblickt unter den von fern stehenden vornehmen Bürgern einige, die ihm bekannt sind; plötzlich ruft er sie bey Namen, schleudert mit Riesenkraft die Nächsten, die ihn halten, zurück, und schreit dem Volke zu, indem er die Mönchskappe von sich wirft: „ja, ich bin Guiscard, aber hütet euch, mir ein Haar zu krümmen, meine Rächer sind auf euern Mauern.“ Der Pöbel stutzt, und glaubt sich verrathen; in dieser Zwischenzeit gelingt es den angesehensten Bürgern, sich der Person des Herzogs zu bemächtigen, und ihn gebunden in ein Gefängniß zu führen, wo er bis zu seiner Hinrichtung, welche das Volk noch immer mit großem Geschrey verlangt, aufbewahrt werden soll.
Nichts gleicht der allgemeinen Bestürzung, welche bey <41:> dieser fürchterlichen Nachricht das Lager ergreift. Im panischen Schrecken bricht ein Theil die Zelte ab, um zu entfliehen, andre wollen in blinder Wuth Sturm laufen. Nur mit Mühe halten die Befehlshaber ihre Truppen von zwey gleich verderblichen Entschlüssen zurück, aber ihnen selbst bleibt keine Zuflucht übrig, als zu der Großmuth Rogers. Eilende Bothen hinterbringen ihm die Gefahr seines Beleidigers. Er erscheint ohne Verzug vor Girace, und erhält leicht von den Bürgern die Auslieferung des gemeinschaftlichen Feindes. Doch kaum hat er das Schloß Melito erreicht, so setzt Roger den Gefangnen in Freiheit.
Kein Mißverständniß stöhrte ferner die Eintracht der Brüder. Der versprochne Antheil an Calabrien und die Eroberungen im Innern von Sicilien waren Rogers Eigenthum geworden, und jeder verfolgte nun auf einer andern Seite seine Entwürfe. Bey den wichtigsten Unternehmungen leisteten sie einander, als zwey durch gemeinschaftliches Interesse innigst verbundne Fürsten, wechselseitigen Beystand, und nur als Oberhaupt der Normannen und als Lehnsherr genoß der ältere Bruder einen Vorzug der Macht und des Rangs vor dem Jüngern.
Robert hatte sein Augenmerk besonders auf die Küsten des adriatischen und ionischen Meeres gerichtet, wo die Griechen, im Besitz der besten Seehäfen und einer Reihe volkreicher und blühender Städte, durch einen drückenden Alleinhandel seine Unterthanen von sich abhängig machten, und jedem Friedensstöhrer und Rebellen eine sichere Zuflucht in ihren Mauern öfneten. Bari war der Sitz des <42:> byzantinischen Statthalters und die Hauptstadt der kaiserlichen Besitzungen in diesen Gegenden. Sich zum Meister dieser Stadt zu machen, und die Griechen auf immer von der apulischen Küste zu vertreiben, war der große Plan, an dessen Ausführung Robert jetzt mit unermüdeter Anstrengung arbeitete.
Sechs Jahre gingen unter den entferntern und näheren Zurüstungen hin. Eine weise Staatsverwaltung befestigte sein Ansehn im Innern, indeß er durch Unterhandlungen und kurze Feldzüge seine Macht auswärts erweiterte. Tarent, Vieste und einige andere Städte, zuletzt selbst Otranto fielen auf diese Art in seine Hände, und auch Sicilien verlohr er nie ganz aus den Augen. Roger kämpfte dort mit ununterbrochnem Glück gegen die Saracenen, und durch Hülfsvölker, die der Herzog ihm von Zeit zu Zeit zuschickte, behielt er sich das Recht auf einen Antheil an den Eroberungen seines Bruders vor. Bey der Belagerung von Palermo erschien er in Person an der Spitze eines mächtigen Heeres, und ob er gleich seinen Zweck nicht erreichte, so hielt er sich doch durch die reiche Beute des flachen Landes, durch eine ansehnliche Colonie, welche er aus Sicilien in einige entvölkerte Gegenden Calabriens versetzte, und durch ein Bündniß mit den Pisanern schadlos. Diese mächtige Republik, deren Handel durch die Seeräuber von Palermo beunruhigt wurde, versprach ihm den Beistand ihrer Schiffe, bey seinen fernern Unternehmungen. Er selbst arbeitete unaufhörlich an der Bildung seines Fußvolks und einer Flotte, ohne welche er <43:> nie die Griechen ganz aus seinem Gebieth zu vertreiben sich schmeicheln durfte. Aber ungeachtet aller Anstrengungen schränkte sich doch immer noch seine ganze Seemacht außer den wenigen Galeeren, welche er in den Häfen von Reggio, Tarent, Otranto und Brindisi bekommen hatte, auf eine Menge, von unerfahrnen Schiffern regierter, flacher Küstenfahrzeuge ein.
Die Bürger von Bari allein besaßen mehr und besser ausgerüstete Kriegsschiffe, als er ihnen entgegenstellen konnte. Stolz auf ihre Anzahl, reich durch einen ausgebreiteten Handel, und voll Vertrauen auf die Festigkeit ihrer Mauern, und ihrer Lage, verhöhnten sie den Herzog, da er im Jahr 1068 zuerst vor ihren Thoren erschien. Er verlangte von ihnen die Einräumung eines festen Gebäudes, der Thurm von Argyrons genannt, welches durch seine Lage auf einer Anhöhe die Stadt beherrschte. Den Bürgern entgieng seine wahre Absicht bey dieser Foderung nicht. Sie zeigten ihm eine Menge goldne und silberne Gefäße, und reicher morgenländischer Stoffe von den Mauern herab, und luden ihn spottend ein, ihre Schätze zu rauben. Robert antwortete ihnen kalt, sie sollten sie nur sorgfältig aufbewahren, er würde nächstens kommen und Rechnung darüber fodern.
Er zauderte auch nicht lange, ihnen deutlichere Proben seines Vorsatzes zu geben. Die Normännische Reuterey breitete sich in den nahe liegenden Feldern aus, und zahllose Fahrzeuge, die er aus allen Seeplätzen Apuliens zusammengebracht hatte, schwärmten am Ufer. Aber diese <44:> leichten Geschwader waren nicht im Stande, gegen die größern Schiffe der Barenser die See zu halten, und die Belagerten sahen gleichgültig auf alle Anstalten herab, die wieder sie gemacht wurden, so lange ihnen noch ihr Hafen die Gemeinschaft mit den Küsten Italiens und Griechenlands, und ihre Schätze den geheimen Beistand der normännischen Großen sicherten.
Roberts Muth fand in jeder Schwierigkeit nur einen neuen Sporn. Er unterdrückte eine von den Griechen unter seinen eignen Blutsverwandten veranlaßte Empörung, ohne seine Reuterey, welche der Stadt die Gemeinschaft mit dem festen Lande abschnitt, zurückzuziehen, und entwarf einen kühnen Anschlag sie auch von der Seite des Meeres einzuschließen. Ein schmaler Landstrich, der sich in die See hinaus erstreckte, bildete einen kleinen Meerbusen, in dessen Vertiefung der Hafen von Bari lag. Robert ließ im folgenden Frühjahr von dem festen Lande, unterhalb der Stadt bis an die Spitze der Erdzunge eine Reihe von Fahrzeugen Anker werfen, die er durch Balken und eiserne Ketten verband. Über der Mitte und an beiden Enden dieser schwimmenden Linien, erhoben sich hölzerne Thürme, seine Krieger gegen den Angriff der Feinde zu decken, und durch Zugbrücken hiengen die verschiednen Abtheilungen unter einander und mit dem festen Lande zusammen.
Die Bürger, welche diesen Einfall anfangs verlacht hatten, erschraken, da sie das gigantische Werk vollendet sahen, und nun auch ein neuer Thurm auf der Spitze der <45:> Erdzunge den Belagerern einen sichern Posten in ihrem Rücken gab. Eine Menge nahe am Lande versenkter Bäume und Steinmassen sollte dem schwankenden Gebäude die Grundlage aus der Tiefe des Meeres herauf thürmen, und die eingesperrten Barenser beschlossen, um jedem Preis die schwimmende Vestung zu vernichten. Aber ihre Schiffe konnten in dem engen Raum weder aus ihrer Größe noch aus der beßern Bauart Vortheil ziehen, und beym Entern, wo eine Menge kleiner Fahrzeuge sich an ein grösseres hieng, so wie bey jedem Kampf in der Nähe, waren ihnen die Normannen überlegen.
Es wurde lange und mit grosser Erbitterung von beiden Seiten in dem Meerbusen gekämpft, und Roberts Werke gewannen immer mehr Festigkeit. Aber die Elemente, welche bisher gegen die Belagerten gestritten hatten, begannen auf einmahl ihnen günstig zu werden. Ein anhaltender Seewind hatte ihre Unternehmungen gehemmt, die Stürme des Herbstes bereiteten der schwimmenden Brücke den Untergang. Das empörte Meer riß die Fahrzeuge von ihren Ankern, und wälzte die Lasten, welche den Hafen verstopfen sollte, fort. Stephan Pateranus, der neue Katapan, der mit dem Titel Sebastophoros gleich beym Anfang der Belagerung von Constantinopel gekommen war, nützte den Augenblick der Verwirrung. Er verließ mit einem frischen Landwinde den Hafen und segelte die erschütterte Brücke in den Grund. Robert sah mit Verzweiflung vom Ufer das Meer mit Leichen und den Trümmern seiner herkulischen Arbeit be- <46:> deckt, nach wenig Momenten flammte sein Thurm auf der Erdzunge in die Höhe, und er fand sich am Ende eines mühevollen Feldzugs wieder auf den Punkt zurückgebracht, wo er ihn angefangen hatte.
Durch alle diese Fehlschläge überzeugt, daß nichts in der Welt ihm den Mangel einer Kriegsflotte ersetzen könnte, sandte Robert wiederholte Botschaften an seinen Bruder, alle Unternehmungen in Sicilien aufzuschieben, und die Schiffe von Reggio und Messina nebst allen andern, die er in Sold bekommen könnte, auf das schleunigste zu seinem Dienst auszurüsten. Er selbst beschloß, auch den Winter über von der Landseite den Belagerten keine Ruhe zu gönnen. Mit unermüdetem Eifer wurde an den Maschinen gearbeitet, Steinschleudern, Mauerbrecher, bewegliche Thürme und Sturmdächer giengen aus den Händen der Werkmeister hervor. Überall war Robert zugegen, munterte die Arbeiter auf, legte selbst Hand an, und hatte gleich dem gemeinsten Reuter kein Obdach in der stürmischen Jahrszeit, als eine Hütte von Baumzweigen.
Auch die Belagerten waren nicht müßig gewesen. Stephan Pateranus hatte die Werke der Stadt verstärken und den Hafen räumen lassen, und gleich nach der Zerstöhrung der schwimmenden Brücke waren die leichtesten Fahrzeuge nach der Griechischen Küste geeilt, um den Abgang des versprochnen Entsatzes von Constantinopel aufs dringendste zu betreiben. Keine Art der Gegenwehr schien der griechischen Staatskunst unerlaubt gegen einen Feind, <47:> der sich die größte Mühe gab, eine Partey in der Stadt durch Versprechen und Drohungen zur Verrätherey zu bewegen. Ein Bürger von Bari, der sich erboth, durch die Ermordung des Herzogs den Drangsalen seiner Vaterstadt ein Ende zu machen, wurde als ein neuer Scävola verehrt. Mit einem Wurfspieß bewafnet, und in der Kleidung eines Sklaven, wagte er sich eines Abends in das feindliche Lager. Seine unbefangne Miene und sein ruhiger Gang erweckten keinen Verdacht, man hielt ihn für einen von Roberts Dienern, und er kam ungehindert bis an die Hütte, wo der Herzog mit einigen seiner Ritter sich zur Abendmahlzeit gelagert hatte. Der Barenser umgieng die Hütte, schob an der Rückwand die Zweige leise auseinander, und warf seinen Spieß. Aber entweder hatte seine Hand gezittert, oder ein Ast sie im Wurfe verrückt; der Spieß streifte blos Roberts Schulter, und heftete ihn mit dem Gewande am Boden fest. Bestürzt sprangen die Ritter auf, und setzten dem fliehenden Mörder nach, aber er entkam durch die Flüchtigkeit seiner Füße, und verbreitete in der Stadt die Nachricht von dem Tode des Herzogs.
Robert eilte, sich dem erschroknen Heere zu zeigen, und nahte sich den Mauern, indem er den Belagerten zurief, er lebe, und werde sich an den Meuchelmördern zu rächen wissen. Um ihn gegen ähnliche Angriffe zu sichern, baueten seine Soldaten ihm nun ein hölzernes Haus, und die Erbitterung gab ihnen neue Kraft zur Vollendung der Arbeiten. Die Stadt war im Frühjahr durch einen gedoppelten Erdwall umschlossen, die Maschinen rückten <48:> heran und bestürmten die Mauern, und die Nachricht, daß Roger, der mit unermüdetem Eifer seine Aufträge ausgerichtet hatte, mit einer ansehnlichen Flotte den Hafen von Reggio verlassen habe, erfüllte die Seele des Herzogs mit den lebhaftesten Erwartungen.
Die Fahrt durch das Ionische Meer wurde glücklich zurückgelegt, und ein Jubelgeschrey der Normannen verkündigte der Stadt ihr Schicksal, als Rogers Wimpel das Lager des Herzogs begrüßten. Nach einer kurzen Unterredung kehrte der jüngere Bruder auf sein Element zurück, und bewachte den Hafen der Stadt, indeß der Ältere immer näher und heftiger ihren Mauern zusetzte. Aber jetzt lief durch Eilbothen die Nachricht ein, daß man auf der Höhe von Otranto die griechischen Seegel erblickt habe, und eines ihrer leichtesten Fahrzeuge täuschte die Wachsamkeit Rogers, um mit dem Statthalter von Bari die nöthigen Zeichen zu verabreden. Der Normann Goscelin, der nach der lezten Empörung sich an den Hof des Kaisers Romanus Diogenes gerettet hatte, war der Anführer der feindlichen Schiffe. Durch einen Ausfall der Belagerten zu Wasser und zu Lande unterstützt, wollte er bey Nacht die Flotte der Normannen überfallen, die Gemeinschaft der Stadt mit dem Meere wieder eröfnen, und eine ansehnliche Verstärkung und Lebensmittel, woran es ihr am meisten gebrach, in ihren Mauern zurücklassen, aber widrige Winde hielten ihn auf, und der Statthalter gab seine Signale zu früh. Drey Nächte hinter einander bemerkte Roger eine Menge brennender Fackeln auf allen <49:> Thürmen von Bari, und errieth leicht, daß dieses ein verabredetes Zeichen seyn müsse. Er war auf seiner Huth, und da er in der vierten Nacht sichre Kundschaft eingezogen hatte, gieng er mit allen seinen Schiffen, die gleich den Thürmen der Stadt erleuchtet waren, in die See. Bald verrieht ihm der ferne Schimmer die Annäherung der griechischen Masten, er fuhr mit äuserster Stille auf sie zu, und sie ließen ihn, durch das Zeichen an seinen Schiffen getäuscht, ungehindert heran nahen. Sobald er die Galeere des Admirals, die an der größern Anzahl ihrer Lichter kenntlich war, erreicht hatte, grif er sie plötzlich an, ohne ihr Zeit zu irgend einer Bewegung zu lassen. Eben so unerwartet hiengen sich seine übrigen Schiffe an die nächsten der feindlichen, die in sorgloser Sicherheit einhersegelten. Die Eroberung des AdmiralSchiffes entschied den Sieg. Der Rest der Flotte rettete sich nach der epirotischen Küste, und die erste Seeschlacht der Normannen wurde mit dem glänzendsten Erfolge gekrönt.
Goscelin, der in die Hände der Überwinder gefallen war, blieb bis an seinen Tod im Gefängniß. Die Freude des Herzogs war so groß, als die Bestürzung der belagerten Stadt, die nun keine Hülfe mehr erwarten durfte. Eine bisher unterdrückte Parthey, welche für die Übergabe gestimmt hatte, wurde bald die stärkste, und Robert, einer mehr als dreyjährigen Belagerung überdrüßig, gewährte den Bürgern sehr günstige Bedingungen. Die griechische Besatzung erhielt nebst ihrem Befehlshaber freien Abzug, und gegen einen mäßigen Tribut, und die Ver- <50:> pflichtung zu Lande und zur See Kriegsdienste zu leisten, blieb die Stadt im Besitz der Freiheiten, welche sie unter dem Scepter des Kaisers genossen hatte.
Robert theilte nun mit keiner auswärtigen Macht mehr die Herrschaft über Apulien, der Schlüssel zur Wiedereroberung der italiänischen Provinzen war den Griechen entrissen, und der einzige Ort, der den unzufriednen Baronen Unterstützung oder eine Freistatt gab, in den Händen des Herzogs. Aber den größten Vortheil, den er aus seiner Eroberung zog, gewährte ihm die Flotte, nach welcher er so lange gestrebt hatte. Sie wurde sogleich wieder in den besten Stand gesetzt, und noch vor dem Ende des Jahrs 1071 führte er sie nach Sicilien. Roger, welcher dahin vorausgegangen war, vereinigte sich mit ihm bey Catanea; ein ausgesprengtes Gerücht, daß er eine Unternehmung gegen Malta vorhabe, machte die Sicilianer sicher, und ohne den geringsten Widerstand zu finden, schloß er plötzlich Palermo zu Wasser und zu Lande ein.
Die Belagerung dauerte fünf Monathe, und alles nahm einen weit rascheren Gang als vor Bari. Die Saracenen, kühner als die Griechen, wagten es, ihren Feinden im freien Felde entgegen zu gehn, und ihre häufigen Ausfälle kosteten den Normannen viel Blut. Die Belagerten waren zu stolz, ihre Thore zu schließen, und täglich kamen einzelne Kämpfer und foderten die Tapfersten von ihren Gegnern heraus. Die junge normännische Ritterschaft hatte dabey Gelegenheit, ihren Muth im Angesicht beyder Heere zu zeigen, keiner aber zeichnete sich <51:> mehr aus, als einer der Neffen des Herzogs. Er hatte unter dem offnen Stadtthor einen jungen arabischen Emir im Zweikampf erlegt, und als er mit dem Schild des Getödteten zurückkehren wollte, waren die Bürger unredlich genug, ihm den Rückweg zu den Seinigen zu versperren. Ohne seine Beute fahren zu lassen, sprengte er mit verhängtem Zügel quer durch die Stadt, und entkam, ehe man ihn aufhalten konnte, aus dem entgegengesetzten Thore. Eine Flotte aus Tunis kam den Belagerten zu Hülfe, aber Robert belebte den Muth der Seinigen durch die Verheißung übermenschlicher Hülfe in einem heiligen Kriege gegen die Feinde des Glaubens. Er ließ Messe lesen, und nahm mit seinem ganzen Heere feyerlich das Abendmahl, ehe er die Flotte bestieg. Dann segelte er mit achtundfünfzig Schiffen dreist der überlegnen Seemacht entgegen, und schlug sie. Die Flotte von Palermo, welche sich mit den Afrikanern vereinigt hatte, floh in den Hafen zurück, die Normannen verfolgten sie, sprengten die vorgezogene Kette, und verbrannten mehrere Schiffe im Angesicht der Stadt.
Dennoch verlohren die Bürger den Muth nicht. Sie wagten einen allgemeinen Ausfall, zerstörten die Maschinen der Belagerer, und trieben ihr ganzes Fußvolk in die Flucht. Zu ihrem Unglück entfernten sie sich zu weit beym Nachsetzen, und Robert, der an der Spitze seiner Reiterey herbey geeilt war, schlug sie mit großem Verlust in die Stadt zurück. Er versuchte es, selbst mit den Fliehenden hinein zu dringen, und die Belagerten sahen sich ge- <52:> zwungen, ihre Thore zu schließen. Eine Menge von Sarazenen, die noch draussen waren, wurden niedergehauen, und die Besatzung dadurch beträchtlich geschwächt. Robert versammlete nun seine Truppen, und hielt auf dem Wahlplatz eine Rede, worin er Lob und Tadel mit gleicher Gerechtigkeit austheilte. Das kriegerische Feuer seiner Worte machte einen so heftigen Eindruck auf das Heer, daß Alle, Griechen, Longobarden und Normannen, mit lautem Geschrey den Sturm foderten. Ihr Wunsch wurde gewährt; am folgenden Tage that Roger am Ufer des Meeres den ersten Angriff. Sobald der Herzog wahrnahm, daß der größte Theil der Besatzung sich dorthin gezogen hatte, stürmte er das entgegengesetzte Thor, erstieg die Mauer, und machte sich zum Meister der Neustadt. Die Sarazenen hielten sich nur noch vier und zwanzig Stunden in der Altstadt; Gewissensfreiheit und die Erlaubnis nach ihren Gesetzen zu leben, wurden ihnen bey der Capitulation zugestanden, und Robert weihete nun die Moschäen zu christlichen Kirchen, setzte einen Erzbischof ein, und erbauete ein Castel, in welches er Besatzung legte. Ein billiger Vergleich bestimmte die Grenzen des Gebieths beyder Brüder, auf immer. Roger nahm ganz Sicilien, in dessen Innern die Sarazenen noch Meister verschiedner fester Orte waren, von dem Herzog zu Lehn, und dieser behielt sich blos den gemeinschaftlichen Mitbesitz von Messina und Palermo vor. Die eisernen Thore der letzteren Stadt, und einige aus dem Alterthum gerettete Marmorsäulen nahm er als Siegeszeichen mit nach den festen Lande, um seinen Pallast zu Melfi dadurch zu verschönern. <53:>
Überhaupt fieng er jezt an, in den Zwischenzeiten des Friedens den Glanz eines mächtigen Fürsten zu zeigen, so wenig er sich im Kriege weigerte, nicht nur die Gefahren, sondern auch die Beschwerden und Unbequemlichkeiten des Geringsten unter seinen Reutern zu theilen. Sein Hofstaat zu Melfi wurde bald sehr zahlreich, alle Grossen Apuliens eilten dahin, ihrem Lehnsherrn zu der Eroberung zweier mächtiger Hauptstädte Glück zu wünschen, und sein Ansehn schien zu einer Höhe gestiegen zu seyn, wo es keinen Wechsel des Glücks mehr befürchten durfte. Die grösten Fürsten buhlten um seine Freundschaft, und selbst der Stolz der byzantinischen Monarchen glaubte durch eine nähere Verbindung mit ihm sich nicht herabzusetzen. Eine Gesandschaft des Kaisers Michael warb um Roberts Tochter für den im Purpur gebohrnen Caesar, Constantin Dukas. Die Prinzessin wurde mit allen pomphaften, bey solchen Gelegenheiten üblichen Gebräuchen des Kaiserhofes abgeholt, und bekam bey ihrer Ankunft in Constantinopel den Namen Helena.
Aversa, die älteste Pflanzstadt der Normannen in Italien, hatte sich nie zu der Macht erheben können, welche der jüngere Staat in Apulien unter den Söhnen Tancreds erreichte. Die Unterwerfung von Capua, woraus die Longobardischen Fürsten endlich ganz verdrängt wurden, war die einzige Eroberung, welche Richards lange Regierung auszeichnete. Den Fortschritten Roberts setzte selbst das Meer keine Schranken, der Graf von Aversa war durch seine Lage an der Gränze des päbstlichen und <54:> kaiserlichen Gebiethes gehemmt. Er vereinigte sich jetzt mit dem Herzog in einem Kriege gegen Gisulph, den Fürsten von Salerno, der im stolzen Vertrauen auf die Freundschaft des römischen Hofes, mit gleicher Unbesonnenheit den Unwillen seiner Unterthanen und die Eroberungssucht seiner Nachbarn gereizt hatte. Aus Achtung gegen den Pabst nahmen die beiden Fürsten der Normannen die Vermittelung des Abts Desiderius von Monte Casino an, aber Gisulph, durch den Rath Abälards, der sich mit ihm in die Stadt geworfen hatte, aufgehezt, verwarf mit trotzigem Ungestüm jede Bedingung.
Gregor VII war nur furchtbar in weiter Entfernung. Europa beugte die Knie vor ihm, aber ohne Macht in Rom selbst, und von den unruhigen Baronen seiner Hauptstadt gedrängt, sah er sich ausser Stande, seinen Freund zu retten. Salerno ergab sich dem Herzog, und Gisulph, des Erbtheils seiner Väter beraubt, beschloß als ein Kostgänger des Pabstes sein Leben. Robert war während der Belagerung durch einen aus der Stadt geschleuderten Stein auf der Brust verwundet worden. Aber sobald er sich nur aufrecht erhalten konnte, erschien er wieder an der Spitze seiner Krieger, und unterwarf sich, ohne die Belagerung von Salerno zu unterbrechen, den durch seine Schiffahrt nach allen Küsten des Mittelmeers und durch seinen ausgebreiteten Handel berühmten Freistaat von Amalfi.
Ungeachtet der freundschaftlichen Verbindung, welche Robert unter dem Pontificat Nicolaus des Zweiten mit dem römischen Stuhl errichtet, und des erneuerten Lehns- <55:> Eides, welchen er Alexandern dem Zweiten geleistet hatte, war doch durch manche Ursachen das gute Vernehmen gestöhrt worden. Man bezeugte sich äuserlich noch die gröste Achtung, man ließ es an keinen Freundschaftsversicherungen fehlen, aber das Zutrauen war verschwunden, und jeder Theil schien zu fühlen, daß der andere sich für beleidigt halten könnte. Der Sturz eines Fürsten, den Gregor begünstigte, mußte diesen nothwendig kränken, und Robert, dessen Staatskunst die wirklichen Beleidigungen mit seinen öffentlichen Ehrfurchtsversicherungen gegen den römischen Stuhl in ein künstliches Gleichgewicht zu setzen wußte, suchte jetzt durch wiederholte Bothschaften sich dem heiligen Vater wieder zu nähern; zufrieden, wenn auch die Klugheit Gregors seine Absichten durchschaute, doch das Urtheil des Volkes dadurch für sich zu gewinnen.
Der Eifer, mit welchem er den Bau eines neuen Gotteshauses in Salerno betrieb, überzeugte jedermann von seiner grossen Frömmigkeit, und zu allen Zeiten hatte er sich bemüht, den Abt und die Mönche von Monte Casino sich zu verbinden. Reiche Geschenke waren das sicherste Mittel, die Gunst der Klosterherren zu erlangen, und Robert versäumte nicht, sie nach jeder seiner Eroberungen an der Beute Antheil nehmen zu lassen. Freigebig mit Gold, reichen Stoffen oder kostbaren Seltenheiten, hütete er sich jedoch, ihre Macht durch Länderschenkungen zu vermehren. Die Art, mit welcher er seine Opfer darbrachte, und die sinnreichen Anspielungen, welche darunter verstanden wurden, erhöheten ihren Werth. Für die Unter- <56:> stüzung ihrer Gebete überreichte er ihnen nach seiner ersten Seeschlacht das goldne Modell eines Schiffes; ein griechisches mit Perlen und Edelsteinen beseztes Gewand folgte auf die Eroberung von Bari, und von seinem Sicilianischen Zuge brachte er ihnen dreizehn reich gekleidete Sarazenen, auf eben so vielen prächtig aufgepuzten Maulthieren reitend, und Persische Teppiche mit. Die Geldsummen, welche diese Geschenke begleiteten, wurden allemahl in den Münzsorten der so eben von ihm besiegten Feinde ausgezahlt. Auch jetzt, bey der Einweihung seiner Kirche, in welcher er den ganzen Körper des heiligen Mathäus mit grosser Andacht niederlegte, bekamen die Mönche einen neuen Beweis seiner Freigebigkeit. Ein ganzes Armbein, welches man dem Evangelisten abgelöset hatte, wurde in kostbare goldne Kapseln gefaßt. Robert, und seine Söhne trugen jeder ein Stückchen davon, den Rest überbrachte er mit anderen reichen Gaben in Person dem Kloster Casino dem Kloster Casino, und empfahl sich auf das dringendste dem Schutz der frommen Väter.
Von ihren Seegenswünschen begleitet, eilte er nach Calabrien, um die Stadt Santa-Severina zu belagern, wohin sich Abälard nach der Eroberung von Salerno geflüchtet hatte. Er fand hier einen unerwarteten Widerstand. An der Spitze eines Haufens von Abentheurern und Verbannten, die gleich ihrem Anführer nichts mehr zu verlieren hatten, that Abälard wüthende Ausfälle, schlug die stürmenden Belagerer zurück, und machte sie am Ende so muthlos, daß Robert sich begnügen mußte, <57:> die Stadt durch Linien einzuschliessen, und Verstärkungen aus Apulien kommen zu lassen. Auch jetzt siegte Verzweiflung über die Tapferkeit der grössern Anzahl, und Robert war im Begriff, die Belagerung aufzuheben, als das Glück, welches die Söhne Humphreds verfolgte, den jüngsten von ihnen, Herrmann in dem Schlosse Cava bey Salerno in die Gewalt seines Oheims lieferte. Abälard setzte der Bruderliebe jede andre Bedenklichkeit nach, er übergab die Stadt zum Lösegeld für Herrmanns Freiheit, aber der Herzog bediente sich eines unedlen Kunstgriffs, um seine unglücklichen Neffen zu täuschen. Er hatte versprochen, den jüngeren Bruder loszulassen, sobald er auf dem Berge Gargano würde angekommen seyn, und als ihn der Ältere an sein gegebnes Wort erinnerte, antwortete er mit bitterm Spott: Er sey nicht gesonnen, in den nächsten sieben Jahren den Gargano zu besuchen. Abälard verbiß seinen Schmerz, nahm aber die erste Gelegenheit wahr, zu entweichen, und warf sich in das Schloß Santa Agatha an der äusersten Spitze Calabriens. An diesem Orte, wo er aus Griechenland Hülfe erwarten konnte, hielt er eine neue Belagerung aus, und Robert sah sich endlich doch genöthigt, den Gefangnen frey zu lassen, um dafür Santa Agatha wieder zu bekommen.
Auf seinem Rückwege erhielt er zu Troja einen Besuch von dem jungen Hugo von Este, der mit seinem Vater, dem Markgrafen Azo gekommen war, in Person um Roberts zweite Tochter zu werben. Der Herzog feierte diese Vermählung mit ausserordentlicher Pracht. Die <58:> Grossen der Normannen wurden an den Hof berufen, und mit ihrer Einwilligung sagte er seine Tochter dem Prinzen von Este zu. Diese Feierlichkeit, welche die junge Fürstin zu einer so wichtigen Person für das ganze Land machte, beleidigte die Baronen, noch mehr aber die ansehnlichen Beiträge, die sie auf Roberts Verlangen zu der Aussteuer geben mußten. Sie kehrten mißvergnügt auf ihre Schlösser zurück, und das Feuer des Aufruhrs, welches immer in der Asche fort geglimmt hatte, schien nur des leisesten Hauches zu bedürfen, um fürchterlich durch alle Provinzen auszubrechen.

(Die Fortsezung folgt.)


1.
Robert Guiscard
Herzog von Apulien und Calabrien.
Fortsetzung.


Aber Robert, voll Zuversicht auf sein Glück, achtete nicht auf die Warnungen, welche er von allen Seiten erhielt. Durch die Freundschaft des ersten Prälaten in seinem Lande, und den mächtigen Einfluß der Casinensischen Mönche gesichert, war er kühn genug, abermals dem höchsten Oberhaupte der Kirche zu trotzen. Schon während der Belagerung von Salerno hatte er die Neutralität des Gebiets von Benevent, auf welches der Pabst gegründete Ansprüche zu haben glaubte, bey mehr als einer Gelegenheit verletzt, und war dafür mit dem Bann bedrohet worden. Weit entfernt, sich dadurch schrecken zu lassen, suchte er vielmehr sich an dem heiligen Vater durch einen Einfall in das mittlere Italien zu rächen. Seitdem er die Griechen über das Meer zurückgetrieben hatte, ließ er die Ab- <2:> sicht, seine Eroberungen bis zu der Hauptstadt der Welt auszudehnen, nicht undeutlich merken. Richard von Aversa wurde sein Bundsgenosse, und die Väter zu Casino vergaßen ihrer Mönchspflicht, indem sie ihm auch zu diesem Zuge den Beystand ihrer Gebethe versprachen. Die beiden Fürsten drangen nun in der Campagne von Rom, und in der Mark Ankona vor, und der erzürnte Gregor sprach 1078 während der Fasten in einer versammelten Synode den Fluch über sie aus. Wirksamer zu seiner Rettung war aber das Hülfsheer, welches seine Freundin, die mächtige Mathilde gegen die Normannen abgesendet hatte. Robert hielt es doch nicht für rathsam, seine Truppen gegen die von dem Pabst geweihten Waffen der Tuscier zu führen, indeß in seinem Rücken die unzufriednen Großen nur auf den günstigen Augenblick warteten, das Volk gegen ihn zu empören. Er kehrte zurück und schloß plötzlich Benevent ein, dessen letzter longobardischer Fürst, Landolph VI, vor kurzem gestorben war.
Roberts Entfernung und die Schwierigkeiten der unternommenen Belagerung begünstigten die Entwürfe der gegen ihn aufgebrachten Edlen; seine Politik, das Volk durch unaufhörliche Kriege zu beschäftigen, schien ihre Wirkung ganz verfehlt zu haben. Die Normannen waren nicht mehr die vorigen Abentheurer, denen das Schwerdt allein den Unterhalt gab, sie waren wohlhabende Grundbesitzer geworden, und wollten sich jetzt im ruhigen Genuß der Güter erfreuen, die sie und ihre Väter mit Blut und zahllosen Beschwerden so theuer erkauft hatten. Die Erobe- <3:> rung Siciliens war für sie von geringen Vortheilen gewesen, die Plünderung von Bari ihnen versagt worden, und der Seedienst, zu welchem der Herzog sie zu bewegen suchte, ließ sie neue Entwürfe ahnen, welche sie chimärisch nannten, und von denen, auch bey dem glücklichstem Erfolg, nicht sie, sondern Er allein Vortheil ziehen würde. Der herzogliche Titel wurde ihm von neuem zum Verbrechen gemacht und Robert dem Volke als ein Tyrann vorgespiegelt, der die alte, von den tapfern Eroberern Apuliens eingeführte Verfassung umgestürzt, und das Oberhaupt ihres Freistaats hinterlistig von seiner Stelle verdrängt hätte. Die Sanction des Pabstes, auf welche er allein seine Rechte gründete, war verwirkt, er hatte seinem Wohlthäter mit Undank gelohnt, und durch wiederholte Beleidigungen den Fluch der Kirche über sein Haupt gezogen. Drohend zog sich das Ungewitter zusammen, Richards Tod beförderte den Ausbruch; Jordan, sein Sohn, versöhnte sich mit der Kirche und entsetzte Benevent, indem er alle Maschinen Roberts bey einem glücklich gelungenen Überfall zerstöhrte.
Dies war das Signal zum allgemeinen Aufruhr. Überal loderte die Flamme der Rebellion, und der Seegen Gregors heiligte die Fahnen der Empörer. Abälard erschien, furchtbarer als jemals, an ihrer Spitze. Für seine Person nie besiegt, nur durch Roberts Ränke um den letzten Rest seines Erbtheils betrogen, machte das Opfer, welches er der Bruderliebe gebracht hatte, ihn dem Volke nur noch theurer. Graue Krieger, die unter Humphreds <4:> Anführung für die Freiheit gekämpft hatten, verließen den ruhigen Heerd, um die Rechte ihres gekränkten Lieblings zu verfechten. Auch die großmüthigen Handlungen des Herzogs wurden vergeßen; die Barone, die bey früheren Empörungen seine Huld erfahren, viele, die seiner Freigebigkeit ihre Besitzungen zu danken hatten, selbst die von ihm mit Wohlthaten überhäuften Söhne seiner Brüder und Schwestern vereinigten sich mit den mächtigsten Städten zu seinem Verderben. In ganz Apulien waren die Bürger von Giovenazzo die Einzigen, die ihm eine unwandelbare Anhänglichkeit zeigten, ungeachtet sie ihre Kinder als Geissel in den Händen der Rebellen lassen, und eine schwere Belagerung aushalten mußten. Der größte Theil der übrigen wankte zwischen beiden Parteyen, und die festen Schlösser der Edlen schienen den Fortschritten Roberts von Benevent bis in das Herz der empörten Länder eine undurchdringliche Mauer entgegen zu setzen.
Nur durch beyspiellose Thätigkeit, nur durch eine kluge Berechnung seiner Kräfte, der Macht seiner Gegner und ihrer verschiednen Privat-Absichten, durch die Kenntniß ihres Charakters, und vorzüglich durch seine eben so schnellen als richtig abgemeßnen Bewegungen gelang es ihm, den Sturm zu beschwören, der ihn vernichten sollte.
Ein Glück für ihn, vielleicht die Folge weiser Vorsicht war es, daß er sein Heer noch vor Benevent versammelt fand. Es hatte in seiner Abwesenheit eine Niederlage erlitten, seine Erscheinung belebte den Muth der Truppen wieder. So groß war sein persönliches Ansehn, und so <5:> mächtig die Furcht, vor dem einzelnen Mann, daß ganze Haufen, die im Begriff standen, sich zu entfernen, jetzt bey ihren Fahnen blieben, und ihm durch ihre Gegenwart den District ihrer Heimath bürgten. Er gieng sogleich mit ihnen über Melfi bis an den Bradano vor, ließ hier, in der Mitte zwischen den empörten Ländern, den größten Theil seiner Armee zurück, und eilte blos mit den leichtesten Geschwadern der Reuterey nach Consenza, welches er in fürchterlicher Gährung antraf. Seine unvermuthete Gegenwart schreckte die Parthey der Rebellen, deren Anführer die Stadt verließen. Robert versicherte sich der Treue der Bürgerschaft, nahm eine Menge Fußvolk mit, und rückte mit den Truppen am Bradano vereinigt, ungesäumt gegen Bari, den Hauptsitz der Empörer vor. Ein Theil ihres Heers war mit der Belagerung von Giovenazzo beschäftigt, und der Herzog kam den zerstreuten Rebellen so plötzlich über den Hals, daß sie nicht Zeit hatten, ihre Macht auf Einen Punkt zu versammeln. Abälard rückte ihm jedoch mit den Truppen der Städte entgegen, aber es war ein Unglück für seine Partey, daß gerade der beste ihrer Feldherrn die schlechtesten Soldaten hatte. Aus Neid oder Eigensinn wollte jeder Baron seine Vasallen in Person, und nach seinem eignen Plan anführen, und machte dadurch die tapfersten Krieger unbrauchbar für die gemeine Sache. Die Miliz der Städte konnte dem Angrif der Normännischen Reuterey nicht widerstehn. Dennoch hielt Abälard durch eine kluge Anordnung lange das Treffen im Gleichgewicht, bis er von eine Lanze verwundet vom <6:> Pferde sank. Bey dem Gerücht von seinem Tode ergriff das Heer die Flucht, und ob er gleich bald nachher wieder zu Pferde erschien, so konnte er doch die Weichenden nicht eher, als unter den Mauern von Bari sammlen.
Robert, mit diesem Erfolg zufrieden, ging nach Giovenazzo, den Einwohnern für ihre Treue zu danken. Er erließ ihnen auf immer die Hälfte des Tributs und beruhigte die Bürger über das Schicksal ihrer Kinder, indem er ihnen versicherte, daß der Befehlshaber des Schlosses, wo die Geisseln aufbewahrt wurden, bereits mit ihm in Unterhandlung stehe. Seinem Plane getreu, nur die Mächtigsten unter seinen Gegnern anzugreifen und durch Überraschung ihrer Vereinigung zuvor zu kommen, flog er, so schnell als das Gerücht seines Sieges von einer Küste zur andern. Die Flamme der brennenden Schlößer verkündete seinen Marsch durch die mittelländischen Gegenden, und der alles vergrößernde Ruf verbreitete Abälards Tod und den völligen Untergang der apulischen Rebellen. Zu Salerno stiegen die sicilianischen Hülfsvölker ans Land, der bestürzte Jordan wagte es nicht den Angrif des Überwinders abzuwarten, und bat durch seine Gesandtschaft um Frieden.
Von dieser Seite gesichert, wendete sich Robert wieder gegen die entfernten Provinzen, und bekämpfte die Empörer nur einzeln, und Schritt vor Schritt. Indem er jetzt nur langsam vordrang, ließ er ihnen Zeit, sich zu besinnen, und zeigte in der einen Hand Verzeihung, in der andern fürchterliche Rache. Durch Verstümlung, ewiges Gefängniß oder den Tod bestrafte er alle, die unter <7:> den Waffen gefangen wurden, die Reuigen aber behandelte er mit äuserster Schonung. Er sahe sich nur selten zur Strenge gezwungen; Abälards eigner Schwiegervater übergab Bari nach einer kurzen Gegenwehr, und dieser unglückliche Fürst rettete sich mit seinem Bruder und den vornehmsten unter seinen Anhängern nach Constantinopel. Mistrauen trennte die noch übrigen Häupter der Rebellion, sie eilten, einander durch freiwillige Unterwerfung zuvor zu kommen, und wenigstens durch das Verdienst der früheren Rückkehr einen Theil ihrer Besitzungen zu retten.
Kein Feind in Roberts Staaten durfte jetzt mehr das Haupt gegen ihn erheben, und er hoffte durch kräftige Masregeln, und indem er die Macht der Barone durch den Verlust ihrer festen Schlösser brach, sich auch in Zukunft gegen ähnliche Gefahren zu sichern. Bey der Vermählung seiner dritten Tochter Mathilde, mit dem Grafen Raymund von Barcellona und Provence wurden die verlangten Geschenke mit wetteifernder Bereitwilligkeit dargebracht. Entfernte Fürsten suchten seine Verwandschaft, die Gesandten der größten Monarchen warben um seine Gunst. Heinrich IV, der schon als Kind auf die Throne von Deutschland und Italien erhoben worden war, und den sein erbitterter Kampf mit dem Oberhaupt der Kirche so berühmt gemacht hat, trug ihm ein enges Freundschaftsbündniß an, und die Belehnung mit dem Gebieth von Termo in der anconitanischen Mark, welches Robert dem Pabst entrissen hatte, sollte das Siegel der neuen Verbindung seyn. <8:>
Gregor gerieth bey dieser Nachricht in die heftigste Bestürzung. In dem Moment, wo er im Begrif war, das stolze Gebäude, das er unter der Regierung seiner vier Vorgänger entworfen und aufgeführt hatte, zu vollenden, sah er sich auf dem Punct, die Früchte jahrelanger Arbeit durch einen unvorgesehnen Zufall zu verlieren. Zwey große Zwecke hatte er sich zum Ziel gesetzt, die Unabhängigkeit der Kirche von der weltlichen Macht zu gründen, und das Scepter des abendländischen Kaiserthums als ein Lehn des heiligen Stuhls zu vergeben oder zurückzunehmen. Beide zu erreichen wagte er Freiheit und Leben. Während der Minderjährigkeit Heinrichs waren große Fortschritte gethan worden, jetzt kam alles darauf an, das gewonnene Feld gegen den aufs äuserste gebrachten Gegner zu behaupten. Von den Baronen seiner Hauptstadt ins Gefängniß geworfen und persönlich gemishandelt, in Todesgefahr bey jedem Auflauf des Volks, schleuderte er Bann und Fluch gegen den König; von einer Kirchenversammlung in Deutschland abgesetzt, wagte er es unerschrocken, den mächtigen Heinrich seiner Kronen verlustig zu erklären. Umsonst vereinigten sich die Bischöffe Deutschlands und der Lombardey mit dem König wider einen Pabst, der mit unerbittlicher Strenge gegen die Simonie eiferte, und die Priester zur Ehelosigkeit zwang; Gregor fand in dem Ehrgeiz der deutschen Fürsten ein stets bereitwilliges Werkzeug zur Ausführung seiner kühnen Entwürfe, und die Freundschaft der Gräfin von Tuscien sicherte ihn gegen die Angriffe seiner lombardischen Feinde. Schon triumphirte der Pabst, denn <9:> Heinrich kämpfte in Deutschland mit dem Gegenkönig Rudolph von Schwaben, und war nicht im Stande seine Anhänger in Italien zu unterstützen, aber Robert befand sich gleich ihm im Bann der Kirche, er hatte durch feindselige Unternehmungen die Rache Gregors gereizt, und Rebellion war in Apulien wie in Deutschland die Folge des päbstlichen Fluchs gewesen. Was war natürlicher, als daß die gemeinschaftliche Feindschaft eine enge Verbindung zwischen dem König und dem Herzog knüpfen mußte?
Gregors Politik und die Klugheit Roberts, der über die Gegenwart hinaussah, und die Folgen eines Schritts, der für immer entscheidend seyn konnte, genau erwogen hatte, täuschten die Erwartung des Königs. Der Pabst beschloß um jeden Preis die Vereinigung zweier Fürsten zu hindern, die durch ihre Macht und die Lage ihrer Besitzungen, nicht nur seine persönliche Sicherheit, sondern auch die Gewalt des römischen Stuhls in Gefahr bringen, und den Nachfolger des Apostels zu dem Range eines Bischoffs herabsetzen konnten. Einer von ihnen mußte gewonnen werden, und die Wahl wurde dem heiligen Vater nicht schwer. Er duldete die Mishandlungen seiner Barone, er konnte dem Herzog der Normannen, seinem Vasallen, eine Beleidigung verzeihen, aber dem Könige von Deutschland und Italien, dem gefürchteten Bewerber um die Kaiserkrone, durfte er keinen Fußbreit weichen.
Der Abt von Monte Casino, der schon seit einiger Zeit an einer Aussöhnung zwischen dem Pabst und dem Herzog gearbeitet hatte, bekam nur weitläufige Aufträge <10:> von dem heiligen Vater. Er übernahm es, die gefürchtete Verbindung zu hintertreiben, und Robert, so vortheilhaft ihm auch der Antrag des deutschen Königs scheinen mußte, überzeugte sich doch, daß die Freundschaft Gregors für ihn von noch weit größerem Nutzen sey. Wie leicht konnte Heinrich, wenn es ihm gelungen war, die Macht des heiligen Stuhls zu unterdrücken, auf den Einfall gerathen, die alten, noch nicht verjährten Rechte des Kaiserthrons auf das untere Italien geltend zu machen? Und welche erwünschte Gelegenheit, das Joch des Herzogs abzuschütteln, würde dadurch nicht den Grossen der Normannen dargebothen werden? Alle Ansprüche Roberts gründeten sich auf das Geschenk der Päbste, mit ihnen mußten auch seine Rechte fallen. Und überhaupt fand er es auch bequemer, der Vasall eines Geistlichen, der keine vollziehende Gewalt besaß, als eines weltlichen Fürsten zu seyn, dem die Macht ganzer Königreiche zu Gebothe stand. Alle die Gründe unterstützten die Vorstellungen des Abtes, und der Antrag des deutschen Monarchen wurde mit einer höflichen Entschuldigung abgelehnt.
In diesen Verhältnissen konnte die Aussöhnung nicht anders als aufrichtig seyn, aber das Ansehn des römischen Stuhls mußte gedeckt, die ersten öffentlichen Schritte mußten von Roberts Seite gethan werden. Eine Reise des heiligen Vaters nach Benevent im Jahr 1080 gab zu einer Zusammenkunft Gelegenheit. Zu Acquino führte Desiderius den Herzog in das Zimmer des Pabstes, der seinen Fußfall nicht annahm, sondern ihn sogleich aufhob, um- <11:> armte, und neben sich sitzen ließ. Alle Umstehende traten aus Ehrfurcht zurück, und Robert hatte eine lange geheime Unterredung mit dem Nachfolger des Apostels. Gregor versprach ihm das Patriciat der Stadt Rom, und soll ihn sogar zu der Krone von Italien, die er dem verbannten Heinrich entreissen, und überhaupt von dem deutschen Königreich trennen wollte, Hofnung gemacht haben.

So bald die geheimen Artikel des Vertrags berichtigt waren, wurden die Anwesenden eingeladen, an der Unterredung Theil zu nehmen. Robert erhielt unbedingte Absolution, leistete dem Pabst den Huldigungseid, und versprach die festgesetzte Abgabe zu entrichten. Er blieb im Besitz des Fürstenthums Benevent, die Stadt behielt der römische Stuhl. Bey der feierlichen Belehnung wählte der kluge Gregor eine Formel, wodurch er über den Hauptpunkt des Streits hinglitt, ohne jedoch der Kirche ihre Rechte zu vergeben. Nachdem er die Provinzen genannt hatte, welche schon durch seine Vorfahren den Normannen zugesichert waren, setzte er hinzu: „In denen Ländern aber, welche du mit Unrecht besitzest, als in dem Fürstenthum Salerno, in Amalfi und einem Theil des Gebieths von Termo, dulde ich dich jetzt mit Ergebung, und im Vertrauen auf Gottes Allmacht und deine Rechtschaffenheit.“

Ungeachtet dieser festen Verbindung weigerte sich Robert dennoch mit dem deutschen König zu brechen, und behauptete auch im folgenden Jahre, da Heinrich seinen <12:> Gegner in Deutschland besiegt, und in Italien das Heer der Gräfin Mathilde geschlagen hatte, die strengste Neutralität. So wenig er sich durch die angebothne Freundschaft Heinrichs, der von Ravenna aus die Unterhandlungen erneuerte, und sogar eine Heirath zwischen seinem Sohn Conrad und einer der Töchter des Herzogs vorschlug, hinreißen ließ, so wenig waren die Entwürfe des Pabstes im Stande ihn zu blenden. Die Krone Italiens, welche der heilige Vater ihm versprochen hatte, konnte seinem Ehrgeiz schmeicheln, aber die Schlüsse Gregors schienen ihm nichts weniger als untrüglich. Wenn es ihm auch gelungen wäre, die Widersetzung der Italiener zu besiegen, so sah er doch voraus, daß er ihren Wankelmuth nur so lange, als kein neuer Bewerber sich ihm entgegenstellte, würde beherrschen können. Seit dem Zeitalter der Ottonen betrachteten die Deutschen die Krone Italiens als das Erbtheile ihrer Könige, und die Römer sowohl als die Lombarden zogen die unsichere Herrschaft eines entfernten Oberhaupts der nachdrücklichen Regierung eines einheimischen Monarchen vor. Heinrich stand siegreich an den Grenzen des römischen Gebieths, und nichts widerlegte die kühnen Behauptungen des Pabstes deutlicher, als seine dringenden Bitten um Hülfe. Robert wußte, daß in Deutschland allein die furchtbare Macht des Königs gebrochen werden konnte, aber ihr in Italien Schranken zu setzen, durfte vielleicht bald nothwendig werden. Er beschloß, auf keinen Fall den Pabst ganz sinken zu lassen, für jetzt aber den Streit noch von ferne zu beobachten, und <13:> die Vortheile, die daraus für ihn erwachsen konnten, von der Zeit und den Umständen zu erwarten.
Seine Absichten waren auf einen andern Gegenstand gerichtet, die Eroberung des morgenländischen Kaiserthums schien seinem Ehrgeiz ein erhabneres Ziel als der unsichre, von den Deutschen bestrittne Besitz der Krone Italiens. Die byzantinischen Monarchen beherrschten nur noch einen kleinen Theil von den Reichen Justinians, aber auch in diesem gesunknen Zustande übertraf das griechische Kaiserthum an Ausdehnung und Volksmenge die mächtigsten Staaten Europas. Vor dem Schwerdt der Ungläubigen hatten sich aus den verlohrnen Ländern die reichsten Einwohnern mit ihren Schätzen, ihren Künsten und Gewerben nach dem Mittelpunkte des Reichs gerettet, ein betriebsames Volk bewohnte die Provinzen von Thracien, Macedonien und Griechenland, die asiatische Küste des schwarzen und ägeischen Meeres, und die zahlreichen Inseln des Archipelagus, alle Vortheile des Bodens, des Clima’s und der Lage vereinigten sich den Wohlstand dieser Länder zu erhöhen, und die ungeheure, noch nie eroberte Kaiserstadt beherrschte noch immer den Handel der drey Welttheile.
Unermeßliche Summen flossen jährlich in die kaiserliche Schatzkammer, und die unumschränkte Gewalt des Monarchen setzte ihn in den Stand, alle Hülfsquellen des Staats zu dem dringendsten Bedürfniß anzuwenden. Die Mauern von Constantinopel allein umschlossen eine zahlreichere Mannschaft, als die Normannen bey der äuser- <14:> sten Anstrengung in allen ihren Provinzen aufbringen konnten, und die Unternehmung, ein so mächtiges Reich mit den geringen Mitteln, die dem Herzog zu Geboth standen, umstürzen zu wollen, schien auf den ersten Anblick abentheuerlich, ja beinahe unmöglich. Aber Robert ließ sich durch den Schein nicht abschrecken, er hatte seine Kräfte und den Widerstand, den er zu finden erwarten konnte, genau berechnet, und hielt sich des glänzendsten Erfolgs versichert. Auf die Schwäche einer fehlerhaften Staatsverfassung, auf den schlechten Zustand der griechischen Kriegsheere, und auf den entnervten Charakter eines tief gesunknen Volkes gründete er seine Hofnungen. Keine Provinz des byzantinischen Reichs hatte sich gegen die verheerenden Einfälle der Barbaren schützen können, und die Hauptstadt selbst war gewohnt, einen feindlichen Angriff lieber durch Geld abzukaufen, als ihm die Tapferkeit ihrer Bürger entgegen zu setzen. Die Leichtigkeit, womit die Griechen ihre Schätze erwarben, und die Gewisheit, daß die Summen, womit sie ihre Sicherheit bezahlten, durch die mannichfachen Kanäle des Handels ihnen in kurzem wieder zuströmen mußten, machten sie verschwenderisch mit ihren Reichthümern, aber karg mit ihrer Person. Sie scheueten den Tod mehr als Schande, Beschwerden mehr als Sclaverey. Längst hatte die Weichlichkeit eines üppigen Volks sich beynahe ganz dem Kriegsdienst entzogen, die Vertheidigung der Grenzen, der Hauptstadt und des Monarchen selbst war Fremdlingen anvertraut, die stets bereit standen, ihr erkauftes Schwerdt, für den beßern Be- <15:> zahler zu ziehn. Die Spiele des Circus und die Zänkereien der Priester waren die leidenschaftliche Beschäftigung der Bürger von Constantinopel geworden; ein Volk, das ruhig seine besten Fürsten von nichtswürdigen Usurpatoren verdrängen sah, und es nicht wagte, einen Schatten von Freiheit gegen das drückendste Joch blutdürstiger Tyrannen zu behaupten, kämpfte im wüthenden Tumult um den Vorzug seiner Lieblinge auf der Rennbahn, oder die verschiedne Auslegung einer dunkeln Schriftstelle, und unbekümmert, welchem entfernten Oberhaupt ihre Satrapen gehorchten, folgten die sclavischen Provincen geduldig dem Beispiel der Hauptstadt, oder den Gebothen eines nahen Befehlshabers.
Alle Kraft war aus dem Charakter des Volks und aus der Verwaltung des Staats gewichen; den Schein der Hoheit darzustellen, war die große Kunst der Regierung. Der Despot selbst, an dessen Willkühr Glück und Leben von Millionen hieng, gehorchte als ein Sclav dem Ceremoniel seines eignen Pallastes, und zitterte bey der Lästerung eines Priesters, die seine Rechtglaubigkeit zweifelhaft machte, bey der geringsten Unzufriedenheit seiner ausländischen Leibwachen, oder der Nachricht von dem verdächtigen Betragen eines entfernten Statthalters. Mönche, Weiber und Verschnittne theilten die Würden des Staats und der Armeen aus, und die Intriguen des Pallastes hoben Verbrecher auf den Thron und stießen Monarchen in’s Kloster. Selbst den bessern unter den Kaisern blieb unter dem gedoppelten Zwang des Glaubens und der <16:> Etiquette, und im gefährlichen Kampf mit den Verschwörungen der Höflinge und den Factionen der Hauptstadt weder Zeit noch Macht übrig, die Mängel des Staats zu verbessern oder den eindringenden Feinden sich entgegen zu stellen.
Fürchterlicher als jemals zerrütteten die vereinten Übel des innern Verderbens und auswärtiger Anfälle das griechische Kaiserthum, nach dem Abgang der männlichen Nachkommen Basils des Macedoniers. Die kurzen Regierungen des ersten Komnenes und Romanus Diogenes waren vorübergehende Sonnenblicke, welche die Laster einer Reihe unwürdiger Regenten nur noch auffallender machten. Verachtet von seinen Unterthanen beschäftigte sich Michael Dukas mit den Spitzfündigkeiten sophistischer Untersuchungen in den Schulen des Psallus, unterdeß der Kornwucher seiner Günstlinge ihm einen schimpflichen Beinamen zuzog, und der Thron eines türkischen Sultans zu Nicäa die Majestät der Nachfolger Constantins höhnte. Michael wurde durch die Rebellion der Anführer seiner Heere des Purpurs beraubt, aber Nicephorus Botaniates hielt das Scepter in eben so schwachen Händen als sein Vorgänger, und die Provinzen auf beiden Seiten des Bosphorus, an der Donau und im Innern Griechenlands seufzten unter den verheerenden Einfällen der Scythen und Türken, und unter den Zerrüttungen eines unglücklichen Krieges gegen vier empörte Feldherren.
Diesen Zeitpunkt wählte Robert, das wankende Kai- <17:> serthum anzugreifen, seine Zurüstungen waren vollendet, und Michaels Fall, mit welchem auch Konstantin, der Tochtermann des Herzogs, vom Thron stürzte, gab ihm den Vorwand zum Kriege. Die Beute der Rebellen hatte seinen Schatz bereichert, und er wendete zwey volle Jahre an, seine Landmacht und seine Flotte in einen furchtbaren Zustand zu setzen. Ungeheure Vorräthe von Proviant und andern Kriegsbedürfnissen wurden auf die Lastschiffe geladen, und die völlig fertigen Belagerungsmaschinen durften nur zusammengesetzt werden, um sogleich zum Gebrauch fähig zu seyn. Aus den Häfen des adriatischen, des jonischen und sicilischen Meeres giengen neugebaute Galeeren hervor, bey Otranto warf eine ragusanische Hülfsflotte die Anker, und die zahllosen Seegel der flachen Fahrzeuge bedeckten den Meerbusen von Tarent.
Aber vergebens bemühte sich Robert, durch Freigebigkeit und große Verheißungen den Normannen Lust zu dieser Unternehmung zu machen. Der Besitz des schönsten Landes in Italien schien ihre Wünsche befriedigt zu haben, es bedurfte eines noch nicht erfundnen Sporns, sie ohne Widerwillen aus ihren blühenden Pflanzungen zu treiben. Eine kleine Anzahl vom Geist der Eroberung angefeuerter Jünglinge ausgenommen, folgten die Übrigen ihm halb gezwungen in ein fernes, durch Meere von ihnen getrenntes Land. Sein Vorsatz wurde dadurch nicht erschüttert; überzeugt, daß die, welche jetzt ungern auszogen, an dem griechischen Ufer doch tapfer fechten würden, eilte er zur Ausführung. Von ungefähr, oder auf seine Veranstaltung <18:> erschien zu Salerno ein Mönch, der sich für den in ein Kloster gestoßnen Kaiser Michael ausgab. Er wurde in öffentlicher Versammlung gehört, und flehte mit Thränen und Seufzern um Schutz und um Rache an seinen Verfolgern. Bey dem Vater der Prinzessin Helena, die sein Unglück theilte, glaubte er seine Absicht am sichersten zu erreichen, und er hätte keinen glücklichern Zeitpunkt wählen können, als den, wo sein Rächer schon im Begriff war, ihm zu Hülfe zu eilen. Zwar wollten verschiedne Normannen, die ehemals an Michaels Hofe gewesen waren, seine Züge in dem Mönch nicht wieder erkennen, aber die Art, wie Robert ihn empfieng, legte jedermann Stillschweigen auf. Mit dem Purpur bekleidet bewohnte er die schönsten Zimmer des Herzoglichen Pallastes, und man bediente ihn mit aller der Ehrfurcht, die allein das Schicksal des erhabnen Flüchtlings erleichtern konnte. Mit einem Pomp, den Robert selbst in seinen Feldzügen nie gekannt hatte, wurde er nach Otranto geführt, und überall dem staunenden Volke gezeigt.
Ein Gesandter gieng voraus, um seine Wiedereinsetzung auf den constantinopolitanischen Thron zu fodern. Er fand das Scepter schon nicht mehr in der Hand, die es dem unglücklichen Michael entrissen hatte. Durch die Klugheit und Tapferkeit seines ersten Feldherrn war Nicephorus Botoniates dem Verderben entrissen worden, womit ihm die Empörung mächtiger Nebenbuhler drohete, aber Undank und die Misgunst der Höflinge machten den Beschützer des Throns zum Rebellen. Alexius Komne- <19:> nes behielt nur zwischen dem Untergang oder der Krone die Wahl; er hatte seine Hauptstadt erobert, seine Festungen und Provinzen mußte er den Misvergnügten entreißen, um sie gegen Türken und Normannen zu behaupten. Glücklichere Umstände konnten Roberts Unternehmung nicht begünstigen. Er eilte, die letzten Masregeln zu nehmen, und für die Ruhe seiner Staaten während einer langen Abwesenheit zu sorgen. Zu Otranto stellte er Rogern, den erstgebohrnen Sohn seiner zweiten Gemahlin Gaita, dem Volke und den versammleten Baronen, als seinen Nachfolger in der Regierung und ihren Regenten während des Feldzuges vor. Politik noch mehr, als Nachgiebigkeit gegen seine Gemahlin, bewog ihn, den jüngern Bruder dem Ältern, den Sohn der Longobardischen Prinzessin dem Sohne Alveradens vorzuziehen. Die Liebe der Eingebohrnen sollte das Scepter eines von mütterlicher Seite aus ihrem edelsten Blut abstammenden Fürsten unterstützen. Der heldenmüthige Bohemund konnte gleich seinem Vater sich ein Erbtheil erkämpfen, und war vielleicht grade jetzt im Begriff, sich eine Krone zu erwerben.
Er gieng mit funfzehn Galeeren voraus, die Küste von Albanien und der Insel Corfu zu untersuchen, und einen Platz zur Landung zu bestimmen. Weder Truppen, noch Kriegsschiffe widersetzten sich ihm, das erschrockne Landvolk unterwarf sich, oder floh bey seiner Annäherung. Er nahm Butrinto ein, Corfu that keinen Widerstand, und Robert konnte sein Heer in voller Sicherheit übersetzen. Hundert und funfzig flache Fahrzeuge trugen jedes zwey- <20:> hundert Mann, Robert selbst fuhr an der Spitze von dreizehnhundert normännischen Rittern über, und führte, gleich den übrigen sein Pferd am Zügel. Der kriegerische Pomp des Übergangs, die Menge der Fahrzeuge, die bey hellem Wetter auf dem Meer hinglitten, und die stolze Begleitung der Galeeren gaben das prächtigste Schauspiel. Hingerissen von Enthusiasmus stieß das Heer ein Freudengeschrey am feindlichen Ufer aus. Vergessen waren alle Sorgen der Heimath, Heldengefühl belebte jede Brust, und Robert zog die glücklichste Vorbedeutung aus der allgemeinen Freude der Krieger.
Ihre ersten Fortschritte waren eine Kette von Eroberungen; Aulon öfnete dem Sieger die Thore, die ganze Seeküste erkannte seine Gesetze, nur Durazzo allein schien seinem raschen Gange ein Hinderniß entgegensetzen zu wollen. Alexius, der diesen Ort mit Recht als den Schlüssel seiner westlichen Provinzen betrachtete, hatte das Einzige, was ihm in der Verwirrung seiner Angelegenheiten möglich war, gethan, indem er einen erfahrnen Feldherrn, Georg Palaeolog, als Befehlshaber dahin abschickte. Die ihm anvertraute Stadt einem verdächtigen Kommandanten zu entreißen, ohne Geld und ohne Truppen den Angriffen der Feinde zu widerstehn, war der schwere Auftrag, den Georg glücklich ausführte. Die Mauern wurden in der Geschwindigkeit ausgebessert, die Bürger übernahmen selbst die Vertheidigung, und in einer hartnäkigen Gegenwehr bewiesen sie, daß der Muth der alten Epiroten auf ihre späten Nachkommen fortgeerbt war. <21:>
Robert eilte, sie einzuschließen. Der Marsch in einem durchschnittnen Lande würde das Gepäck und die schweren Maschinen zu lange aufgehalten haben, die See war ruhig, und bey dem heitersten Wetter seegelte die Flotte an der Küste hin. Schon hatte sie die Hälfte der Fahrt zurückgelegt, als plötzlich ein in dieser Jahrszeit ungewöhnlicher Sturm sich erhob. In einem Augenblick waren die Schiffe zerstreut. Eine Menge der belasteten Fahrzeuge versank im ofnen Meere, die glücklichern scheiterten am Gestade. Mit Mühe entgieng die Galeere des Herzogs dem Schiffbruch. Der Wuth des tobenden Wetters ausgesetzt, stand er auf einem Vorgebirge, und sah mit bitterm Schmerz den Verwüstungen des Orkanes zu. Die Trümmern der ungeheuern Zurüstung schwammen auf dem Meere, die schäumenden Wellen spielten mit Leichnamen und Menschen und Pferden, und mit der Arbeit mehrerer Jahre. Alle seine Maschinen waren vernichtet, seine Vorräthe versunken oder unbrauchbar geworden, und ein großer Theil der Mannschaft hatte den Tod in dem furchtbaren Elemente gefunden.
Sieben Tage brachte er zu, die Überbleibsel aus dem Schiffbruch und die Geretteten zu sammlen. Den Muth der Niedergeschlagnen wieder zu beleben, war seine erste Sorge; seinen Verlust zu ersetzen, mußte Bohemund nach Italien übergehn. Neue Fahrzeuge wurden in den apulischen Häfen erbauet, und die beschädigten ausgebessert. Die verschlagnen Galeeren kehrten in den Hafen von Aulon zurück, und wurden durch später angekommne aus Dal- <22:> matien und Sicilien verstärkt; frische Truppen stießen zu dem Heere, das jetzt sich tiefer ins Land zog, um den schädlichen Ausdünstungen der Leichen am Ufer zu entgehn.
Es rückte nun ohne Verzug vor Durazzo, und Robert ließ die Bürger auffodern sich ihrem rechtmäßigen Monarchen zu unterwerfen. Unter Pauken und TrompetenSchall und von singenden Chören umgeben, zeigte sich der Mönch an den Mauern, aber der Spott der Einwohner trieb ihn zurück. Besser glückte der Betrug bey dem geängsteten Landvolk, das unbekümmert, ob Michael der wahre Kaiser sey, oder nicht, begierig sich seinem Schutz unterwarf. Georg Palaeolog sandte Eilbothen an den Kaiser, den Entsatz zu beschleunigen, und ihn zu überzeugen, daß die Absicht der Feinde nicht blos auf einen räuberischen Streifzug, sondern auf die wirkliche Eroberung des Landes gerichtet sey. Alexius war von Allem entblößt; ohne Geld und ohne Truppen mußte er in seiner Entschlossenheit, und in einer klugen Anwendung der ungebrauchten Kräfte des Staats die Mittel zur Rettung suchen. Ehe er noch die Krone auf seinem Haupt befestigt hatte, wagte er es, die Schätze der Kirchen zur Besoldung des Heeres anzuwenden, das sein thätiger Geist beinahe aus dem Nichts hervorrief. Mit den Venetianern unterhandelte er um Schiffe, mit den Türken um Hülfsvölker. Die ersteren ließen sich lange erwarten, aber Eifersucht auf die neue Seemacht der Normannen, und reiche Geschenke des Kaisers, überzeugten die Republik von der Nothwendigkeit <23:> ihrem entfernten Schutzherrn beyzustehn, und in kurzer Zeit erschien ihre Flotte an der epirotischen Küste.
Bohemund seegelte ihr kühn entgegen, und der Erfolg des ersten Tages hob den sinkenden Muth seiner Normannen, die in den glücklichen Wohnsitzen Apuliens ihr altes Handwerk der Freibeuterey lange vergessen hatten. Aber die Beherrscher des adriatischen Meeres ließen sich durch einen kleinen Verlust nicht niederschlagen. Sie lagen die Nacht in Schlachtordnung vor Anker, und erneuerten am folgenden Tage den Angrif. Ihre vorspringenden Flügel droheten die Flotte Bohemunds zu umzingeln, die höhere Bauart ihrer Schiffe, war dem Wurf des Geschützes günstig, und von ihren hervorragenden Castelen prallten die Spieße der Gegner ohne Wirkung ab. Schwere, von der Höhe herabgeworfene Klötze, zertrümmerten Bohemunds Schiffe, seine Galeere borst mitten entzwey, und er stürzte von einem dichten Pfeilhagel überschüttet ins Meer. Schwimmend rettete er sich auf ein andres Schiff, den Kampf zu erneuern, aber seine erschroknen Bundsgenossen ruderten dem Ufer zu, viele ihrer Galeeren wurden eine Beute der Sieger, und Robert, der zu gleicher Zeit einen Ausfall der Besatzung zu bekämpfen hatte, mußte einen Theil seiner Landmacht an das Gestade vorrücken lassen, um mit dem Geschütz die andringenden Venetianer zurückzutreiben. Eine dicke Rauchwolke, die plötzlich in seinem Rücken aufstieg, verkündigte ihm neues Unglück. Paläolog hatte seine Abwesenheit benutzt, um das Lager anzugreifen, das zurückgebliebne Fußvolk nahm die Flucht, <24:> und nur mit der größten Anstrengung konnte ein Theil des Gepäcks und der noch unvollendeten Maschinen gerettet werden.
Schlag auf Schlag folgte jetzt ein Unfall dem andern. Mit der Herrschaft des Meers kehrten auch die eroberten Inseln unter den Gehorsam des Kaisers zurück, die Venetianischen Schiffe bewachten die Küsten, und weder Verstärkung an Mannschaft noch Lebensmitteln konnten aus Italien herüber gebracht werden. Mit beiden wurde die belagerte Stadt reichlich versehen, und Paläolog wagte es jetzt mit glücklichem Erfolg, den Belagerern auch die Zufuhre auf dem festen Lande abzuschneiden. Hunger wüthete in Roberts Lager, eine tödliche Seuche war die unmittelbare Folge davon, und in der kurzen Zeit von drey Monathen wurden fünfhundert Ritter und über zehntausend Gemeine von dem fürchterlichen Übel hingeraft.
Bey allen diesen Widerwärtigkeiten blieb Robert allein unerschüttert, das allgemeine Elend kränkte ihn, ohne ihn zu beugen. Er gieng in den Gezelten umher, tröstete die Leidenden, suchte den Muth der Gesunden wieder aufzurichten, und theilte seinen sparsamen Vorrath mit den Kranken. Die Arbeiten der Belagerung wurden mit unermüdetem Eifer fortgesetzt. Den Winter über verschanzte sich der Rest des vor kurzem so furchtbaren Heeres in der Entfernung eines Pfeilschußes von der Stadt, und neue Maschinen giengen unter den Händen der fleißigen Werkleute hervor. Ein ungeheurer Thurm, groß genug, um fünfhundert Krieger zu fassen, stand endlich auf Walzen <25:> im Gleichgewicht. Langsam wurde er gegen die Mauer hingeschoben, und eine ausgesuchte Schaar erwartete das Zeichen, aus der Fallthür hervorzubrechen. Aber in jeder Art der Kunstfertigkeit, waren die Griechen den Normannen überlegen; Paläolog hatte den Bau des Thurms von ferne betrachtet, ein schweres, mit Eisen beschlagnes Balkenstück lag auf seiner größten Steinschleuder bereit. In dem Augenblick, wo die Fallthür niedersank, schmetterte der abgeschoßne Balken sie in Trümmern, und ehe noch der Schaden verbessert werden konnte, loderte das hölzerne Gebäude, mit künstlichem Feuer überschüttet, in die Höhe.
Ein letzter Versuch, sich die Herrschaft des Meeres oder wenigstens freye Gemeinschaft mit Italien wieder zu erkämpfen, fiel eben so unglücklich aus. Die Venetianer vernichteten Roberts Flotte; keine Mannschaft, keine Lebensmittel, nicht einmahl Nachricht konnte aus der Heimath herüberkommen, Hunger und Krankheit wütheten unter den Belagerern fort, und das Gerücht von der Annäherung des Kaisers, an der Spitze eines unzählbaren Heeres, schlug den Muth der durch so manchen Unfall geschwächten Normannen völlig nieder.
Schon die Namen der Völker, welche unter Alexius Fahnen sich versammelt hatten, verbreiteten Schrecken und Verzweiflung. Es waren nicht blos weichliche Griechen, sondern die tapfersten Völker des Nordens, die in der Mitte dieses durch den Ruf unendlich vergrößerten Heeres fochten. Die Leibwachen der Varangier und Scandinavier, <26:> der fabelhaften Nationen der baltischen Küste, deren Andenken sich in den Sagen und Volksliedern der Normannen erhalten hatte, machten den Kern der kaiserlichen Kriegsmacht aus. Dänen und Britten, von dem Schwerdte der nordischen Eroberer aus ihren entfernten Wohnsizen vertrieben, erschienen hier, an den Brüdern ihrer Überwinder die Schmach des Vaterlands zu rächen; gleiches Unrecht und neuere Beleidigungen hatten mit ihnen die Ausgewanderten aus Roberts Staaten verbunden. Die rauhen Bewohner Bulgariens waren durch ihre fanatische Tapferkeit, und eine hartnäkige Geduld in den härtesten Beschwerden berühmt, und die, durch ihre Pfeile den gedrängten Haufen so furchtbare türkische Reuterey, schwärmte auf allen Seiten um die Armee des Kaisers. Mehr durch persönlichen Muth, und die Pracht ihres Aufzuges, als durch kriegerische Talente zeichnete sich die Jugend des Hofes aus, und die Veteranen, die in Asien gegen die Türken gefochten hatten, vergrößerten die fürchterliche Macht, welche in steter Schlachtordnung durch die Ebnen Macedoniens heraufzog.
Alexius hatte seine Masregeln so gut genommen, daß der Ruf von seiner Annäherung ihm nur um wenige Tage vorausflog, und ehe die Normannen sich noch von dem ersten Schrecken erholt hatten, erschienen die türkischen Reuter schon auf dem nahen Gebirge.
Der Herzog verbarg dem versammleten Kriegsrath keineswegs die Größe der drohenden Gefahr. Ein gefangner Anführer leichter Truppen, der sich zu weit gewagt hatte, <27:> gab eine genaue Nachricht von der Stärke des Feindes, die sich ohne alle Übertreibung doch auf 70,000 Mann belief. „Ihr wißt nun alles“, setzte Robert hinzu, „es bleibt uns keine Wahl, wir müssen sterben oder siegen. Einigkeit und strenger Gehorsam allein können uns retten. Um den Feigen auch den Gedanken der Flucht zu benehmen, ist mein Rath, wir verbrennen unser befestigtes Lager, unser Gepäck und unsre Schiffe. Der Sieg giebt uns alles wieder, wo nicht, so überhebt uns der Tod aller Bedürfnisse. Den Feind wollen wir hier auf dieser Stelle erwarten.
Die kalte Größe dieser Rede that ihre Wirkung. In der dringenden Gefahr verstummte jede Regung der Misgunst, eine allgemeine Beistimmung huldigte der Überlegenheit des Herzogs, und die Flamme der brennenden Schiffe verkündigte den edelmüthigen Entschluß der Helden.
Der Schimmer zahlloser Wachtfeuer erfreuete in der Nacht die belagerte Stadt, mit der Hofnung ihrer nahen Befreiung, und ließ die Normannen die Ausdehnung des feindlichen Lagers beurtheilen. Alexius hatte den Befehlshaber von Durazzo zu sich berufen, und gleichfalls Kriegsrath gehalten. Paläologus war der Meinung, mit dieser überlegnen Armee, die ein fruchtbares Land hinter sich hatte, die Pässe des Gebirges besetzt zu halten, mit der Flotte alle Zufuhr über das Meer abzuschneiden, und durch Hunger und unaufhörliche Angriffe der leichten Reuterey, den Feind aufzureiben. Mehrere der erfahrensten Feldherren unterstützten diesen Rath, aber der Unwillen der Prin- <28:> zen und Edlen von Alexius Hofe überstimmte sie. Die kühne Jugend forderte dringend die Schlacht, und überzeugte den Kaiser, daß es schimpflich sey, sie auch nur Einen Tag zu verschieben.
Robert war mit 15,000 Mann, dem Rest seiner ganzen Macht, über einen Fluß gegangen, der ihn von der Stadt trennte, sein rechter Flügel dehnte sich bis an das Meer aus, der linke lehnte sich an eine Kette von Hügeln. In dieser Stellung wünschte er den Angriff zu erwarten, aber ein von des Kaisers Armee abgeschickter Haufen, der mit der Besatzung von Durazzo vereinigt, seine linke Seite zu umgehen drohete, zwang ihn, sich jenseits der Hügel zu setzen. Er mußte durch einen engen Paß gehen, wo er den Pfeilen der türkischen Bogenschützen blos gestellt war, und indem seine Reuterey sich wieder ausbreiten wollte, brachte sie selbst, das vor ihr durchgegangne Fußvolk in Unordnung. In diesem Augenblick warfen die kaiserlichen Leibwachen sich auf den verwirrten Haufen, und stürzten ihn theils auf den Paß, theils gegen den Fluß zurück. Die Brücke war abgebrochen, und der fliehende Schwarm drängte nun nach dem Meere zu, wo er von den Venetianischen Schiffen mit einem Hagel von Steinen und Pfeilen empfangen wurde. Die Bürger brachen aus der Stadt hervor, und drängten die Wache des wenigen noch übrigen Gepäcks in den Fluß, oder gegen das von allen Seiten bestürmte Fußvolk. Gaita, Roberts Gemahlin, die hier zurückgeblieben war, gerieth in die größte Gefahr. Mit einem, über ihr Geschlecht erhabnen <29:> Muth, suchte sie die Fliehenden zu sammlen, und wieder in das Gefecht zurückzuführen; Ein Pfeil verwundete sie an der Schulter, ihr Pferd stürzte, schon waren die Feinde im Begriff, sie nach den Fahrzeugen hinzuschleppen, als sie noch mit Mühe durch ihre tapfre Bedeckung gerettet wurde.
Robert, der sich bey dem Abbrechen der Brücken, und um den Rücken des Heers gegen die Ausfälle der Belagerten zu decken, verweilt hatte, befand sich mitten in dem engen Paß, als ein Theil des zersprengten Fußvolks sich auf die noch im Durchzug begrifne Reuterey warf. Durch die Kraft der von beiden Seiten Andringenden, wurde der Hohlweg verstopft, und die bereits durchgegangnen Reuter begannen der Übermacht des Feindes zu weichen. In diesen fürchterlichen Augenblicken mußte er sich mit dem Schwerdt durch seine eignen Leute Luft machen, aber der Moment, wo er endlich an der Spitze seiner Reuterey erschien, entschied auch das Schicksal des Tages. „Wohin wollt ihr fliehen,“ rief er mit donnernder Stimme, „zieht ihr die Knechtschaft dem Tode vor?“ Schnell ordnete er die Reihen, und seine achthundert Ritter, die jetzt Raum bekamen, sich auszubreiten, rannten mit eingelegter Lanze gegen den Feind. Die Varangier und die glänzende Schaar des constantinopolitanischen Adels, die sich zu weit von der Hauptmacht entfernt hatten, wurden in ihrer entblößten Seite angegriffen, und auf die Türken gestürzt. Alexius verzweifelte an der Tapferkeit seiner Griechen; sobald er die Niederlage der Leibwachen sahe, ergrif er selbst die <30:> Flucht, er bahnte sich, obgleich verwundet, mit dem Schwerdte den Weg durch einen Haufen Normannen, und entkam nach Cychnidus, dem heutigen Achrida. Fünf bis sechstausend Mann von seinem Heere lagen auf dem Platze, auf Roberts Seite traf das Schwerdt nur die Feigen, von den Rittern waren nicht mehr als dreißig geblieben. Der Tod des Mönchs, der den Kaiser Michael vorstellte, brachte nicht die geringste Veränderung hervor; der Sieg der Normannen war zu wichtig, der Übergang von dem hofnungslosesten Zustande zu der Erfüllung ihrer kühnsten Wünsche zu rasch, ihr Glück zu vollkommen, als daß sie nun hätten still stehen können. Mit der kostbaren Beute des griechischen Lagers, entschädigten sie sich reichlich für den Verlust ihres Gepäcks, und Robert zählte eine Menge eroberter Fahnen, und das kaiserliche Zelt unter seinen Trophäen.
Die umliegende Gegend stand ihm nun offen, Zufuhr kam im Überfluß in sein Lager, aber Durazzo widerstand noch, sein Heer war bis auf ein Drittheil geschmolzen, und die späte Jahrszeit schien wenig Raum zu neuen Unternehmungen vor dem Winter zu lassen. Dem ungeachtet rückte der Herzog sogleich wieder vor die Stadt, und ließ Erdhütten bauen, um seine Truppen gegen die Kälte zu schützen. Zu seinem Hauptquartier wurde ein Hügel mit Verschanzungen befestigt, welche noch lange den Namen: Guiscards Schloß, geführt haben.
Er sagte die nahe Eroberung von Durazzo mit einer Zuversicht voraus, welche vermuthen ließ, daß er auf <31:> geheime Hülfsmittel rechnen zu können glaubte. Ein Theil der Bürger, der in der Schlacht den Ausfall gethan hatte, war von der Stadt abgeschnitten worden, und hatte sich mit dem flüchtigen Heere zurückziehen müssen. Einen noch unersetzlichern Verlust aber hatte sie durch die Entfernung des tapfern Paläolog erlitten. Ein Venetianer übernahm an seiner Stelle die Vertheidigung des Schlosses, und ein epirotischer Edler wurde Befehlshaber der Bürger. Eifersucht und Uneinigkeit waren die Folge der getrennten Gewalt. Nach einem fehlgeschlagnen Versuch, seinen Nebenbuhler aus der Stadt zu verdrängen, gab Dominicus, der Anführer der Venetianer, den Vorschlägen des Herzogs Gehör. Die Aussicht, eine Nichte Roberts, mit fürstlicher Aussteuer zur Gemahlin zu bekommen, siegte über seine Treue, und die Masregeln der Verrätherey wurden schnell verabredet. In einer finstern Nacht führte der Unterhändler, ein Überläufer aus Bari, den Herzog an einen bestimmten Ort, dicht unter den Mauern der Stadt. Einige Consentiner, durch die Schnelligkeit ihrer Füsse berühmt, und wenige Ritter waren seine ganze Begleitung, aber zu ihrem Schrecken fanden sie keins der abgeredeten Zeichen. Voll Wuth wollten die Ritter den Unterhändler ermorden, und selbst Robert glaubte sich verrathen, denn sein Heer war in zu weiter Entfernung gefolgt, um den Vorausgegangnen, die jetzt in der Gewalt eines Unbekannten waren, zu Hülfe kommen zu können. In dieser Verlegenheit bittet der Barenser den Herzog, ihn allein in die Stadt gehen zu lassen, und verspricht, sichre Nach- <32:> richt zu bringen; aber alle Ritter widersetzten sich, weil das Leben des Verräthers, den sie jetzt ganz gewiß einer doppelten Treulosigkeit schuldig hielten, ihre einzige Sicherheit ist. Robert allein bleibt kalt: „ich bin nicht hergekommen, um vergebens wieder zurückzukehren,“ sagt er, und entläßt den Überläufer. Noch beinahe eine Stunde verstreicht in peinlicher Ungewißheit, endlich rollen die Strickleitern von den Mauern herab, der Barenser steigt herunter, und bleibt als Geißel zurück. Nur mit Mühe war es ihm gelungen, nachdem man ihn schon als einen Bekannten eingelassen hatte, ohne Aufsehn bis vor den Befehlshaber zu kommen, der den Herzog früher erwartet hatte, und, da Niemand erschien, eingeschlafen war. Robert erstieg nun schnell die Mauern, und bemächtigte sich eines Thors, dessen Wache der Venetianer gewonnen hatte. Das herannahende Fußvolk wurde in der Stille eingelassen, und unter dem Klang der Trompeten, und dem Geschrey: Guiscard, Guiscard ist da! brachen die Normannen in die Stadt.
Die erschroknen Bürger griffen zu den Waffen, ohne zu wissen, wer Freund oder Feind sey, weil sie einen Theil der Venetianer auf Roberts Seite sahen. Doch sobald es Tag wurde, und sie ihre Gegner unterscheiden konnten, begann ein hartnäkiger Kampf. In der Eil aufgeworfne Gräben sonderten die Mauer von den Strassen, und erst am dritten Tage, und nachdem die venetianische Flotte den Hafen verlassen hatte, wurde Robert Meister der Stadt. <33:>
Er war nun im Besitz der ganzen Provinz, die See stand ihm offen, alle Inseln erkannten seine Herrschaft. In einem siegreichen Fluge durchstreifte er Macedonien, und überal unterwarfen sie die Städte einem Eroberer, der die Überwundnen mit Milde behandelte, und sie im Besitz ihres Eigenthums schützte. In der Stadt Castoria wurden dreyhundert Varangier nach einer schwachen Gegenwehr seine Gefangnen; Eilbothen waren auf flüchtigen Schiffen nach Italien gegangen, die Entfernung der Venetianer zu verkündigen, und den Abgang der Hülfsvölker zu beschleunigen, welche in dem Hafen von Thessalonich zu ihm stoßen sollten. Diese Stadt, die einzige, die ihn hätte aufhalten können, zitterte bey der Annäherung des Siegers; sie war bereit sich nach dem Beispiel ihrer Schwestern zu unterwerfen, und Robert hatte nun bis an die Mauern von Byzanz, kein Hinderniß mehr vor sich.

(Die Fortsezung folgt.)


1.
Robert Guiscard
Fortsetzung.


Mitten in dieser glänzenden Laufbahn, nach einer Kette von Siegen, die ihn zu den kühnsten Erwartungen berechtigten, sahe er sich plözlich durch unglückliche Nachrichten aus Italien aufgehalten. Die Politik eines Gegners, den er im ofnen Felde niedergeschmettert hatte, wand ihm durch einen Federzug in seinem Kabinette die Früchte aller seiner Anstrengungen aus den Händen, und an dem nie bezähmten Geist der Unabhängigkeit seiner Barone scheiterte das Glück und die Tapferkeit des Herzogs. Anstatt der erwarteten Unterstüzungen überbrachten schnell aufeinander folgende Bothen die dringendsten Bitten um Hülfe. In einer Bergfestung eingeschlossen, that der junge Roger den empörten Normannen nur noch schwachen Widerstand, und der deutsche König Heinrich belagerte zum dritten Mahle Rom, und hatte ein enges Bündniß mit dem griechischen Kaiser geschlossen. Gregors Rettung konnte allein die Deutschen von den Staaten Roberts ent- <2:> fernt halten, dem jezt ausser einem bis auf das Drittheil geschmolzenen Heere mitten in einem feindlichen Lande nichts übrig blieb, als die Hilfsquellen, die er in sich selber fand.
In der stolzen Überzeugung, daß seine Gegenwart allein die Übel gut machen könnte, die seine Abwesenheit veranlaßt hatte, wagte er’s, nur von wenigen Rittern begleitet, mit seiner Gemahlinn auf zwey Schiffen nach dem empörten Lande überzufahren. Um Alexius Anschläge zu vernichten ließ er sein Heer unter der Anführung eines Helden zurück, der allein im Stande war, ihn selbst zu ersetzen. Bohemund bedurfte keiner Vorschrift, wie er den Krieg führen sollte, sein Vater empfahl ihm blos, die zurückbleibenden Grafen als seines Gleichen zu betrachten, diesen aber, dem obersten Feldherrn zu gehorchen.
Schon das Gerücht von Roberts Ankunft gab der Partey, die ihm noch getreu war, Muth, das Schloß, worin Roger belagert war, zu entsezen. Mit jedem Schritt, den der Herzog in seinem Lande vorwärts that, vergrösserte Furcht oder Zuneigung seine Macht. Ein fürchterliches Beispiel seiner Rache an der Stadt Cannae, die er von Grund aus zerstöhrte, schreckte die übrigen, und Herrman, Abälards Bruder, der tapfre Anführer der Rebellen, unterlag dem Misgeschick seines Hauses und dem überlegnen Geist seines Oheims. Tod oder Verstümlung war die Strafe der Gefangnen, und ihre eingezognen Güter bereicherten den Herzog. Eine Summe von 30,000 Goldgulden, die er dem Pabst schickte, erhielt <3:> die wankende Treue der Römer, und die ungesunde Luft der Hauptstadt zwang die Deutschen zum Rükzug.
Robert gewann nun Zeit zu neuen Zurüstungen, die um so dringender waren, weil Heinrich schon im März des folgenden Jahres 1084 wieder vor Rom erschien. Ein Geldbeitrag von 144,000 Goldstücken war, mit kaiserlichen Geschenken begleitet, aus Constantinopel angekommen, und hatte dem größten Bedürfniß des deutschen Kaisers abgeholfen. Die Römer, der langen Belagerung überdrüssig, durch Heinrichs Freigebigkeit, durch sein leutseliges Betragen gegen alle, die zu ihm ins Lager kamen, und durch die Versicherung gewonnen, daß die ihm unrechtmäßig verweigerte Krönung der einzige Grund der Feindseligkeiten sey, verlangten dringend die Übergabe der Stadt. Die hartnäckige Weigerung ihres geistlichen Oberhaupts erbitterte sie gegen den Urheber ihrer Drangsale, und sie öfneten selbst den Deutschen ihre Thore. Der Gegenpabst Clemens III nahm Besitz von dem Lateran, und setzte seinem Beschützer die Kaiserkrone auf. Gregor war in dem Thurm der Crescenz, der jetzigen Engelsburg, eingeschlossen, sein Neffe vertheidigte sich mit sinkenden Kräften in den Mauern des Septizoniums, und dringende Bothschaften foderten den Herzog zur Rettung auf.
Lehnspflicht, Ehre und Klugheit ließen ihn nicht länger anstehn, dem bedrängten Papst zu Hülfe zu eilen, ein Ausschreiben both die ganze waffenfähige Jugend der Normannen und Longobarden auf, und 6000 Ritter und 30,000 Mann zu Fuß versammleten sich bey Salerno <4:> unter dem Panier der Kirche. Die tiefgedemüthigten Barone konnten ihre Mannschaft von dem verdrüßlichen Kriege nicht zurückhalten, und der von dem Kaiser gewonnene Fürst von Capua schloß sich in seiner Hauptstadt ein.
Nahe vor Rom schlug Robert sein Lager auf, aber Heinrich war schon von seiner Annäherung benachrichtigt worden, und hatte sich nach Siena entfernt. Bey seiner Kenntniß von dem Wankelmuth der Römer und der Treulosigkeit ihrer Barone, welche die Gegenwart eines Kaisers schnell zu Anhängern des Pabstes machte, wagte er es nicht, sich mit der kleinen Anzahl seiner Deutschen einer Belagerung auszusezen. Dennoch schloß das noch immer gegen seinen Hirten aufgebrachte Volk die Thore vor dem Herzog, aber die Anhänger Gregors zeigten ihm einen schwach besezten Ort der Mauer, den er durch eine Schaar ausgesuchter Ritter ersteigen, und darauf den übrigen Truppen einen Zugang eröfnen ließ. Mit dem gewöhnlichen Feldgeschrei: Guiscard! stürmten sie durch die Straßen, und die überraschten Römer mußten sich nach einer kurzen Gegenwehr unterwerfen. Der Pabst wurde nun im Triumph aus der Engelsburg auf das Capitol geführt, aber die zu strenge Rache, die er an seinen Beleidigern nahm, und die Ausschweifungen der Normannen empörten die Bürger: Eine mächtige Partey, die es mit dem Kaiser hielt, erregte einen Aufruhr, und am dritten Tage nach der Einnahme mußte Robert mit den erbitterten Römern einen wüthenden Kampf in der Straße der Hauptstadt bestehen. Die Enge des Raums machte seine <5:> Reuterey unnütz; um sich zu retten, schritt er zu dem grausamen Mittel, Feuerbrände in die Häuser werfen zu lassen. Die Bürger eilten aus dem Kampf, um zu löschen, und der junge Roger bekam dadurch Zeit, mit frischen Truppen und den Sarazenen, welche ihm der Graf von Sicilien zu Hülfe geschickt hatte, die versperrten Thore zu sprengen. Alle Greuel der Verwüstung einer von Barbaren erstürmten Stadt trafen jetzt über den unglücklichen Römern zusammen. Sarazenen und Christen wetteiferten mit einander in der Wuth der Verheerung; Weiber, Kinder und Greise wurden ein Raub des Schwerdts oder der Flamme, und noch war der Tod ihr sanftestes Loos. Mehrere Tage dauerte die Plünderung, und Robert mußte Ausschweifungen gut heisen, die er nicht mehr verhindern konnte. Ein ganzes Quartier der Stadt, vom Lateranischen Pallast bis an das Collisäum lag in der Asche, und Erschlaffung allein machte dem Morden ein Ende.
Ein fürchterliches Blutgericht verlängerte die Schrecken der verödeten Stadt, nachdem die Wuth des ersten Sturms sich gelegt hatte. Das Beil des Henkers, Verstümlung oder Sclaverey rächte den Pabst an seinen noch übrigen Gegnern. Aber der Anblick einer Wüste wurde bald ihm selbst unerträglich, und innere Vorwürfe oder Furcht verbannten ihn auf ewig aus seiner Hauptstadt. Robert gab ihm eine Zuflucht in Salerno, wo er seinen traurigen Triumph kaum ein volles Jahr überlebte.
Hier erneuerte er seinem Beschützer das Versprechen, ihm die Krone Italiens aufzusetzen, und weihete die Waf- <6:> fen, die Robert abermals zur Eroberung des Morgenländischen Kaiserthums zu ergreifen bereit war. Nichts konnte den stolzen Besieger Roms von diesem festen Entschluß abwenden, er wollte nun zum letzten Mahle nach Griechenland übergehn, und nicht eher, als in dem Pallast der Nachfolger Constantins sein Schwerdt einstecken. Nur Jordan, der sich zu sichtbar auf die Seite des Kaisers geneigt hatte, sollte erst noch die Rache des Herzogs empfinden, er wurde in Capua belagert, aber seine Unterwerfung, Gregors Vermittlung, und mehr noch die aus dem Orient einlaufenden Nachrichten verschafften ihm einen erträglichen Frieden.
Zweymahl hatte Bohemund den griechischen Kaiser geschlagen, zuletzt erlag er mehr Alexius Künsten, als der Gewalt seiner Waffen. Die Schiffe, welche seinem Heere den Sold überbringen sollten, waren ausgeblieben, und die stets widerspenstigen Normännischen Grafen giengen mit ihren Vasallen zu den Griechen über. Die Flotte der Venetianer verheerte Durazzo, und nur durch seine plötzliche Erscheinung erhielt der junge Feldherr seinem Vater die Burg. Aber jetzt bedroheten die Feinde Corfu, und Bohemund, von seinen Truppen verlassen, erschien zu Salerno vor dem Herzog, der groß genug dachte, die Folgen  unverschuldeten Unglücks und neidischer Treulosigkeit dem Helden nicht zur Last zu legen.
Aber alle diese Umstände beschleunigten die Ausführung seines Vorsatzes. Alle Zurüstungen waren fertig; noch nie hatte sich Robert an der Spitze einer furchtbarern <7:> Macht gesehen. Durch den Segen der Kirche, durch die Gewohnheit auswärtiger Kriege, und die Plünderung Roms, war die Neigung der Normannen zu fernen Abentheuern wieder erwacht. Zwanzig Galeeren mit dreifachen Ruderbänken, hundert und zwanzig bewafnete Fahrzeuge, und eine noch grössere Anzahl von Lastschiffen, mit Kriegsmaschinen, Gepäck und allen nöthigen Vorräthen beladen, lagen bereit in den Häfen am ionischen Meer.
Kein Gegner blieb jezt hinter ihm zurück, der ihn noch einmal mitten in seiner Laufbahn hätte aufhalten können; Heinrich war mit häuslichen Feinden beschäftigt, Jordan tief gedemüthigt, und für die innre Ruhe in Roberts Staaten bürgte die Gegenwart Gregors. Alexius hatte in drey Feldzügen der unwiderstehlichen Tapferkeit einer durch Hunger, Krankheit und Elend geschwächten kleinen Anzahl unterlegen, das blühende Heer, das Robert jetzt nach Griechenland führte, mußte den Thron von Constantinopel umstürzen. Noch war Durazzo sein, das Land und die Küsten ihm bekannt, ein fester Plan für den Feldzug entworfen, und der Flotte der Venetianer setzte er die Eifersucht von Amalfi entgegen. Erbittert über die Vortheile, welche ihrer grossen Nebenbuhlerin in dem Bündniß mit dem morgenländischen Kaiserthum gewährt worden waren, und vorzüglich über den Tribut, den ihre Schiffe in allen griechischen Häfen dem Schutzheiligen Venedigs bezahlen sollten, hatte diese kühne Handelsstadt ihre letzten Kräfte aufgebothen, die Unternehmung des Herzogs zu begünstigen. <8:>
Am Ufer trennte er sich von seiner Gemahlin, die bis jetzt in allen Gefahren seine treue Begleiterin gewesen war. Bohemund, Roger und Robert, seine drey ältesten Söhne, bestiegen mit ihm die Galeeren, und führten, so wie ihr Vater, jeder eine Abtheilung von fünf Triremen an. Durch widrige Winde und die Wachsamkeit der feindlichen Flotte, wurden sie länger als ihre Absicht war, in den italienischen Häfen zurückgehalten, bey der ersten günstigen Luft, spannten sie die Segel auf, sezten glücklich ihre LandTruppen an der feindlichen Küste ab, und führten sogleich ihre Schiffe zum Angriff.
Die leichten griechischen Fahrzeuge wurden schnell gegen die zweite Linie zurükgetrieben, aber hier empfieng die Normannen ein dichter Regen von Steinen und tödlichem Geschütz, welches die neun größten venetianischen Schiffe von ihren hoch hervorragenden Vordertheilen über die Masten der Griechen wegschleuderten. Die nachsetzenden Normannen wurden stark beschädigt, und nach einem fruchtlosen Versuch, die Schiffe des Kaisers zu entern, zum Rückzug genöthigt.
Der Herzog selbst ertheilte dazu den Befehl, und berief die Anführer der Flotte auf seine Galeere, um Kriegsrath zu halten. Mit Nachsicht und Kälte untersuchte der erfahrne Krieger die Fehler, welche ihm den Sieg entrissen hatten und entwarf den Plan zu dem Angriff des folgenden Tages. Die Stärke des Feindes bestand in der hohen Bauart ihrer schweren Kriegsschiffe, die von ihren, über die Segel der gewöhnlichen Galeeren hervorra- <9:> genden Maschinen Tod und Vernichtung in weiter Ferne umherschleuderten, und in der Gewandheit der leichten Fahrzeuge, welche durch schnelle Bewegungen dem Angriff der Triremen entschlüpften, und so bald sie gedrängt wurden, sich unter das Geschütz jener furchtbaren schwimmenden Vestungen zurückzogen. Robert glaubte der tödlichen Wirkung der Maschinen am sichersten durch einen raschen Angriff zu entgehen, überzeugt, daß, sobald es ihm gelänge, sich an die grossen Schiffe anzuhängen, die Tapferkeit seiner Normannen im Handgemenge den Sieg entscheiden würde. Er befahl daher seinem Sohn Roger, welchem die Ehre des Vortrabs bestimmt war, sich durch die Neckereien des leichten Geschwaders gar nicht aufhalten zu lassen, sondern gerade auf den Mittelpunkt der Venetianer los zu rudern. Bohemund und der junge Robert wurden den vierzehn Galeeren auf den beiden vorspringenden Flügeln entgegen gestellt, und er selbst behielt sich das Hintertreffen vor, um in dem Moment der Entscheidung sich nach jeder Seite wenden zu können.
Roger führte seinen Auftrag mit unerschroknem Muthe aus. Er zerstreute schnell den Schwarm der leichten Brigantinen, drang bis in die Mitte des furchtbaren Halbcirkels vor. Aber hier hatten ihn die Venetianer erwartet; auf ein gegebnes Zeichen fiengen alle ihre Maschinen auf einmal an zu spielen. Pfeile, Wurfspiesse, mit eisernen Zacken beschlagne Klötze und Felsenstücke stürzten von allen Seiten auf die Schiffe des Prinzen herab. Ihr Verderben kam aus der Luft, sie hatten nicht einmal den <10:> Trost, Rache an ihren Feinden zu nehmen. Roger war verwundet, keiner der Schiffleute mehr seiner Glieder mächtig, seine Ruderknechte erschlagen. Ohne Steuer trieben die Galeeren, ein Spiel der Wellen umher, unfähig sich den feindlichen Schiffen zu nähern, und eine sichre Beute der leichten Fahrzeuge, so bald sich die Flotte des Herzogs zurückziehen würde. In wilder Verzweiflung griff Robert mit seiner ganzen Macht die feindlichen Flügel an, und indem es ihm endlich gelang, die Griechen und einige venetianische Galeeren bis in den Mittelpunct der Schlachtordnung zu drängen, brachte er das dahin gerichtete Geschütz der Feinde zum Schweigen. Diesen Augenblick nüzte er, die beschädigten Galeeren aus dem Gedränge zu reissen, und den Rückzug anzubefehlen. Verschiedne Schiffe waren gesunken, mehrere unbrauchbar geworden, aber keines in die Gewalt der Feinde gerathen.
In dem Kriegsrathe dieses Abends überlegte er, ob es nicht weiser sey, einen sichern Hafen zu suchen und sich der Herrschaft des Meeres bis auf günstigere Umstände zu begeben. Der Rath eines Überläufers bestimmte ihn zu der dritten Schlacht. Um alle Fahrzeuge bewaffnen zu können, hatten die Venetianer nicht nur den Mundvorrath, sondern auch die ungeheuern Steinlasten, welche sie gegen die Feinde schleuderten, anstatt des Ballastes auf die grossen Kriegsschiffe geladen. Durch die Menge der in den ersten Tagen verschoßnen Steine, waren die hohen Gebäude zu sehr erleichtert worden, sie giengen nicht mehr tief genug im Wasser, und schwankten bey dem Gegendruck <11:> der arbeitenden Maschinen. Robert änderte daher nichts in seinen Befehlen, und die Richtigkeit seiner Schlüsse zeigte sich bey dem ersten Angriff. Unsicher war die Wirkung des Geschützes, bey jedem Wurf tauchten die Vordertheile sich tief in die See, und die Steuer ragten in die Luft empor. Die vierzehn Galeeren der Venetianer ergriffen erst nach einem hartnäckigen Kampfe die Flucht, aber von den grossen Schiffen, die sich jetzt nur mit äusserster Unbehülflichkeit bewegen konnten, versanken sieben in den Wellen, die beiden übrigen wurden nebst einer Menge leichter Fahrzeuge eine Beute der Sieger. Zehntausend Menschen fanden im Meere ihr Grab, zweytausend fünfhundert geriethen in Roberts Gefangenschaft und dienten ihm als Geissel, die Unterwerfung ihrer Mitbürger in den Seestädten und Inseln zu erzwingen.
Vollkommner war nie ein Sieg gewesen, wichtiger in seinen Folgen versprach keiner zu werden. Die stolzen Despoten des Meers in ihrem eignen Element überwunden, wagten nicht mehr vor den Normannen zu erscheinen. Alexius Seemacht war vernichtet, bis an die Küsten des Hellesponts kein Feind, der Roberts Fortgang hemmen konnte. Seine Besatzungen in Epirus jauchzten ihrem Erretter entgegen, alle SeeHäfen von Durazzo bis Bothrent, alle feste Städte Griechenlands, jeder Ort, vor dem er erschien, gehorchte seinen Befehlen. Die späte Jahrszeit des Octobers allein konnte ihn aufhalten. Er ließ seine Schiffe in der Mündung eines kleinen Stromes überwintern, und gab der Reuterey Quartiere in den fettesten Gegenden des Landes. <12:>
Mit der Wiederkehr des Frühlings musterte er seine Truppen, und bereitete sich, an der Küste von Griechenland hin, von seiner Flotte unterstützt, bis an die Kaiserstadt vorzudringen. Die Weite des Umwegs wurde durch den Vortheil, in einem reichen, des Kriegs ungewohnten Lande, Überfluß an allen Bedürfnissen, und nirgends Widerstand zu finden, weit überwogen, die Herrschaft des Meeres sicherte jeden seiner Fortschritte, und Robert überließ sich der glänzenden Hofnung, in dem kurzen Zeitraum zweier aufeinander folgenden Jahre, seine Siege von dem Capitol bis an die goldnen Thore des neuen Roms auszudehnen.
Ein geringer Umstand erfüllte das Heer mit neuem Enthusiasmus für einen Helden, dem selbst die Kräfte der Natur zu Gebot standen. Der unerwartete Erfolg, daß nach heftigen Regengüssen die Schiffe in der Mündung des Flusses, wo sie vor Anker lagen, plötzlich sich auf dem Troknen  befanden, schlug den Muth der Truppen nieder. Der Aberglaube staunte dies Wunder an, und zog daraus abschreckende Folgerungen für den nächsten Feldzug. Robert schloß sogleich, daß der Strom in den höheren Gegenden das Land überschwemmt habe und daher beym Ausfluß versiegt sey. Ein kleines Corps, das mit einer grossen Anzahl von Arbeitern abgeschickt wurde, leitete durch vorgezogne Dämme die Gewässer wieder in ihr altes Bette, und mit der wiederkehrenden Fluth kehrte auch der Muth der Krieger und ihr Zutrauen auf den Feldherrn zurück. <13:>
Roger bekam den ehrenvollen Auftrag, voraus zu gehn, und die freiwillige Unterwerfung der Inseln zu empfangen. Bohemund konnte seinen Vater nicht begleiten; von einem heftigen Fieber ergriffen, mußte er sich an der Calabrischen Küste aussetzen lassen, um in der Luft seiner Heimath zu genesen. Ungern willigte Robert in diese Trennung, und nur um dem Volke eine stets heitere Stirn zu zeigen, verbarg er seine Betrübniß. Bald aber verschlang die Freude endlich den letzten Schritt zur Erfüllung aller seiner Wünsche zu thun, jedes andere Gefühl. Unter den glücklichsten Vorbedeutungen, von dem frohen Zuruf der Landmacht begleitet, und mit Jubelgeschrey von dem Schiffsvolk empfangen, das jetzt mit der nie besiegten normännischen Reiterey um den Preis der Tapferkeit wetteiferte, bestieg er seine Galeere. Ein wolkenleerer Himmel spiegelte sich in der klaren Fluth, und beide verhießen die glücklichste Fahrt; Constantinopel war der Sammelplatz.
Anders hatte es das Schicksal beschlossen. Mit fürchterlicher Schnelligkeit verbreitete sich auf den Schiffen ein ansteckendes Übel. Die Hitze des Sommers vermehrte die Wuth der tödtlichen Seuche, und unter den Kranken befand sich jetzt auch der Herzog. Er wurde zu Antonia ans Land gebracht, aber das Mittel, welches das Leben des blühenden Bohemund rettete, blieb unwirksam bey dem sechszigjährigen Robert. Seine Gemahlin konnte kaum früh genug herbey eilen, um ihn in ihren Armen sterben zu sehn. <14:>
Der 17te Julius 1085 war sein Todestag. Mit ihm sanken alle seine hohen Entwürfe ins Grab und der Glanz des apulischen Staates erlosch. Das Heer, von panischem Schrecken ergriffen, verließ seine Eroberungen, und stürzte sich auf die Schiffe. Mit einer solchen Eil drängten sie sich zur Rückkehr, daß viele mit ihren Pferden ins Meer sprangen, und über der Begierde, sich zu retten, ertranken. Kein Feind hatte sie gedrängt, erst nach einigen Tagen wagten sich die Griechen an die Küste hervor, und machten zitternd die Zurückgebliebenen zu Sklaven. Ein fürchterlicher Sturm ergriff die Flotte, und nur ein kleiner Theil des mächtigen Heeres, das noch vor wenig Tagen einem Kaiserthum den Umsturz drohete, sah die Ufer der Heimath wieder. Auch die Galeere, welche Roberts Gemahlin überführte, versank in den Wellen. Gaita rettete sich auf einen Kahn, aber nur mit Mühe konnte man dem wüthenden Element die leblosen Überreste des Helden entreißen.

Emendationen
longobardischen] longodardischen D
Aufmunterung] Aufmunternng D
und] uud D
normännischen] normäunischen D
überwundne] überwuudne D
und] uud D
(Die] Die D
Folgen] Fol en  D Trennfehler
bekannt] bekanut D
Troknen] Trokuen D
konnte] kounte D
Heer] Herr D

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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