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<Friedrich Baron de la Motte Fouqué (Pelegrin)>, Othar’s Brautwerbung, 47-55; darin: Der Gast, 54

Der Gast.

Gold und Purpurfäden webend
Saß im kerzenhellen Saal
Die geehrte Frau des Hauses
Mit der Dienerinnen Schaar,
Als der Laut wehmüth’ger Bitte
Durch die hohen Pforten klang:
„Laßt mich ruhn in Euerm Vorhof,
Edle Frau, bis an den Tag;
Geister schweifen durch die Lüfte.
Wölfe heulen durch den Wald.
Irrgegangen, armes Mädchen,
Wegemüd’ und schreckensmatt,
Fleh’ ich Schutz von Euerm Hause,
Ach, nur für die eine Nacht.
Besser wär’ ich aufgehoben,
Fehlt es Euch an einer Magd.
Sticken kann ich, kann auch weben,
Schöne Kleider bunt und zart,
Meiner Herrschaft Zier und Freude,
Preis der kunstgeübten Hand;
Oft auch hört’ ich schon mich loben,
Wenn beim festlich reichen Mahl
Das Gericht, von mir bereitet,
Würzig vor den Helden stand.“
„Du mit lieblich süßer Stimme,
Mit der hellen Augen Strahl,
Daß der Sturm den Othem anhält,
Freundlich wird die alte Nacht,
Tritt herein, du zartes Wunder,
Schmücke meines Hauses Saal.
Sprich, von wannen kommt herüber
Mir die herrliche Gestalt?
Welche Eltern freu’n sich deiner,
Welch ein hochbeglücktes Land?“
„Spottet nicht des blöden Mägdleins:
Vater sind und Mutter arm,
Würdig nicht, genannt zu werden
Vor so hoher Gegenwart.
Mühsam ist ihr hartes Tagwerk,
Niedrig ihr bemoostes Dach.“
„Kluge Jungfrau’n in der Fremde
Bergen oft, den hohen Stand.
Willst du’s, gut; er sei verborgen,
Du hinführo nicht befragt.
Aber weilen sollst du, Schöne,
Mir als Tochter im Pallast.
Schnell, Ihr Jungfrau’n, Schleier, Mäntel,
Ringe, Kleider holt heran,
Draus die herrlichsten zu wählen
Diesen Gliedern schlank und zart.“
Und die Jungfrau’n eilten, flogen,
Schmückten Pracht mit neuer Pracht,
Daß die Reichst’ an eigner Schönheit
Reich auch in Gewändern stand.
Plötzlich klang herauf den Schloßberg
Eines flücht’gen Rosses Trab,
Und die Hausfrau gieng zur Pforte,
Sprach: gegrüßt nach langer Fahrt,
Othar, lieber Sohn und Erbe!
Fiel ihm weinend um den Hals.
Doch die Jungfrau ließ den Schleier
Vor dem Jüngling schnell herab.
Der trat näherhin und fragte:
Was verbirgst du deinen Glanz?
Still die Jungfrau unterm Schleier,
Glühend roth von heißer Schaam,
Aber Othar lachte heimlich,
Kannte wohl den süßen Gast.

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Letzte Aktualisierung 28-Mär-2003
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