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<Friedrich Baron de la Motte Fouqué (Pelegrin)>, Othar’s Brautwerbung, 47-55; darin: Der Riese, 49-51

Der Riese.

An der hohen Lethra Thore
Donnert ein gewalt’ger Faustschlag.
Ruft’s mit ungestümer Drohung:
„Ho, wer aufmacht! Ho, wer aufmacht!
Laßt nicht warten. Warten hass’ ich,
Oeffne selbst mir wohl die Laufbahn.“
Staunend gieng hervor der Wächter.
Als er kaum vom Thurm hinaussah,
Von dem hohen Thurm der Veste,
Sah er ein gewalt’ges Haupthaar
Nahe fast an seiner Zinne, <50:>
Hörte, wie der Ries’ hinaufsprach:
„Männlein kleine, Männlein kleine,
Bist wohl kaum zum Wächter brauchbar,
Lagst im Schlaf und stehst nun zitternd,
Läßt mich warten auf der Brautfahrt.
Komm herunter, schnell herunter,
Daß mein Arm nicht zu dir auflangt.“
Und der Wächter kam mit Zittern;
Riesen, wußt’ er schon, sind grausam,
Und nicht Mauern und nicht Wälle
Sind für ihren Zug ein Aufhalt.
„Eh’ die Krieger kämen, sprach er,
Riß mir der gewiß das Haupt ab.“
Durch die Thore zog der Riese,
Bückte tief sich in der Auffahrt
Bogenwölbung, stand im Hof nun,
Schrie, daß durch die Hallen ’s laut klang:
„Leute! Ries’ ist angekommen,
Mal herunter in das Bauland
Aus den Bergen, aus den Wäldern,
Geht dem schönsten Kind als Braut nach,
Sagt’s der Kleinen, sagt’s Syrithen,
Und daß sie die Augen aufmacht. –“
Das vernahm man in den Sälen,
Wo bei’m Fest noch Alles auf war,
Und die bleichen Diener sagten’s,
Welch ein Ungethüm in’s Haus trat;
Krieger griffen zu den Waffen,
Frauen sanken in den Staub fast,
Und die Schönst’ in ihren Schleiern
Mit dem goldnen Strahlenhaupthaar,
Mit verhüllten süßen Lichtern,
Suchte bebend nach dem Ausgang,
Wollt’ in ihre Kammer flüchten,
Scheuend so gewalt’gen Brautmann.
Doch der König sprach: „Verweile!
Königswort, das Keinen ausnahm,
Hab’ ich aller Welt gegeben,
In der Welt sind Riesen auch da.
Laßt ihn ein, Ihr wackern Helden,
Doch wie eben Jeder aufstand,
Bleib’ er auch bei seinen Waffen,
Zu verhindern kühne Raubthat.“
Schweren Tritt, wie ehrner Füße
Hörte man, als Ries’ heraufkam,
Und nun stand er in der Halle,
Schreckensbild aus banger Traumnacht.
Fester, fester schloß Syritha
Ihrer Blicke süßen Aufgang,
Sonst von Schaam allein gehalten,
Jetzt von Schrecken auch, da lautbar
Des unsitt’gen Gastes Worte
Zu dem König klangen: „Graubart,
Alter Graubart, zeig’ dein Mädchen,
Die, so alle Männer auslacht.
Laß nur sein; braucht nicht des Zeigens:
Die dort mit dem goldnen Haupthaar,
Seh’ ich, muß es sein vor Andern.
Munter Kind, du bist im Brautstand’.
Andre Männer sind nur Zwerge,
Hier ist aller Männer Hauptmann.
Hör’ nur, eh du, mich zu grüßen,
Deine klaren Äuglein aufmachst,
Beug’ den Kopf nach hinten über,
Daß dein Blick den Bräut’gam auffaßt,
Denn ich reich’ hier bis an
Balken,
Rühr’ die Simse mit dem Krausbart.
Munter Mädchen, kleines Mädchen,
Heute noch ist unsre Brautnacht,
Morgens treten dann wir beide
Nach den Bergen unsern Lauf an.
Kind, da sollst dich mal verwundern,
Findest dort ’nen schönen Haushalt:
Hölen tief, voll blanker Steine,
Berge, d’raus ein stäter Rauch wallt,
Rauch aus Küchen und aus Schmieden,
Ew’ges Feu’r ist dort die Hausmagd,
Reinigt, kocht und härtet Alles,
Keinen andern Diener braucht man,
Brauchst nicht Zofen mehr noch Knappen,
Wenn der Riese dich zur Frau macht.
Ganz allein in dunkeln Hölen
Wohnen wir, ein lust’ges Brautpaar.
Denn ich weiß der Künste viele,
Künste, drob du laut noch auflachst,
Ruf’ hervor des Berges Gnomen,
Zwinge sie zu Schlacht und Ausfall,
Und zu Tänzen, und zu Sprüngen,
Droll’ges Volk, zu Spässen brauchbar.
Willst du schmaußen? Ich gewinne
Jedem Wilde Preis im Lauf ab;
Hirsche, Rehe, Gemsen, Uhre
Fang’ ich dir bei jeder Ausfahrt,
Lebend jene, diese zuckend
Bring’ ich zu des Mahles Aufwand.
Ho du Mädchen, kleines Mädchen,
Heute noch ist unsre Brautnacht.
Hörst nicht? Siehst nicht? Willst nicht schauen? <51:>
Nicht den Riesen? Machst den Ausgang
Aus den Bergen mir zum Spotte?
Machst mich zum verschmähten Brautmann?
Wart’ nur, wart’. Ich komme wieder,
Seh’ dann, wer den Andern auslacht!“
Und er stürmt’ hinab die Stiegen,
Brach das Thor, wie er hinaussprang,
Rief noch fern aus den Gebürgen:
Riese bin ich, komm’ auf Brautfahrt
Aus den Bergen bald zurücke,
Riese, welcher Lust am Raub hat!

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