BKA-Brandenburger Kleist-Ausgabe Start Übersicht Suchen Kontakt Andere interessante Websites Institut für Textkritik e. V.

[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

[ ]


S

Reinhold Steig, Heinrich von Kleist’s Berliner Kämpfe (Berlin, Stuttgart: Spemann 1901), 245-247

26. Iffland’s Theateralmanach für 1811.


Zu derselben Zeit, wo Iffland diese schlimmen Erfahrungen zu machen hatte, schrieb er 1810 für den von ihm herausgegebenen „Almanach fürs Theater 1811“ ein paar Aufsätze, die das Verhältniß der Theaterdirectionen zu den Autoren und zum Publicum, in früherer und in gegenwärtiger Zeit, behandelten. Darin spinnt er die im Briefe an Arnim vorgetragenen Anschauungen weiter aus und stützt sie in seinem Sinne durch specialisirte Kostennachweise, die aber nur Stücke verstorbener Dichter betreffen. Alles, was nur entfernt eine persönliche Beziehung auf lebende Dichter oder <246:> deren Werke zulassen könnte, ist mit der größten Sorgfalt bis zur Verblassung abgeschwächt, um Gegenangriffen möglist vorzubeugen. Dennoch verstand und versteht der mit den Dingen Vertraute, was Iffland meinte. Für das Publicum findet er schmeichelhafte Worte. Gegen die Autoren bringt er all die bösen Erfahrungen seiner langen Directionsjahre zusammen. Man findet darin wie in nuce auch all die Reibereien mit der Abendblatt-Parthei und die Verdrießlichkeiten mit Kleist wieder. Ein paar Stellen seien angeführt. „Wirkliche Dichter (erklärt Iffland) nehmen in der Regel bescheiden geäußerte Zweifel oder Worte, welche die Erfahrung eingiebt, mit Rücksicht auf. Nicht so die Titulardichter! Diesen ist fast immer jede Einwendung ein Frevel und die Nichtannahme ihrer Arbeiten heillose Partheisucht, Geschmacklosigkeit, Verbrechen ohne Gleichen. Ist man nicht im Stande, Stücke der Art anzunehmen, so folgt zu Erwiderung sogleich ein völliger Fehde- und Brandbrief.“ Als Geschmacksverderb gelten ihm die vom südlichen Deutschland auf die Bühne eingeführten Rittermärchen, und er ersucht die deutschen Theaterdirectionen, nicht „jeder Laune des Tages“ oder „jedem Muthwillen in der dramatischen Litteratur“ nachzugeben; sie hätten vielmehr die Pflicht, Schauspiele von innerem, gediegenen Werthe „unabhängig vom Wehen des Zeitgeistes und den Wirkungen des Rauschgoldes“ zu erhalten!
Man kann solche und ähnliche Auslassungen Iffland’s als auf Kleist und andere neuere romantische Dichter gemünzt auffassen. Und von Leuten, die mit den Dingen vertraut waren, sind sie sofort so aufgefaßt worden. Saul Ascher lieferte in das Morgenblatt, vom 14. bis 17. Januar 1811, einen anonymen Artikel „über den Verfall der deutschen Bühnen und die Mittel dagegen“, der im Grunde nichts als eine Glossirung des Iffland’schen Almanaches ist. Er setzt <247:> nach seiner Art an Iffland Mancherlei aus, aber das hindert ihn nicht, verständnißvoll zu schreiben: „Eine Weihe der Kraft, einen Attila (deren Verfasser in Rom zur katholischen Kirche übergegangen ist, und überglücklich bei der Messe den Priester bedient), ein Käthchen von Heilbronn, die geben wir Herrn Iffland um mehr als einer Ursache willen gern Preis, so wie allen den aftermystischen Wahnsinn, den eine neuere Kunstschule (wenn man sie so nennen darf) uns als das Höchste gern aufschwatzen möchte.“ Und so enthält, wie Iffland’s Brief an Arnim privatim, der Theateralmanach öffentlich Iffland’s Stellungnahme zu den Bestrebungen Heinrich’s von Kleist und seiner Freunde.

[ S ]

[ ]

Copyright © 2000 by Institut für Textkritik e. V., Heidelberg
Letzte Aktualisierung 06-Feb-2003
[ Webdesign: RR 2000 ]