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<Friedrich Wilhelm Basilius von Ramdohr>, XX. Noth- und Hülfsbüchlein für Künstler und Kunstliebhaber in Mildheim, 71-83; darin: 77-83

3. Michael Angelo. Malerei und Bildhauerei. Th. 3. S. 335. Über M. Angelo, als Bildhauer, finde ich noch nöthig zu erinnern, daß er zwei verschiedene Manieren hatte. Die erste ähnelt der des Donatello. Der Geschmack ist kleinlich, Köpfe und Körper führen auf den Begriff durch Krankheit niedergedrückter und abgemergelter Personen zurück, und die Gewänder, wenn sie gleich das Nackte gut andeuten, scheinen doch als naß, zu fest daran zu kleben: die Falten gleichen den Beuteln des Albert Dürers. In der Folge vergrößerte er seine Manier: hier ist der Faltenschlag freier, größer, und zeigt die Bekanntschaft des Meisters mit der Antike.
4. Raphael. Erste Manier. Malerei und Bildhauerei. Th. 1. S. 119 u. 120. Raphael hielt sich eine Zeitlang an die Manier seines Lehrers. Doch zeigte sich schon dazumal der Zusatz von Ausdruck, den er in seine Figuren legte; zu jeder Zeit der unterscheidende Vorzug unseres Künstlers! Übrigens entging er durch gar zu große Bestimmtheit, und durch den Fleiß, den er an Nebensachen verschwendete, weder der Trockenheit noch der Härte und der kleinen Manier seiner Schule. – –  <78:>
Zweite Manier. Th. 1. S. 121. Die malerische Anordnung ist zu symmetrisch. Die Zeichnung ist richtig, ist fein, aber zu hart, zu bestimmt, im kleinlichen Sinne. Die Gewänder sind noch in zu viele Partien getheilt: die Ausführung ist noch trocken, der Fleiß zu sehr auf Nebensachen verschwendet. Ja! ein gewisser gothischer Schmuck, z. E. goldener Schein um die Köpfe der Heiligen, goldene Stickerei auf den Gewändern ist noch nicht abgelegt. – –
Th. 1. S. 123. Die malerische Erfindung oder eigentliche Anordnung war weniger das Verdienst Raphaels. Es zeigt sich keine Spur in seinen Werken von einer überlegten Zusammenstellung der Figuren, um dem Auge Gruppen von angenehmer Form, oder solche Gruppen darzubieten, die eines vortheilhaften Eindrucks von Licht und Schatten vorzüglich fähig wären. – –
S. 124. Raphael hat nie das Sublime der Antiken, noch das Gefällige des Correggio erreicht. Er wählte seine Weiber aus der Natur, und er brachte, wie es scheint, wenig Abwechslung in ihre Wahl. Sie haben beinahe alle den Character eines sanften Ernstes, aber selten setzen sie uns durch die majestätische Übereinstimmung ihrer Züge in Bewunderung, oder ziehen uns durch holdselige Lieblichkeit an. Seine Kinder sind von ganz gemeiner Natur. – –
In dem Gemälde, welches das Ordnen des Chaos vorstellt, hat Raphael dem Schöpfer den Ausdruck eines rüstigen Alten gegeben, der mit gewaltsamer Anstrengung und ausgespreiteten Armen und Beinen die Elemente auseinander treibt. – –
Mit eben so wenigem Glücke hat Raphael die Begebenheit der Schöpfung der Thiere sinnlich machen wollen. Hier breitet der Schöpfer die Hände über eine Menge von Thieren verschiedener Gattung aus, und gleicht einem Hausvater, der seine Menagerie besieht. – –
S. 126. Die Galathea Raphaels ist stehend abgebildet in einem Wagen, bespannt mit zwei Delphinen, deren Zügel sie selbst leitet. Zur Seite umarmt ein Triton eine Nereide, ein anderer Triton stößt in eine Meer-Trompete, und weiterhin sitzt noch eine andere Nereide auf dem Rücken eines Tritons. Amor führt den Wagen der Galathea, Amorinen schießen fliegend Pfeile herab. Die Anordnung ist nicht zu loben, die Figuren sind zu abgerissen von einander, und das Ganze thut wenig Wirkung. Dem Kopfe der Galathea sieht man es an, daß vieles von der ursprünglichen Schönheit, durch die Reise von dem Kopfe des Künstlers ab in die Hand, verloren gegangen ist. Die Augen sind zu klein, die Nase ist zu stark. Der Körper der Galathea, bis an die Kniee, ist schön, aber dies Knie ist zu muskulös. Die Nereide, die der Triton umarmt, ist sehr reizend, allein die Schenkel sind wieder viel zu stark. Dieser Triton selbst scheint in der Mitte abgebrochen, und das Untertheil des Körpers kömmt mit der Bewegung der Arme, der Schultern, nicht überein. Der Amor, der den Wagen führt, ist schön gezeichnet. In dem Kopfe desselben erkennt man dasselbe Mo- <79:> dell wieder, nach welchem Raphael den Christ della Madonna della Seggia zu Florenz gemalt hat u. s. w. – –
S. 127. 128. Raphael hat bei der Beleuchtung seiner Figuren mehr auf Rundung jeder Figur im Einzelnen, als auf die Wirkung des Lichts und Schattens im Ganzen gesehen. Er ging dabei sehr einfach zu Werke, legte auf die höchsten Partien weiß auf, und brach dasselbe mit schwarz bis in den Schlagschatten: von Reflexen wußte er nichts. Wenn er mehrere Figuren zusammenstellte, so kamen die hellesten vorn hin, und die dunkelsten hinten, und auf solche Art schwachte er die Lichter ab. Von den Repoussoirs, oder den dunklen Figuren auf dem Vorgrunde, die das Licht herausheben, zeigt sich keine Idee in seinen Werken; so wenig als von dem ausgesparten Fall des Lichts und Schattens (den sogenannten Accidens) jener weisen Austheilung des Hellen und Dunkeln, wodurch gewisse Theile mehr als andere, gleichsam von ohngefähr hervorstechend oder zurückweichend sich zeigen: es sei, daß der Künstler überhaupt für das Auge des Zuschauers hier und da eine kleine Ruhe nöthig hält, oder daß er dasselbe auf gewisse vorzügliche Partien besonders aufmerksam machen möchte. Darin liegt eine der Hauptursachen, warum seine Gemälde so wenig auf den ersten Blick anziehen.
5. Andrea del Sarto. Malerei und Bildh. Th. 1. S. 279. Andrea del Sarto ward geboren 1488. Er bildete sich hauptsächlich nach Leonardo da Vinci, aber er nutzte auch Werke des Mich. Angelo, des Fra Bartholomeo und Raphaels. Die meisten seiner Gemälde waren bestellte Werke, die Assembleen von Heiligen, ohne Verbindung durch eine gemeinschaftliche Handlung, vorstellen. Dabei konnte er keine Stärke in der Composition zeigen. Seine Anordnung ist zu symmetrisch. In seinen Köpfen herrscht zu wenig Abwechselung. Der Character ist kleinlich und kränklich furchtsam. Man bemerkt, wenn ich so sprechen darf, einen leonardisch süßlichen Zug darin. Als auffallende Kennzeichen kann man die knörplichten, eckigen Nasen, die hagern Wangen, und die hoch liegenden Augknochen ansehen. Er zeichnete mit vieler Feinheit, aber nicht ganz richtig. Seine Extremitäten sind zu knöchern. Die Gewänder haben viel von dem Geschmack des Fra Bartholomeo, aber sie sind viel studirter und weniger wahr u. s. w. 
6. Julius Romanus. Malerei und Bildh. Th. 3. S. 134. So lange er nach den Zeichnungen seines Meisters Raphaels, und unter dessen Augen arbeitete, war seine Zusammensetzung weise, und seine Zeichnung richtig: aber in der Färbung unterschied er sich gleich, durch gar zu schwarze Schatten und zu rothe Lichter der Carnation. Seine Ausführung war übrigens sehr besorgt, und man kann sogar sagen, geleckt. Sobald er sich aber nach Raphaels Tode seiner eigenen Willkühr überlassen sahe, ward er durch seine brennende Einbildungskraft zu Ausschweifungen jeder Art fortgerissen. Vielleicht darf man auch sagen, daß er nur übertrieb, um dem Vorwurf, blos Copist zu sein, zu entgehen. Denn häufig findet man noch Diebstähle, die er an Werken seines Vorgängers begangen hat. Er setzte sie aber auf eine bisarre <80:> Art mit seinen eigenen nicht minder bisarren Erfindungen zusammen. Daran, und an seinen grämlichen Männerköpfen, an den Gelenken, die mit Muskeln und Knorpeln überladen sind, an der krebsrothen Fleischfarbe erkennt man ihn am leichtesten wieder. Seine Zeichnung ward nun incorrekt, er fieng an, im Geschmack der Florentinischen Schule, die Muskeln zu stark anzudeuten, und weil er gar zu geschwind arbeitete, so ward die Behandlung vernachlässigt. – –
Schönes Gemälde von Julius Romanus (in der Kirche S. Maria dell Anima in Rom.) Th. 3. S. 300. Madonna mit dem Christkind, ein heiliger Jacob betet es an; der heilige Joseph lehnt sich auf den Ellnbogen, und sieht zu, der heilige Rochus wird dem Heiland durch den heil. Johannes vorgestellt, und hinten füttert die heil. Anna die Hüner. Es ist ein Hauptbild dieses Meisters. Ob es gleich auf mancherlei Art durch Retouchiren, schlechten Firniß etc. gelitten hat. Auch sind Erfindung und Anwendung nicht zu loben; man muß allein auf das Detail sehen. Der Kopf der Madonna hat viel Ähnlichkeit mit dem der Madonna, in der heil. Familie von Raphael zu Versailles. Eben daher ist auch die Stellung des heil. Josephs genommen, der sich auf den Arm stützt; aber, recht nach Art der Nachahmer, hier sehr übertrieben wieder angebracht. Die Madonna ist die reizendste Figur auf dem Bilde, dabei in vortrefflichem Geschmack drappirt. Der Kopf des heil. Rochus und einige Engel sind auch schön. Dagegen gehören die Kniee des Christkindes einem ausgewachsenen Bootsknechte, und die Beine des heil. Johannes sind offenbar zu klein gegen die übrige Figur. – –
7. Meisterstück des Garofalo. Über Malerei und Bildh. Th. 1. S. 284. Ein todter Christ mit der Mutter und mehrern Heiligen. Ein Meisterstück des Garofalo. Erfindung und Anordnung sind zwar nicht zu loben, auch ist die Luftperspectiv nicht beobachtet, und die Zeichnung trocken und steif. Allein das Bild hat doch viele einzelne Schönheiten. Die Stellung der Magdalena ist sehr reizend, und der Ausdruck zutreffend. Der heilige Hieronimus hat einen schönen Kopf, und bei dem heiligen Johannes scheint der Maler sehr glücklich einen der Söhne des Laokoon zum Vorbilde genommen zu haben. Die frischen Localfarben, welche immer das characteristische Verdienst unseres Meisters ausmachen, sind auch in diesem Bilde unserer Aufmerksamkeit werth. – –
Studien auf einer Reise nach Dänemark. Th. 1. S. 136. Eine heilige Familie, die man für Raphaels Arbeit ausgiebt, aber sicherlich nicht von ihm ist. Mir ist es am wahrscheinlichsten, daß es das Werk des Garofalo sei. Das zeigt die fehlerhafte Zeichnung, die frische Farbe in den Gewändern, das zeigen die eckigen Kontouren und die klunzmäßigen Hände.
8. Parmeggianino. Malerei und Bildh. Th. 1, S. 295. Parmeggianino suchte die Zeichnung des Raphael, mit den Vorzügen des Correggio zu vereinigen. Er hatte weder Begriff von Zusammensetzung noch von Anordnung und Ausdruck. Aber er <81:> wußte seinen Figuren einen gewissen falschen Reiz zu geben, der sehr anzieht. Seine Umrisse sind sehr fein und sehr swelt; seine Köpfe haben viel Gefälliges. Aber bei einer genauern Untersuchung wird man finden, daß alles incorrekt und manierirt ist. Seine Figuren sind zu lang, die Finger an den Händen sind spindelmäßig. Gewänder und besonders der Kopfputz haben etwas reizend Phantastisches. Seine Färbung fällt ins Graue und ist ohne Harmonie. Man kann Liebhaber nicht genug vor den verführerischen Reizen dieses Meisters warnen. – –
Th. 2. S. 81. Das Verlöbniß der heiligen Catharina. Ein großes Gemälde von Parmeggianino, um so interessanter, weil es selten ist, von diesem Meister Gemälde in dieser Größe zu finden. Ausdruck darf man hier nicht suchen, auch keine sonderlich gute Zusammensetzung. Während daß die heilige Catharina den Christ beim Kinn ergreift, um ihn zu küssen, und ihr erhabener Gemahl die Hand auf ihren Busen legt, sieht die Madonna nach einer andern Seite. Von den umherstehenden Heiligen nimmt keiner an der Handlung Theil, und einer küßt sogar – wie werden unsere Kritiker über diesen Anachronismus schreien! – das Crucifix. Übrigens ist die Anordnung und die Gruppirung gut. Der Maler hat den Köpfen und Stellungen das Liebliche des Correggio zu geben gesucht, aber es ist zur Affectation geworden. Die Zeichnung ist nicht ganz correkt; die Gewänder sind von schlechter Wahl; die Schatten haben nachgeschwärzt.
9. Annibale Carracci. Malerei Th. 1. p. 15. Sein Ausdruck ist nicht immer wahr, selten edel, und beinahe nimmer lieblich. Er hatte wenig Gefühl für Schönheit, mehr für Stärke: Seine Weiber sind zu männlich, seine jugendlichen Figuren zu schwerfällig, seine Alten ohne Majestät. Sein Colorit ist ohne Lieblichkeit und ohne Harmonie. In Ölgemälden grau, im al Fresco ziegelroth. Das Helldunkle ist in den mehrsten seiner Gemälde mit Einsicht angedeutet, aber selten thut es die Wirkung, die sich der Meister davon versprochen zu haben scheint. – –
Der Triumph des Bachus und der Ariadne. Keine einzige Figur hat den Ausdruck den der Character und die Handlung erfordern. Bachus hat den Anstand eines schlechten Schauspielers, der repräsentiret, und Ariadne, seine neuvermählte Gattin, kehrt ihm den Rücken zu, um den Maler eine schöne academische Figur im Contrapost darzubieten. Die Nymphen haben den gemeinen Fehler aller weiblichen Figuren dieses Meisters, sie sind zu männlich. Sylen ist ein eckelhaft berauschter Alter. Hingegen ist die malerische Erfindung vortrefflich. Die Gruppen greifen wohl in einander, und die einzelnen Figuren haben sehr abwechslende Stellungen. Schönheit und Reiz darf man beim Annibale nicht suchen. Das Colorit fällt ins Ziegelrothe, und ist ohne Harmonie.
10. Guido Reni. Malerei und Bildh. Th. 2. S. 184. Kein Maler der Neueren hat so sehr, wie er, im Geiste der Alten gedacht, und die Grundsätze, die sie bei der Bildung der Schönheit beobachteten, auf die Darstellung der Natur seines Landes, auf <82:> die Vorwürfe, die den Pinsel des Künstlers in neueren Zeiten hauptsächlich beschäftigen, anzuwenden gewußt. Mehr als jeden andern ist es ihm geglückt, die edle Gestalt, den einfachen Reiz, der aus der Übereinstimmung der Züge entsteht, mit einer hohen Bedeutung des Characters, und einem erhabenen und wahren Ausdruck des Affects zu vereinigen. – –
Der heilige Petrus im Palast Zampieri, zu Bologna. S. 189. Der heilige Petrus an sich eine unedle Figur, weint nicht wie ein Mann, sondern wie ein ungezogenes Kind, und kratzt sich dabei hinter den Ohren, während daß ein anderer Heiliger, von eben so niedriger Natur, ihn tröstet. Die Extremitäten sind nichts weniger als schön, nicht einst richtig gezeichnet, und die Schatten sind offenbar übertrieben. Was hat denn dies Bild um so sehr anzuziehen? für den rohen Betrachter einen um so faßlicheren Ausdruck, als er an Carricatur gränzt, eine Rundung, durch welche die Figuren sich von dem Grunde heraus zu heben scheinen; für den Künstler aber die kecke Behandlung, mit der die kräftigsten Farben in vollkommener Harmonie nicht einzeln aufgetragen, sondern zusammen gegossen scheinen.
11. Guercino da Cento. Malerei und Bildh. Th. 2. S. 211. 212. Er lernte in der Schule der Caracci: die Manier des M. Angelo Carravaggio war ihn früh bekannt; aber er ward mehr Schüler der Natur als irgend eines Meisters. Inzwischen er sahe diese Natur durch eine ihm allein eigene Netzhaut des Auges, (wenn ich so sagen darf) die sich in Absicht der Farbe dreimal veränderte. Das heist: man kennt in ihm drei verschiedene Manieren: die schwarze, die rothe und die helle; oft ertappt man ihn auch auf den Übergängen von der einen zur andern. – –
Sein Ausdruck ist oft wahr, oft geziert, oft unbedeutend. Man kann ihn selten eines unedlen wegen tadeln, aber auch eben so selten eines edlen wegen loben. Ländliche Naivetät, die zuweilen an bäurische Einfalt streifte, spröder Ernst, wie man ihn wohl bei blöden Landmädchen antrift, sind die Charactere seiner Weiber. Seine männlichen jugendlichen Figuren sind Genossen der vorigen, Contadini, ehrliche Baurenkerls, nur daß sie statt des flinken raschen Ausdrucks, den der niederländische in den Gemälden dieser Schule hat, gemeiniglich einen weinerlichen Zug auf dem Gesichte tragen, der auf den Druck, unter dem die päbstlichen Bauren leben, schließen läßt u. s. w. – –
Der Tod der Dido von Guercino. Th. 3. S. 84. Dido fällt in ihr Schwerd, vor einer ganzen Versammlung des Volks. Das, was wir sehen, hat zu wesentliche Fehler, um zu bedauren, daß das, was wir zu sehen wünschten, in diese Hand zur Ausführung nicht gekommen sei. Eine Menge von Figuren füllt die Fläche: aber keine einzige nimmt wahren Antheil an der Haupthandlung. Sie stehen da – weil sie da stehen, und noch dazu ohne leicht zu übersehende Ordnung. Die Perspective ist gar nicht beobachtet. Dido liegt in einer unnatürlichen Stellung. Das Schwerd ohne Ende, dessen Spitze eine Elle jenseits des Rückens heraus ragt, muß <83:> den ernsthaften Beschauer zum Lachen bringen. Aber bewunderungswürdig schön gemalt sind Kopf und Brust: voll Ausdruck und Schönheit: das Blut scheint den Wangen zu entfliehen. Das Gewand ist aus der Trödelbude genommen,\1\ so wie die Kleidung der übrigen Figuren. Ans Costum darf man nicht denken. Man sieht Männer in spanischer Tracht.

Es hat diesem Mildheimischen Kunstbuche, etwa unter der Aufschrift Pantheon, noch ein dritter Abschnitt von Ramdohrschen Charakteristiken der alten heidnischen Götter hinzugefügt werden sollen, indeß ist trotz aller angewandter Mühe nichts aufgetrieben worden, was zur Belustigung der Publicums gereichen könnte. Man überläßt sie also lieber auch fernerhin der Vergessenheit, die sie bisher, von Leser und Kritiker unangefochten, genossen haben. Ein Lohn ist dem Verfasser weitläufiger, bänderreicher Werke, wie der Ramdohrschen, in Zeiten wie die jetzigen gewiß: man lobt sie unbesehens, um nur der Mühe, sie zu lesen, überhoben zu sein.
Indeß um diesen würdigen Freund des classischen Alterthums, der die Munterkeit so weit treibt, sich neben Winkelmann und Mengs, als die nothwendige dritte Person, zu stellen, würdig und classisch abtreten zu lassen, so möge unsre Sammlung beschlossen sein mit folgender

Characteristik des Jupiters

Malerei und Bildh. Th. 1. S. 104. Größe und Güte, wie man sie sich bei einem Manne in Verbindung denken darf, dem das reife Alter und lange Erfahrung Herrschaft über seine Leidenschaften, wahres Gefühl von der Bestimmung seiner Vorzüge, und Billigkeit gegen die Schwächen andrer gegeben haben, machen den Character des Vaters der Götter und Menschen aus.


\1\ In der Beschreibung des Gemäldes der heiligen Petronilla, von diesem Meister, sagt Herr v. Ramdohr ebenfalls: Was die Gewänder betrifft, so scheinen sie alle in einer Trödelbude zusammen gesucht zu sein.

Emendation:
Wangen] Wanzen D

 

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Letzte Aktualisierung 30-Mär-2003
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