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Sigismund Rahmer, Heinrich von Kleist als Mensch und Dichter. Nach neuen Quellenforschungen (Berlin: Reimer 1909), 99-103

Kleist mit Gauvain und Ehrenberg in französischer Gefangenschaft

Berlin 14 avril 1807
Monsieur Le ministre d’Etat j’ai reçu la lettre que votre excellence m’a fait l’honneur de m’ecrire le 3 de ce mois, en faveur de messieurs de Gauvain, Ehrenberg et de Kleist. Ces officiers en passant du quartier général ennemi derrière l’armée française, se sont exposés à être regardés comme espions. Je les ai traités avec indulgence en les faisant partir pour la France. Les ordres que j’avais donnés, pour adoucir les rigueurs de leur conduite, sont arrivés trop tard; je viens d’écrire au ministre de la guerre pour les faire sortir du châteaux de Joux et pour les réunir au dépôt des prisonniers de guerre de leur nation. Je suis réjoui d’avoir saisi cette occasion de prouver à votre excellence combien j’attache de prix à sa recommandation.
Je prie votre excellence d’agréer l’assurance de ma parfaite considération
Clarke.
S. E. monsieur le ministre d’état
d’Angern.

Note von Angern: Der Frau v. Gauvain zu Rathenow ist dato Abschrift von diesem Briefe des Gen. Clarke übersandt. Berlin, den 16. April 1807.
Angern. <100:>

Concept.
Berlin le 16me Avril 1807.
A Son Excellence Monsieur Clarke
General de Division et Gouverneur Général.
Monsieur!
Votre Excellence vient de m’avertir par sa lettre du 14me de ce mois qu’elle a bien voulu écrire au ministre de la guerre pour faire sortir du chateau de Joux Messieurs de Gauvain, d’Ehrenberg et de Kleist. J’ose présenter à Votre Excellence me très humbles remerciments de cette bonté en Lui réiterant encore les assurances de la plus haute Considération avec la quelle j’ai l’honneur d’être
Monsieur
de Votre Excellence
le très humble et très obéissant serviteur
Angern.

Adresse:
Sr. Exzellenz
dem Herrn Minister
von Angern Ritter des Rothenadler-Ordens
Hochwohlgeboren

per Estafet

zu

von Wustermark

Berlin unter den Linden

(von fremder Hand) 31ten Januar 1807 um 10 Uhr Abends abge(gan)gen.
Hochwohlgeborener Herr
hochgebietender Herr Minister!
Mein trauriges Schicksal, welches mit gleicher Unschuld der Herr v. Ehrenberg und v. Kleist teilen, ist Euer Excellens bereits bekannt. Noch immer wissen wir keinen Grund, keinen Anschein des Verdachtes, der eine Maßregel dieser Art auf nur auf das entfernteste begründen könnte.
Daher würde ich im Vertrauen auf Euer Exzellens mit der Überzeugung, daß Dieselben alles zur Rettung mögliche anwenden werden, kein Wort weiter sagen, wenn ich nicht durch die empörenste Behandlung dazu gezwungen würde. Jeder hier bis jetzt gefänglich durchgeführte Offizier der Preußischen oder Russischen Armee erhielt einen anständigen Ort zum Gefängniß, erhielt Quartier, wir aber, wie die Herrn Gensdarms versichern, müssen uns auf Order, die uns schriftlich begleitet, gefallen lassen, im gemeinen Gefängnis, das wie das jetzige zum Beispiel, voll Ungeziefer ist, gebracht zu werden. <101:>
Ist nicht volle Gerechtigkeit für uns zu erlangen, so waren und sind unsere Wünsche dahin beschränkt, bald möglich zu erfahren, welcher Verdacht uns trifft, und ob die durch unsere Briefe auseinandergesetzte Unschuld unserer Sache unser Schicksal wenigstens nicht dahin mildern kann, daß wir auf unser Ehrenwort entlassen oder aber wie jeder andere Offizier transportiert werden, denen alsdann oft auch die Begünstigung wird, une feuille de Route zu erhalten. Mit ungeschwächter Hochachtung wird kein Verhängniß, keine Zeit so wenig als diese die Dankbarkeitsempfindung schwächen, mit der ich bin
Euer Excellens
aller untertähnigster
Diener v. Gauvain.
d. 1ten Februar 1807.

P. S. Jetzt eben erst sah ich das Gefängniß, welches uns für die Nacht unter der Erde dunstig mit ungesunder Luft ohne Luftlöcher, und zwar alles dies durch eine Ordre angewiesen wird, die uns begleitet und eine schreckliche Zeit mir mit schwachem Körper den Tod drohet.

Zusatz von Angern: Gegenwärtiges Schreiben, welches dem Herrn General-Gouverneur Clarke zugestellt worden ist dato mit dem anliegenden Couvert mit einem Post-Siegel versehen, zurückgekommen.
Berlin den 21. April 1807.

Hochwohlgeborener!
Höchstzugebietender Herr Geheimer-Staats-Minister
Gnädigster Herr!
Durch Ew. Excellenz hohe Gnade ist mein Mann zu dem Glücke gelangt, von Joux nach Chalons, wenigstens in einer Stadt, wo er bessere Aufnahme, als in Erstere gewahr wird, gebracht zu werden. Daß dies für mich ein besonderes Gefühl von Freude gewesen ist, kann sich der wohl nur am lebhaftesten vorstellen, der in Sorge und Noth, wie ich lebt; meinen Mann in so weiter Ferne zu haben, und ihn nicht eher als nach Beendigung des Krieges, also vielleicht, wenn dieser noch lange währt, nie wieder zu sehen! O! wie schrecklich. Es ist mir nicht möglich, in Zeilen meine Gefühle hierüber und besonders gegen Ew. Excellenz, wegen dieser großen Güte auszudrücken. Ich schweige also hierüber ganz, suche aber desto mehr im Stillen, meine demüthig- und pflichtgemäßigsten Dankbezeugungen gegen Ex. Excellenz, wegen gehabtes Mitleiden mit meinem Mann und seinen beiden Cameraden, die Herren v. Kleist und v. Gauvain zu opfern. – Keiner wird wohl mehr Gelegenheit haben, dahin zu wirken, wenn es sonst möglich ist, diese Unglücklichen noch eher als nach Beendigung dieser Unruhen, in unsere Arme zurück- <102:> zuführen, als Ew. Excellenz; ich habe daher das festeste Vertrauen auf Ihre große Güte gefaßt und bin gewiß überzeugt, wenn ich dies große Glück noch erleben sollte, daß sich keiner glücklicher und zugleich dankungswerther gegen Sie bezeigen wird als
Ew. Excellenz

Neustadt an der Dosse
d. 24t. May 1807

unterthänigste Dienerin
von Ehrenberg.

Dazu Vermerk: ad acta Berlin d. 27. May 1807
Angern.
(R. 72. A. Ia. 1n.)

Als Ergänzung zu dem, was wir aus Kleists Korrespondenz und aus den Akten des Ministers v. Angern erfahren, dienen noch die folgenden Angaben aus dem Kriegsministerium in Paris, die ich als die einzigen Eintragungen in den Akten des Archivs erhalte, und die ich hier wortgetreu wiedergebe:
Un ordre inséré au rapport de la place de Berlin, du 30 au 31 janvier 1807, de conduire en France, pour être internés jusqu’à la paix MM. Gauvain, Kleist et Ehrenberg, officiers prussiens, se disant démmissionaires, venant de Königsberg;
leur arrivée à Besancon le 3 mars, à 7 heures du soir, se rendant en poste au fort de Joux, sous l’escorte d’un gendarme de Mayence;
leur passage de nouveau à Besancon, venant de Joux, le 11 avril allant à Chalons, sous l’escorte de la gendarmerie, en vertu d’une décision ministérielle du 26. mars.
Weitere Angaben finden sich nicht im Kriegsministerium zu Paris.
Fassen wir alles zusammen, was wir aus den Akten und den Briefen Kleists bisher wissen, so ergibt sich der folgende Tatbestand.
Kleist wird auf dem Wege nach Dresden, nicht nach Berlin, wie es in allen Kleistbiographien heißt (vgl. S. 362), vor den Toren von Berlin mit seinen Freunden Gauvain und Ehrenberg abgefaßt als Spion. Kleist und seine Freunde entgehen der Todesstrafe, der sie unbedingt verfallen waren, nur durch <103:> einen glücklichen Zufall, nämlich durch die verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen des Hauses Gauvain zu v. Angern. Den aufopfernden Bemühungen Angerns gelingt es, die Freunde vom Tode zu erretten. Aber trotzallem findet auch er nur bedingt Glauben, und in der von Berlin nach Paris gegebenen Ordre werden die drei noch als Offiziere bezeichnet. Gleißenberg und Schlotheim stehen Kleist helfend zur Seite, und Schlotheim begleitet Kleist auf dem Wege nach Frankreich. Die Gelegenheit zur Flucht, die sich Kleist während des Transportes bietet, benutzt er nicht. Da am 30. Januar der Befehl zum Transport erteilt wurde, dieser Befehl aber, wie Kleist angiebt, drei Tage nach der Festnahme herauskam, so muß diese Festnahme in Berlin am 27. Januar erfolgt sein. Mit diesem Befehl war wenigstens die unmittelbare Lebensgefahr beseitigt, und wir können nunmehr an der Hand der Daten aus dem französischen Kriegsministerium und der Briefe Kleists den Transport genau auf dem Wege und an den verschiedenen Tagen verfolgen bis zu der gegen Ende Juli desselben Jahres erfolgten Rückkehr Kleists in Berlin.

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