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Adam Öhlenschläger, VI. Faareveile, 54-56

VI. Faareveile
(aus dem Dänischen des Adam Öhlenschläger.)

Wo endigen die Buchen,
Dort, auf dem grünen Plan,
Wo durst’ge Schafe suchen
Hüpfend zur Bay die Bahn,
Wo stockt der Segel Eile,
Ein alter Thurm steht da;
Den heißt man Faareveile,
Weil er dem Weiler nah.

So treulich er sich hebet,
Die Stange stark und dünn,
Vor keinem Sturm er bebet;
Man wird so fremd im Sinn!
Von wem ist der besessen?
In niedrer Hütten Schaar,
Wie Bauern, stellt vermessen
Er sich, ein Ritter, dar.

Wohlauf! Wohin ich sehne,
Zur alten Mauer fort,
Da, mit ehrwürd’ger Schöne
Am jugendlichen Ort.
Nun sind wir da! Bald finden
Wir hohen Rittersaal. –
Wie das? Die Burg will schwinden?
Ist’s mit dem Eingang all?

Ward Alles sonst zerstöret
Zu jüngrer Eigner Zeit?
Blos nicht der Thurm versehret
Ob der Ehrwürdigkeit?
Voll Erde sind die Gräben;
Seht welch ein Blumenchor!
An vor’ges Wasserleben
Mahnt hie und da ein Rohr.

Die Brücke hier – noch fließet
Ein sumpfig Naß hinan.
Still! mit Willkommen grüßet
Uns dort ein alter Mann;
Fern von den starken Resten,
Die noch nicht wurden Graus,
Verleiht er seinen Gästen
Eintritt ins stille Haus.

Das Dach ist Stroh gedecket,
Doch hoch die Stub’ und frisch.
Sieh dort steht schon gedecket
Gastfrei der Kaffetisch;
Das sanfte Fraungebilde,
Ob alt gleich, doch nicht schwach,
Wie steht sie drinn so milde,
Uns bietend Guten Tag!

Zum Fenster hin sich dränget
Der grüne Ast, so dicht,
O sieh wie voll er hänget
Von reifer Kirschen Licht!
Wie ihnen Sonne blinket,
Zum Purpurbusen warm.
Der Baum wie freundlich winket
Uns mit dem kühlgen Arm!

Des Gartens breite Gänge,
Wie reinlich, sieh, und nett!
In kein Englisch Geschlänge
Verwirrt er sein Bosket;
Den graden Weg er gehet
Ehrwürdig streng und gleich,
Zu jeder Seite stehet
Ein lieblich Blumenreich. <55:>

Ein Rasen ward erreichet
Sanftgrünend hier von mir;
Der heiße Sommer bleichet
Den Fleiß des Winters hier.
Was nur in dunklem Zimmer
Lief durch das schnelle Rad,
Färbt nun der Sonne Schimmer,
Mit seinem Lilienbad.

Wie keck die Hecke langet
Froh aus dem Mutterland!
Frisch, dichtverschlungen pranget
Die neu entsprungne Wand;
Wie schlau, die Gränz’ zu decken,
Sie knappen Wall verhüllt,
Mit ihren grünen Hecken
Und kühl’gem Sommerschild!

Wie hoch das Laub sich ründet
In diesem dunkeln Gang!
Das Blatt sich liebend windet
Bei Nachtigall-Gesang!
Hier steht ein Tisch, von Jahren
Bemoost, doch Mangelrein;
Er trotzt der Zeit Gefahren
Von schierem Quaderstein.

Doch sage uns, wasmaßen
Das konnte All vergehn?
Und wie den Thurm so lassen
Von Allem blos bestehn?
Wie ist’s, daß ich vergleiche
Sein Bild, vom alten Nord,
Der Hütte, diese Zweige
Dem seltnen Tische dort?

Da wiederum uns führte
Zum Thurm der Greise fort;
Die Hand den Stab berührte,
Und redte dieses Wort,
Indem sein Aug’ nach oben
Sanft hob gen Himmel sich,
Wo prangte hoch erhoben
Die Stange ritterlich:

Wohl manches Jahr ich walte
In dieser Wohnung fort;
Einstmals ein Ritter alte
Erbaute den Thurm dort.
Er machte dies von Gräben,
Was mir nun Wälle schlägt,
Den Garten zu umgeben,
Und dort die Hecke trägt.

Mit hohen Bastionen
Er schlau den Wall verband,
Und starke Erz-Kanonen
Setzt’ er zu jeder Hand.
Ein Thurm gewaltigleichen
Trat von der Erd’ in Höh,
Um weiten Aug’s zu reichen
Hin über Wies’ und See.

Aufs beste kriegt’ bestellet
Der Herr, was hier wir sehn,
Da, wie es leider fället!
Thät ihn der Tod abmähn;
Der fragt nach keinem Walle,
Sein Arm ist graß und stark,
Der brachte ihn zu Falle
Mitten im schönen Werk.

So ward durch sein Vertrauen
Mir Alles klar im Sinn.
Da, von den grünen Auen
Hob ich den Blick dorthin,
Wo ob der Bogenpforte,
Wie auf vergüldtem Berg,
In lichtem Farbenworte
Ich sahe: Hardenberg. <56:>

War das der alte Ritter,
Deß Arbeit lockte mich?
O holdes Sanggezitter!
Nun erst versteh’ ich dich.
Er war es, der ausführte
Sei Werk mit dreistem Muth,
Bis frech der Tod ihn rührte
Mit seiner kalten Wuth?

Er leitete in Gräben
Die Sümpfe, von dem Thor,
Doch schwand der Rose Leben,
Trat blos der Thurm empor.
Ward graß vom Tod entrissen,
In weißem Panzerhemd,
Und ließ uns Thränen gießen
Beim Baue so gehemmt.

Fahr wohl! Ich will nun wandern
Von diesem lieben Werk.
Ich kenne einen Andern,
Gleich diesem Hardenberg;
Ein Umriß ward geleget,
Wie hier, ein Eingang roth
Gebaut, als Tod sich reget –
Und Novalis ist todt.

Fahr wohl, still Gartenleben!
Nun kenn’ ich deinen Blick.
Fahrt wohl, gesunkne Gräben!
Mannheit blieb hier zurück.
Fahr wohl, du sanfte Fraue!
Du Alter! Wies’ und Gang!
Nun meine Thräne thaue
Zum linden Harfenklang.

Anm. Es ist bekannt, daß des allzufrüh entrißnen Dichters Novalis rechter Name Hardenberg war. Die Übereinstimmung, die ich fand zwischen der ehrwürdigen, halbvollendeten Ritterburg in Dänemark von einem seiner Stammväter aufgeführt, und seinem durch den Tod gehemmten Werk, Heinrich von Ofterdingen, gab Anlaß zu obenstehendem Gedicht.

Adam Öhlenschläger.

 

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Letzte Aktualisierung 30-Mär-2003
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