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Friedrich v. Raumer, Lebenserinnerungen und Briefwechsel. 2 Bde. (Leipzig: Brockhaus 1861), Bd. 1, 238f.

Friedrich v. Raumer an Luise v. Raumer, 20. 3. 1811

Den 20. März 1811.
Einst wollt’ ich mich der Gärtnerin ergeben,
Die du wohl kennst, als milder zahmer Baum;
Doch ihrer Pflege unwerth scheint mein Streben,
Verlassen fand ich mich: – ein bloßer Traum
Erschien die Blütenlust des frühern Leben,
Und langsam nur erhielt Besinnung Raum. <239:>
Es war, was mich begeisterte, verloren; –
Doch sollt’ ich drob verzweifeln gleich den Thoren!

Als wilder Baum mußt’ ich mich nun betrachten,
Der Zweige treibt, wie es die Kraft erlaubt;
Doch keine Wasserzweige, daß verschmachten
Die Krone muß, des schönsten Schmucks beraubt.
Fest, neu zu wurzeln strebt’ ich, und verachten
Lernt’ ich den Sturm, der Schwächliche entlaubt;
Mit Fleiß und mit Gemüth, mit allen Sinnen
Mußt’ ich ein neues Ziel mir kühn erringen.

Seitdem hat mich der Kleinmuth nie ergriffen,
Von eitlem Stolz blieb ich nicht minder fern,
Und ward gleich selten ganz nach Wunsch gepfiffen,
So hatt’ ich doch gar milde liebe Herrn.
Drum laß ich mich durch nichts total verblüffen,
Leb’ in der Welt, so wie sie ist, recht gern;
Doch würd’ ich, wollt’ ein Mädchen meiner pflegen,
Den Herrndienst gern zur Hälfte niederlegen.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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